Monadologie und andere metaphysische Schriften: Discours de métaphysique; Monadologie; Principes de la nature et de la grace fondès en raison | Gottfried W Leibniz, Ulrich J Schneider, Ulrich J Schneider, Ulrich J Schneider | download on Z-Library
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Monadologie und andere metaphysische Schriften: Discours de métaphysique; Monadologie; Principes de la nature et de la grace fondès en raison

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Year:
2002
Publisher:
Meiner, F
Language:
german
Pages:
200 / 238
ISBN 10:
2951859015
ISBN 13:
9782951859012
File:
PDF, 6.31 MB
IPFS CID:
QmbfqM1eskSViwWog9TYGBA18nWsZ4W8xCsgmxUq6uMnrJ
 
 
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german, 2002

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2

The Three Musketeers

Year:
2014
Language:
english
File:
EPUB, 764 KB
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english, 2014
G O T T F R IE D W IL H E L M L E IB N IZ

Monadologie und andere
metaphysische Schriften
Discours de métaphysique
La monadologie
Principes de la nature et de la grâce
fondés en raison

Herausgegeben, übersetzt,
Einleitung, A nm erkungen und Registern versehen
von
U lrich Johannes Schneider

Französisch - deutsch

F E L IX M E IN E R V E R L A G
HAM BURG

P H I L O S O P H I S C H E B IB L I O T H E K B A N D 537

Die D eutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahm e
Leibniz, G ottfried Wilhelm:
Monadologie und andere metaphysische Schriften ;
französisch-deutsch = D iscours de métaphysique,
Monadologie, Principes de la nature et de la grâce fondés
en raison / hrsg., übers., mit Einl., Anm. und Registern
vers, von U lrich Johannes Schneider. —H am burg :
Meiner, 2002
(Philosophische Bibliothek ; Bd. 537)
ISBN 3-7873-1606-X
© Felix M einer Verlag G m bH , H am burg 2002. Alle Rechte, auch
die des auszugsweisen N achdrucks, der fotomechanischen W ie­
dergabe und der Ü bersetzung, Vorbehalten. Dies betrifft auch
die Vervielfältigung und Ü bertragung einzelner Textabschnitte
durch alle Verfahren wie Speicherung und Ü bertragung auf Pa­
pier, Transparente, Filme, Bänder, Platte und andere Medien, so­
weit es nicht §§ 53 und 54 U R G ausdrücklich gestatten. - Satz:
KCS G m bH , B uchholz/H am burg. D ruck und Bindung: D ruckhaus »Thomas M üntzer«, Bad Langensalza. W erkdruckpapier:
alterungsbeständig nach A N S I-N orm resp. D IN -IS O 9706, her­
gestellt aus 100 % chlor-frei gebleichtem-Zell&toff. Printed in Germany.

INHALT

E inleitung........................................................................
1. Leibniz als Metaphysiker.........................................
2. Zu den Texten............................................................
3. Zur Überlieferungsgeschichte................................
4. Zur Übersetzung.......................................................
Literaturhinweise...........................................................

VII
VII
XIII
XXIII
XXVII
XXXIII

Gottfried Wilh; elm Leibniz
Monadologie und andere metaphysische Schriften
Discours de métaphysique /
Metaphysische Abhandlung.........................................

2/3

La monadologie / Monadologie................................... 110/111
Principes de la nature et de la grâce fondés en raison /
Auf Vernunft gegründete Prinzipien der Natur
und der Gnade.............................................. .................. 152/153
Anmerkungen des Herausgebers.................................
Begriffsregister................................................................
Personenregister........................................... ..................

