Michaela May über ihr Familiengeheimnis
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Michaela May: Das Drama um meine Geschwister

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Michaela May (2. v. re.) mit ihren Geschwistern Hans, Gundi und Karl (v. li.).
Michaela May (2. v. re.) mit ihren Geschwistern Hans, Gundi und Karl (v. li.). „Wir hatten viel Natur um uns.“ © Michaela May

Michaela May hat anlässlich ihres 70. Geburtstags ihre Autobiografie verfasst. In „Hinter dem Lächeln“ verrät sie das dunkle Geheimnis ihrer Familiengeschichte. Wir haben mit der beliebten Münchner Schauspielerin darüber gesprochen.

Kaum ein Foto, auf dem sie nicht strahlt. Kaum eine Veranstaltung, auf der sie nicht gut gelaunt Rede und Antwort steht, mit Kollegen plaudert, lacht, genießt. Michaela May ist nicht nur eine der gefragtesten Schauspielerinnen in Deutschland, sondern – so wirkt es – eine zutiefst zufriedene, positive Frau. Man kann kaum fassen, dass sie, Mutter zweier erwachsener Töchter und in zweiter Ehe mit dem Regisseur Bernd Schadewald verheiratet, vor über 40 Jahren gleich drei schwerste Schicksalsschläge erlitt: In der Zeit von 1974 bis 1982 nahmen sich ihre drei Geschwister das Leben. Zunächst Karl, ihr zweitältester Bruder, drei Jahre später der älteste, Hans (Sturz aus dem Fenster seiner Wohnung in Pasing), schließlich erhängte sich die kleine Schwester Gundi. Die Dramen ihres Lebens – Michaela May hat öffentlich nie über sie geredet. Nun schreibt sie über ihre tragische Lebensgeschichte in ihrer Autobiografie, die heute anlässlich ihres 70. Geburtstags am 18. März erscheint, und spricht darüber auch in einer aktualisierten Folge der BR-„Lebenslinien“ aus dem Jahr 2017 (Ausstrahlung am 14. März). Im Interview mit unserer Zeitung erklärt die „Durch-und-durch-Münchnerin“, was sie bewogen hat, das Erlebte nun öffentlich zu machen, und wie der Beruf ihr bei der Verarbeitung geholfen hat.

Schauspielerin Michaela May
Michaela May erzählt nach 40 Jahren ihr Familiengeheimnis © Britta Pedersen

Heute erscheint Ihre Autobiografie „Hinter dem Lächeln“. Warum haben Sie sich für diesen Titel entschieden?

Michaela May: Ich werde in der Öffentlichkeit eigentlich immer als starke, als Fröhlichkeit ausstrahlende Frau gesehen. Das spiegelte sich auch oft in den Rollen, für die ich besetzt wurde: die taffe Frau, die alles meistert und das Leben leichtnimmt. Ich wollte mit dem Titel und mit dem ganzen Buch sagen: Es gibt in meinem Leben Dinge, die hinter dem Schein der Fröhlichkeit liegen, hinter der Lockerheit.

Sie erzählen zum ersten Mal davon, dass sich Ihre drei Geschwister das Leben genommen haben. Alle litten unter Depressionen. Über 40 Jahre liegt das zurück. Warum machen Sie diese tragische Geschichte gerade jetzt öffentlich?

Michaela May: Ich wollte meine Mutter schützen, meinen Vater und mich selbst. Meine Eltern hatten irgendwann beschlossen, nicht über das Geschehene sprechen zu wollen. Weder über die Geburtstage meiner Geschwister noch über die Todestage. Sie wollten vor allem, dass Menschen, die von dieser Geschichte nichts wussten, ihnen völlig wertfrei gegenübertreten können, ohne diesen Makel: Das ist die Frau, die drei Kinder verloren hat. Dadurch haben wir irgendwie alle die Tür zur Vergangenheit zugemacht.

Ihr Vater ist schon einige Jahre tot, Ihre Mutter Anfang 2019 gestorben.

Michaela May: Ja. Danach habe ich angefangen, diese Familientragödie aufzuarbeiten. Sie nicht weiter zu verdrängen. Hinzu kam, dass es seit Jahren Anfragen von mehreren Verlagen gab, meine Autobiografie zu schreiben. Ich dachte: Wenn ich etwas zu erzählen habe, dann möchte ich nicht im großen Eigenresümee und voller Lob darin schwelgen, was ich alles Tolles gemacht habe. So ein Buch ergab für mich nur Sinn, wenn ich mich darin mit meiner Kindheit und Jugend beschäftige.

Welche Erinnerungen an Ihre Geschwister kamen da hoch?

Michaela May: Ich habe vor allem die Erinnerung an eine ganz fröhliche Kindheit. Wir hatten viel Natur um uns herum. Mein Vater war ein großer Naturliebhaber, meine Mutter eine große Gärtnerin und eine künstlerische Person. Wir haben wunderschöne Sommer auf unserem Grundstück am Ammersee verbracht, anfangs haben wir in einem Hühnerstall gewohnt, den mein Vater ausgebaut hatte. Später hat er dann ein Haus auf das Grundstück gebaut. Meine Cousinen wuchsen nebenan auf. Das war sehr schön. Wir hatten eine sehr fröhliche, unbeschwerte Kindheit.