175
189
199

EINLEITUNG

1. Leibniz als M etaphysiker
Das 20.Jahrhundert hat die M etaphysik von Leibniz ein­
drucksvoll gewürdigt, w enn auch mit ambivalenter Tendenz.
W enn M artin Heidegger Leibniz liest, dann findet er dort
»die M etaphysik des m odernen Zeitalters« charakterisiert.
Leibniz ist eine philosophische Schlüsselfigur: »N ur im Blick
zurück auf das, was Leibniz denkt, können w ir das gegen­
wärtige Zeitalter, das man das A tom zeitalter nennt, als jenes
kennzeichnen, das von der M acht des principmm reddendae
rationis sufficientis durchm achtet w ird.«1 Heidegger entlarvt
den Satz vom zureichenden G rund, den Leibniz als erster
form uliert habe, als einen Im perativ und assoziiert ihn u n ­
m ittelbar m it m ethodischer Wissenschaft. Das rationale D en­
ken in Wissenschaft und Technik wird bei Heidegger in den
A usdruck »neuzeitliche Denkweise« verschmolzen, und die
Kritik dieser Denkweise wiederum m otiviert sein eigenes
Philosophieren als Auseinandersetzung mit dem abendländi­
schen Denken: Leibniz als M etaphysiker ist ein großer D en­
ker im Falschen.
Entgegengesetzt fällt die W ürdigung von Gilles Deleuze
aus, der Leibniz als M etaphysiker aktualisiert, indem er ihn
für eine Rationalität des Relativen reklamiert: »Der Perspek­
tivismus bei Leibniz [...] ist zwar ein Relativismus, aber nicht
der Relativismus, den man vermutet. Er ist keine Variation
der Wahrheit je nach Subjekt, sondern die Bedingung, unter
der dem Subjekt die W ahrheit einer Variation erscheint. Das
1
M. Heidegger, D er Satz vo m Grund., Stuttgart: N eske 1957, S. 65;
vgl. zu Leibniz auch Vom Wesen des Grundes, Halle: N iem eyer 1929, seit
1949 Frankfurt am Main: Klostermann, und Nietzsche, Stuttgart: N eske
1961 Bd. II, S. 396-416.

eben ist die Idee des barocken Perspektivismus.«2 Deleuze
übernim m t die bei Leibniz formulierte O ntologie des Rela­
tionalen für sein eigenes Projekt einer Philosophie der Im ­
manenz ohne Trennung des Körperlichen vom Geistigen.
Leibnizens M etaphysik wird so in ein Denken eingebracht,
dem es wie Heidegger um eine Überw indung technisch-rationaler Vernunft geht, das allerdings Sprache und Entw urf
der Monadologie dafür in Anspruch nehmen will.
N och zum 300. Geburtstag von Leibniz im Jahr 1946 war
nicht abzusehen, daß Leibniz als M etaphysiker eine derart
prom inente Rolle im Denken des 20.Jahrhunderts spielen
würde.3 Eher schon war klar, und das seit längerem, daß die
Auseinandersetzung mit seinen Texten insgesamt zunehmen
würde, im Gefolge der im Jahre 1923 einsetzenden Publika­
tion der Sämtlichen Schriften und Briefe im Rahmen der Akademie-Ausgabe.4 H eute gibt es beides, ein wiedererwachtes
philosophisches Interesse an der M etaphysik und eine ver­
besserte Kenntnis der Leibnizschen Schriften. D er Weg zu
den Texten, in denen sich Leibniz über metaphysische Fragen
äußerte, wird neu gebahnt; auch diese Ausgabe soll dazu
Hilfsmittel sein.
Die M etaphysik von Leibniz ist in vielen bekannten T he­
sen resümierbar: daß die Welt aus unteilbaren M onaden be­

2 G. Deleuze, Die Faite. Leibniz und der Barock [Le pli. Leibniz et le
baroque, 1988], Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995, S. 37; vgl. auch D if­
ferenz und Wiederholung [Différence et répétition, 1968], München:
Fink 1992.
3 Vgl. zu den Publikationen des Jubiläumsjahres etwa N . H artm ann,
Leibniz als Metaphysiker, Berlin: de G ruyter 1946, und das erste H eft
der Zeitschrift fü r philosophische Forschung (hg. v. Georgi Schischkoff,
Reutlingen: G ryphius 1946), dessen erster Aufsatz »Leibniz und wir«
von dem 1943 ermordeten Kurt H uber stammte.
4 G. W. Leibniz, Sämtliche Schriften und Briefe, hg. von der BerlinBrandenburgischen Akademie der Wissenschaften (zuerst Preußische
Akademie, später Akademie der D D R ) und der Göttinger Akademie der
Wissenschaften, 1923 ff.; die »Philosophische Schriften« bilden hier die
»Reihe VI«.

stehe, die in vorherbestim m ter H arm onie miteinander koexi­
stieren, daß in den M onaden Geist und K örper als Einheit ge­
faßt seien, daß es weder N euentstehung noch Tod gebe, son­
dern ein Entwickeln aus dem unendlich Kleinen und ein
Einhüllen in dasselbe, daß es mögliche Welten gebe, die exi­
stente Welt aber die beste aller möglichen sei, daß die M en­
schen als Geister in einem Gottesstaat lebten. Bis heute sind
viele dieser Thesen um stritten und von Interpretationen
überwuchert. Das hat seinen G rund auch darin, daß viele
Texte von Leibniz Gedankenprotokolle sind, die aus ihrem
Kontext erklärt werden müssen.
»Ein M etaphysicus w ar er im höchsten Grade, und wie
sollte dergleichen ein M ann nicht sein, dessen Verstand sich
auf alles erstreckt?« rief 1717 Fontenelle in seiner Gedächt­
nisrede vor der Pariser Akademie aus, die Leibniz 1700 als er­
sten Ausländer zum korrespondierenden Mitglied ernannt
hatte.5 Fontenelle spricht ein Problem an: Leibniz entwickelt
seine M etaphysik im Zusammenhang m it mathematischen
und naturwissenschaftlichen Studien, aber auch mit m orali­
schen und theologischen Überlegungen. E r schreibt in den
nachfolgend abgedruckten Texten beispielsweise, daß will­
kürlich aufgemalte Punkte sich mathematisch als Kurven­
funktion beschreiben lassen, daß neueste Erkenntnisse der
Biologie die Präform ationstheorie stützen, daß das Übel in
der Welt deren Vollkommenheit erhöhe, oder daß G ott diese
Welt gewollt habe, sein Wille jedoch vom Verstand bestimmt
sei und Alternativen nicht erlauben könne.6 Die K om bina­
tion der Wissensgebiete m acht den Zugang nicht leicht. Wie
ist der M etaphysiker Leibniz zu fassen?
5 Bernard le Bovier de Fontenelle, Lebens-Beschreibung des Herrn
von Leibniz, in: G. W. Leibniz, Monadologie, hg. v. D ietm ar Till, Frank­
furt am Main: Insel 1996, S. 106f. Fontenelle war Sekretär der Pariser
Akademie, seine Rede auf Leibniz (Eloge de M. Leibnitz) erschien zuerst
gedruckt in: Eloges des académiciens avec l’Histoire de V.Académie royale
des sciences (Den Haag 1731), zuletzt ediert in: Fontenelle, Œuvres com­
plètes, Bd. VI, hg. v. Alain N iderst, Paris: Fayard 1994, S. 377-417.
6 Vgl. Metaphys. A bh. 2, 6, 7,19, 30; Monadologie 74; Prinzipien 6, 9.