Nichts deutete darauf hin, dass Ihre Geschwister buchstäblich lebensmüde waren?

Michaela May: Nein, überhaupt nichts.

Die Frage, die nach einem Suizid immer im Raum steht, ist die nach dem Warum.

Michaela May: Das hat mich natürlich beschäftigt. Allerdings habe ich keine Antwort gefunden. Die Wurzel des Ganzen kann ich tatsächlich überhaupt nicht erklären. Das konnten damals auch die Ärzte nur schwer oder gar nicht. Bei meinem jüngeren Bruder wurde immer gesagt, er sei zu schnell gewachsen. Da seien die Nerven nicht richtig mitgekommen. Das war die Erklärung.

Die Medizin war damals nicht sehr weit, was Krankheiten wie Depression anging.

Michaela May: Genau das ist ein Punkt, ja. Damals wurde mit Elektroschocks und dergleichen gearbeitet. Heute unvorstellbar. Ich kann nur sagen: An unserer Kindheit lag es mit Sicherheit nicht. Ich kann auch nichts sehen, was meine Eltern falsch gemacht hätten. Dass es nicht gelungen ist, das Ruder rumzureißen, darf man sich nicht zum Vorwurf machen, davon bin ich überzeugt. Die Lebensader eines jeden fließt selbstständig vor sich hin. Man kann versuchen, die Richtung zu ändern. Aber ob das gelingt – da spielen viele Mechanismen mit rein.

Haben Sie selbst Angst vor Depression?

Michaela May: Nein, ich habe gar keine Tendenz zur Depression. Mir macht das Leben Spaß, ich möchte alles erleben und mitnehmen, was ich kann. Ich weiß ja, dass das Leben kurz sein kann. Meine Reaktion auf das, was passiert ist, war schon sehr früh: Ich lasse die Vergangenheit ruhen und sehe das Positive im Leben. In dem Jahr, als meine Schwester starb, war ich schwanger mit meiner ersten Tochter. Das war für uns alle ein sehr großer Trost. Neues Leben, das machte Hoffnung.

Sie sagen, Sie möchten mit dem Buch auch anderen Menschen Mut machen.

Michaela May: Ja, das ist mir wichtig. Ich bin kein Lebensratgeber, und das möchte ich auch nicht sein. Ich denke aber, jeder hat sein Päckchen zu tragen. Man kann damit hadern und in Selbstmitleid verfallen, aber das wird einem nicht viel helfen. Ich wollte erzählen, wie es mir ergangen ist. Das Buch war da wie eine Therapie für mich.

Inwieweit hat die Schauspielerei Ihnen geholfen, das Erlebte zu verarbeiten? 1974, als Ihr erster Bruder starb, starteten Sie grad mit den „Münchner Geschichten“.

Michaela May: Die Schauspielerei hat mir die Gelegenheit gegeben, in andere Figuren, in andere Biografien, in andere Welten einzutauchen. Ich konnte mich in andere Leben stürzen. Das hat mich ein Stück weit aus dieser düsteren Situation befreit. Der Beruf war und ist bis heute ein großes Geschenk. Das tat in den Situationen damals besonders gut.

Glauben Sie, dass diese Seite, die Sie jetzt von sich zeigen, auch die Rollen verändert, die Ihnen angeboten werden? Dass Sie künftig etwas weniger oft die Taffe spielen, sondern auch mal die Verletzliche?

Michaela May: Es ist ja nicht so, dass ich immer nur diese fröhlichen, starken Frauen gespielt habe. Ich habe auch das Abgründige gespielt. Das waren immer die Rosinen, die ich gern rausgepickt habe. Da konnte ich dann zeigen, was noch in mir steckt. Aber im Gros haben Sie recht: Man hat mich immer geholt, wenn man eine starke Frauenfigur brauchte.

Die berühmte Schublade.

Michaela May: Ja. Es war zum Beispiel immer lustig, wenn ich mit der Hannelore (Elsner, Anmerkung der Redaktion) gedreht habe. Sie war immer die Femme fatale und ich die brave, die ausgleichende Ehefrau. (Lacht.) Zuletzt beim „Familienfest“. Ob es jetzt in Zukunft anders wird, das weiß ich nicht und das ist mir egal. Ich wollte mit meiner Familiengeschichte nur sagen: Das bin ich auch. So bin ich. Ich habe auch andere Facetten als nur die Starke. Was das mit meiner Außenwirkung macht, kann ich nicht sagen. Dafür habe ich das Buch nicht geschrieben.

Informationen zum Buch: Michaela May: „Hinter dem Lächeln“. Piper Verlag, München, 256 Seiten; 22 Euro.

Lesung: Michaela May stellt ihr Buch am Donnerstag,
10. März, 20 Uhr, im
Münchner Literaturhaus, Salvatorplatz 1, vor;
Karten – auch für
den Livestream – unter 01806/70 07 33 oder unter literaturhaus-muenchen.
reservix.de.

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