Die philosophiehistorische Forschung der letzten einhun­
dert Jahre hat intensiv das U m feld der Leibnizschen P ro­
blemstellungen erkundet. Allgemein dient der Rückgriff auf
das 17. Jahrhundert und seine D enker wie Francis Bacon,
René Descartes, Baruch Spinoza oder eben auch G ottfried
Wilhelm Leibniz inzwischen nicht m ehr der Erinnerung an
das Projekt der M oderne im W ettstreit rationaler Systeme.
Was damals gegen die Scholastik und den Aristotelismus
der Schulphilosophie form uliert wurde, liest man heute
nicht m ehr als fundamentale revolutionäre Geste. D er M y­
thos verblaßt, die Philosophie des 17.Jahrhunderts sei eine
N eugründung des Denkens gewesen. Vielmehr w erden die
unterschiedlichen E insatzpunkte und die theoretischen
Spannungen zwischen den »M odernen«, wie Leibniz sie
nannte, stärker in den Blick genommen und der intellektuel­
le Raum ihrer Entw ürfe als einer der Auseinandersetzung
und der Forschung ausgelotet.
In dieser Lesart w ird unter den D enkern der M oderne vor
allem Leibniz selbst interessant, denn er hat wie kein anderer
die zeitgenössischen Problem e m it älteren Ansätzen zu ver­
binden gesucht. Gerade in den m etaphysischen Schriften fin­
den sich explizite Anleihen bei A utoren der A ntike und des
Mittelalters und nicht selten w erden diese gegen ihre m oder­
nen Kritiker verteidigt. Leibniz vermied prätentiöse m etho­
dologische Schlagworte und terminologische Radikalität,
seine verbindend und versöhnend gemeinten Vorschläge
führten zugleich in eine ungewöhnliche Sprache, eine im
ganzen neue Sprache der M etaphysik. Diese Sprache hat man
zu Anfang des 20.Jahrhunderts im wesentlichen als Logifizierung der Welt verstehen wollen. Bertrand Russell vertrat
1900 die These, daß Leibnizens Philosophie fast gänzlich aus
der Logik abzuleiten sei.7 Das wurde zeitgleich auch von
Louis C outurat vorgetragen, der dam it - nicht kritisch wie
Russell, sondern apologetisch - die Einheitlichkeit der Leib1
B.Russell, A critical Exposition o f the Pbilosophy o f Leibniz, L on­
don 1900, 2. Aufl. 1937, S. V (Préfacé to the second édition).

nizschen Philosophie herausstellen wollte.8 Dies w ar auch
eine K ritik an der philologisch sanktionierten Trennung des
»mathematischen« und des »philosophischen« Leibniz durch
die Editionen G erhardts.9 In verw andter Absicht hat Ernst
Cassirer Leibniz vor dem H intergrund des E rkenntnispro­
blems bzw. des Leib-Seele-Problems gelesen, deutlich in
einer Perspektivierung von Kant her, der die Idealität von
Raum und Zeit zu r H aupteinsicht seiner Transzendentalphi­
losophie m achte.10
Leibniz w urde so um 1900 in die A ktualität einer sich
aus mathem atischem und idealistischem Geiste neubestim ­
m enden europäischen Philosophie hineingeholt, während
zugleich die philologische Bewältigung der unzähligen hinterlassenen Fragm ente in der bis heute wachsenden A kade­
mie-Ausgabe begann, die allerdings eine Vervielfältigung des
Leibniz-Bildes bewirkte. M an nahm Einblick in die W erk­
statt eines singulär erfinderischen und zugleich umfassend
kom m unizierenden Kopfes und entdeckte Zusammenhänge
zwischen politischen, kirchlichen, theologischen und philo­
sophischen Projekten.11 Was editorisch bis heute in der Akademie-Ausgabe und vielen anderen Textsammlungen zutage
trat, beweist die Vielfältigkeit der Bezüge, welche die m eta­
8 L .C outurat, La logique de L eib niz, Paris; PU F 1901, N achdruck
Hildesheim: O lm s 1961, S. VIII.
9 Leibnizens mathematische Schriften, hg. v. Carl Im manuel G er­
hardt, 7Bände, Berlin 1849-1863, N achdruck Hildesheim: O lm s 1962;
D ie philosophischen Schriften von G. W. Leibniz, hg. v. C. I. Gerhardt,
7 Bände, Berlin 1875-1890, N achdruck Hildesheim: O lm s 1961.
10 E. Cassirer, L eib n iz’ System in seinen wissenschaftlichen Grundla­
gen [1902], H am burg: M einer 1998 (Gesammelte Werke 1); Cassirer be­
schäftigt sich in einem »Kritischen N achtrag« mit Russell und Coutrurat,
vgl. ebd. S.477—499, S.470. Zu seiner späteren Einschränkung der er­
kenntnistheoretischen Lesart mit Rücksicht auf die Spätschriften vgl.
Cassirer, Einleitung, in: HS, S. LX X IX [zuerst 1904], [Abgekürzt zitier­
te Schriften s. Literaturhinw eise, S.X X X IV -X X X V II]
11 Vgl. etwa eine Studie zu Leibnizens theologischen und kirchenpolitischen Bemühungen: A. Robinet, G. W. Leibniz, L e meilleur du monde
par la balance de l ’Europe, Paris: P U F 1994.

physischen Überlegungen bei Leibniz besitzen, und es zeigt
den dialogischen Charakter der Leibnizschen Philosophie,
die weit seltener durch Veröffentlichung als durch briefliche
Mitteilung Anhänger zu gewinnen suchte.
Wie Leibniz seine umfangreichen Neuen Versuche über
den menschlichen Verstand (1704) beiseite legte und nicht
zum Druck beförderte, nachdem der Adressat John Locke
gestorben war, so ließ er seine kürzeren metaphysischen
Schriften liegen, wenn sich die Gelegenheit zur gelehrten
Diskussion ihrer Thesen bot. Er faßte lieber noch einmal in
neuen Worten zusammen, was er dachte, statt seine Manu­
skripte zirkulieren zu lassen, oder schrieb sie völlig neu,
wenn ihm der Adressat konkret vor Augen stand. Treffende
Worte hat Leibniz auch für seine Metaphysik eher im Ge­
spräch gesucht als im privaten Diktat fixiert. Damit ergibt
sich das Dilemma jeder Leibniz-Edition, denn das philoso­
phische Werk liegt in verschiedensten Textsorten vor: Ma­
nuskripte, Drucke, Briefe, deren Konzepte und Beilagen. N icholas Rescher hat für seine Ausgabe der Monadologie einen
umfangreichen Stellenkommentar aus solchen »anderen«
Schriften zusammengestellt und Leibniz zu seinem eigenen
Interpreten gemacht - Leibniz als unendlicher Text.12 Einen
anderen Weg hat André Robinet gewiesen, indem er tabella­
rische Übersichten thematischer »Parallelstellen« präsentier­
te - Leibniz als Begriffs- und Problemregister.13
Man muß wohl Leibniz als ein schriftlich beinahe unbe­
schränktes Universum betrachten, in dem es keinen Wider­
spruch darstellt, etwas anderswo anders auszudrücken. Das
Vielfältige ist nicht nur Anlaß und Ziel der Metaphysik, son­
dern bestimmt auch den Stil ihres Vortrags. Es sind weniger
Gewißheiten als Hypothesen, Überlegungen und Annahmen,
12
L eibniz’sMonadology. A n édition forStudents, hg. v. N icholas Re­
scher, Pittsburgh 1991,
11
G. W. Leibniz, Principes de la nature et de la grâce fondés en raison.
Principes de la philosophie ou Monadologie, hg. v. A. Robinet, Paris 1954,
S. 134-141.

die dieses D enken bewegen, »Was die reale M etaphysik be­
trifft, so fangen w ir sozusagen eben erst an, sie zu begrün­
den«, schrieb Leibniz 1704, und setzte hinzu, sie verhalte sich
zu den anderen Wissenschaften wie der A rchitekt zu den A r­
beitern.14 D aß der A rchitekt wiederum in der A rbeit sich be­
weist und nicht in bloßen Planskizzen, gehört wesentlich zu
der von Leibniz begründeten »realen«, also auf die W irklich­
keit und deren O perationen zielenden M etaphysik.

2. Zu den Texten
a) M etaphysische A bhandlung
D er Titel »discours de métaphysique« entstam m t einem Brief
von Leibniz an Landgraf Ernst von Hessen-Rheinfels, dem
er im Februar 1686 von der N iederschrift der Abhandlung
N achricht gibt. Leibniz m öchte m it diesem Text das G e­
spräch m it A ntoine A rnauld w ieder aufnehmen, dem fran­
zösischen Theologen und Philosophen, zu dem er seit seiner
Pariser Zeit (1672) immer w ieder den wissenschaftlichen
K ontakt suchte und der seit 1679 im flandrischen Exil lebte.
A rnauld fühlte sich durch die Thesen, die Leibniz ihm als Z u­
sammenfassung der A bhandlung schickte, zu einer Reihe von
Repliken, Bedenken und Fragen veranlaßt, was ihn bis 1690
in einen intensiven Briefwechsel mit Leibniz verwickelte.
Dieser Briefwechsel stellt gleichsam den lebendigen K om ­
m entar zur Metaphysischen Abhandlung dar. Die 37 Paragra­
phen dieser Schrift sind andererseits selbst eine A rt K om ­
m entar zu der Schrift Abhandlung von der N atur und der
Gnade (1680,4. erweiterte Auflage 1684) von Nicolas M ale­
branche, einem führenden Cartesianer. U nd auch Descartes
selbst, dessen Werke Leibniz zuvor intensiv studiert hatte,
wird in der A bhandlung durchgängig kritisch bedacht.15
14 N eue Abb. S. 463.
15 A kad.-Ausgabe Reihe VI, Band IV, S. 1695-1763.

Leibniz schreibt 1686: »Ich habe kürzlich (als ich an einem
Ort war, wo ich während einiger Tage nichts zu tun hatte)
eine kleine Abhandlung über Metaphysik geschrieben, wor­
über ich gerne die Meinung von Herrn Arnauld hören würde.
Denn die Fragen der Gnade, der Mitwirkung Gottes mit den
Geschöpfen, der Natur der Wunder, der Ursache der Sünde
und des Ursprungs des Übels, der Unsterblichkeit der Seele,
der Ideen usw. sind dort auf eine Art und Weise dargestellt,
die neue Einblicke zu geben scheint, die geeignet sind, sehr
große Schwierigkeiten zu erhellen.«16 Der Katalog metaphy­
sischer Themen wird mit dem Bewußtsein vorgetragen, die
großen Fragen ererbt zu haben und Antworten lediglich vor­
schlagen zu können. Auch wenn die Höflichkeit des Briefe­
schreibers Bescheidenheit stärker vorgibt als wirklich aus­
drückt, ist der Gestus für Leibniz typisch: Metaphysik ist
weniger eine Sache der Lehre als des Gedankenaustauschs.17
Den Text selbst hat Leibniz zu Lebzeiten vermutlich nicht
aus den Händen gegeben. Er bietet für nachkommende Leser
das ausführlichste Zeugnis für seine Behandlung metaphysi­
scher Fragen in den 1680er Jahren und enthält eine Reihe von
erst mit dem Spätwerk berühmt gewordenen Thesen. Im
Alter von vierzig Jahren positioniert sich Leibniz 1686 gegen
Malebranche (1638-1715) als dritter großer Metaphysiker
des 17.Jahrhunderts nach René Descartes (1596-1650) und
Baruch Spinoza (1632-1677).18 Bei Descartes gibt es Gott
und einen göttlichen Willen, der durchaus Züge freier Will­
kür trägt, während Spinoza G ott mit der Natur identifiziert
16 Leibniz-Arnauld, S.3; G e rh a rd tll, S. 11.
17 Z u r metaphysischen Bildung von Leibniz und zu r Entw icklung sei­
ner Lehre vgl. Wilhelm Schmidt-Biggemann in: H elm ut H olzhey (Hg.),
Die Philosophie des 17. Jahrhunderts: D eutschland, Basel: Schwabe 2001
(G rundriß der Geschichte der Philosophie, begründet von Friedrich
Überweg, völlig neubearbeitete Ausgabe, Band 4), S. 1064-1075.
18 D aß Spinoza von Leibniz nicht stärker in die D iskussion m it ein­
bezogen wurde, liegt am V orwurf des Atheism us, der damals unaufheb­
bar m it dessen Ethica (1677) verknüpft war. Vgl. die Spinoza-A nnotate
in: A kad.-Ausgabe Reihe VI, Band IV, S.1764-1776.

und dessen Willen mit der Notwendigkeit. Leibniz geht vom
Handeln Gottes aus, und zwar »nicht nur im metaphysi­
schen, sondern auch im moralischen Sinne«, wie es eingangs
heißt. Er verbindet den (philosophischen) Gedanken eines
vollkommenen Seins mit der (theologischen) Anerkennung
eines höchsten Entscheiders: D er göttliche Wille ist vom Ver­
stand gelenkt und daher nicht willkürlich. So argumentiert
Leibniz »gegen diejenigen, die glauben, Gott hätte es besser
machen können« (§3) und zeigt, daß Gottes Handeln »der
Ordnung gemäß« sei, keine Wunder nötig habe und sich im
Reichtum der Wirkungen als vollkommen erweise (§§5-7).
Leibniz steuert damit direkt auf das in seiner Theodizee 25
Jahre später ausführlich behandelte Hauptproblem zu, wie
Gott wollen könne, was als »Übel« sichtbar eine schlechte
Handlung ist (§8). Er konzentriert sich im Hauptteil der
Metaphysischen Abhandlung jedoch auf die Substanzenleh­
re19 und führt seine Leser erst gegen Ende wieder vor die
Frage, wieso es G ott gefallen konnte, jemanden wie Judas
existieren zu lassen, der als Verräter unter den Aposteln Jesus
ans Kreuz lieferte (§31). Eine erste Hypothese, daß durch das
Böse das Weltgeschehen »im ganzen Verlauf mehr Vollkom­
menheit« gewinnen würde, wird nun am Ende dahin gehend
verbessert, daß die Beweggründe Gottes »in der allgemeinen
Ordnung begründet sind, deren Ziel die größte Vollkom­
menheit des Universums ist«. Ebendas steht im Zentrum von
Leibnizens Metaphysik: »allgemeine Ordnung« und »Voll­
kommenheit des Universums«.
Ordnung ist für Leibniz keine leere Struktur und Voll­
kommenheit nichts Abstraktes, und so lauten die Thesen die­
ser Metaphysik: Es gibt nur individuelle Substanzen. Sie sind
unmittelbar von Gott hervorgebracht und können nicht an­
19
D ie A nnahm e individueller Substanzen bei Leibniz unterscheidet
sich deudich von Descartes (zwei Substanzen: D enken u n d A usdeh­
nung) u nd von Spinoza (eine einzige Substanz); vgl. R oger W oolhouse,
Descartes, Leibniz, Spinoza. The Concept o f Substance in Seventeenth
C entury Metaphysics, London: Routledge 1993.

fangen oder enden, entstehen oder vergehen. Jede Substanz
ist eine eigene Welt. Jede Substanz drückt das ganze Univer­
sum aus. Es gibt immaterielle Substanzen oder Geister, wel­
che eher Gott als die Welt ausdrücken. Leibniz nimmt in die
Metaphysische Abhandlung neben der Substanzenlehre auch
die bereits früher entwickelte Erkenntnislehre20 auf und
führt den Begriff der Perzeption ein, der sowohl so etwas wie
die Wahrnehmung durch Sinne bezeichnet als auch die Aus­
drucksweisen der Substanzen.21 In dieser Doppelbedeutung
spielen vor allem die kleinen und kleinsten Perzeptionen eine
für das Leibnizsche Denken wichtige Rolle: Sowohl materiell
wie immateriell gibt es unendlich Kleines, aber kein Nichts.
Es gibt keinen Tod bei Leibniz, nur Unempfindlichkeit, U nmerklichkeit, Unbewußtheit: Minderung also, im Gegenzug
auch Steigerung. Die Leibniz-Welt ist voller Geschehnisse
und Transformationen: »Fülle« (plénitude, le plein) muß
durchweg angenommen werden, wie es später heißt.22
Wie ausgearbeitet Leibnizens Philosophie in der M etaphy­
sischen Abhandlung bereits war, läßt sich den Briefen ent­
nehmen, in denen er Arnauld nähere Erläuterungen gab.23
Hier ist schnell Überein Stimmung in der These erreicht, daß
»die Pläne Gottes stets auf das ganze Universum gehen« und
daß Gott einen »vollkommenen Begriff« bilden kann, »der
zureicht, um von allen Ereignissen, die mir begegnen, Re­
chenschaft abzulegen«. Schwieriger erweist sich die Darle­
gung der Verbindung von Körper und Seele. Leibniz leugnet
die Einwirkung der Seele auf den Körper und umgekehrt:
20 Betrachtungen über die Erkenntnis, die Wahrheit u n d die Ideen
[1684], in: HS, S. 9-15.
21 Vgl. Metaphys. A bk. 9: »Perzeption oder Erkenntnis«, 14: »Per­
zeptionen oder Ausdrücke aller Substanzen«.
22 Monadologie 8, 61, Prinzipien 3.
23 Leibniz-Arnauld', G erhardt II, S. 1-138; vgl. auch Georges LeRoy,
Leibniz: Discours de métaphysique et correspondance avec A m a u ld ,
Paris: Vrin 1957, 4. Aufl. 1984; G. H . R. Parkinson (Hg.), The LeibnizA rnauld Correspondence, M anchester U niversity Press 1967, 2. Aufl.
N ew York: G arland 1985.

»zwischen einem Geist und einem K örper besteht kein Ver­
hältnis«. Vielmehr ist es die O rdnung oder »Harm onie« des
U niversum s, welche das, was wie eine Verbindung scheint, als
einen »maschinellen« Zusam m enhang funktionieren und als
eine nicht physische, sondern m etaphysische »Vereinigung«
(union) von K örper un d Seele erkennen läßt. Leibniz zeigt
sich in diesen Briefen als gelehrter Verteidiger eines Systems,
das ganz bew ußt Anleihen bei Platon, Augustinus und T h o ­
mas von A quin m acht und konkret die Schwierigkeiten an­
geht, die m it M alebranches Annahm e eines gelegentlich ein­
w irkenden G ottes und D escartes’ H ypothese eines Kausal­
verhältnisses zwischen M aterie und Geist verbunden sind.24
Auch w enn bis heute für Leibniz zentrale Begriffe wie »Ein­
heit« (unité), »Vereinigung« (union) und »Zusammenset­
zung« (com position) Schwierigkeiten machen, besonders was
die These von der N icht-E ntstehung und von der U nver­
gänglichkeit der Substanzen angeht, ist das historische U rteil
eindeutig, daß hier eine neue und im höchsten Maße origi­
nelle Philosophie vorliegt. Die Metaphysische A bhandlung ist
in vielerlei H insicht eine Vorstufe der späten Schriften M o­
nadologie und A u f Vernunft gegründete Prinzipien der N a tu r
un d der Gnade, sie ist andererseits gerade in der K ritik k o n ­
kurrierender Ansätze expliziter und zugänglicher als diese.
D a die Metaphysische A bhandlung in ausgereifter Form
»alle wesentlichen Strukturgedanken der Leibnizschen M e­
taphysik« enthält, kann in der Tat erstaunen, daß sie nicht
veröffentlicht w urde.25 Leibniz hat in den Jahren bis 1714,
also bis zur Abfassung der beiden metaphysischen Spät­
schriften, neben der T heodizee2b, nur kleinere Proben seiner

24 Vgl. die Briefstellen in Leibniz-A rnauld, S. 131, 143, 155, 249f.,
343 f. und in HS, S. 389, 395, 402,413 f., 442.
25 K urt H uber, Leibniz, M ünchen: O ldenbourg 1951, S. 191.
26 Versuche in der Theodicée über die G üte Gottes, die Freiheit des
Menschen und den Ursprung des Übels [Essais de Theodicée sur la bonté
de Dieu, la liberté de l’hom m e et l’origine du mal, Amsterdam: Troyel
1710],

philosophischen Überlegungen in den Druck gegeben.27
Leibniz wollte mehr veröffentlichen und hat etwa auch sei­
nen Briefwechsel mit Arnauld und dem Landgrafen Ernst ab­
schreiben lassen und als eigenes Konvolut für den Druck zu­
sammengestellt, ohne daß es allerdings zur Drucklegung zu
Lebzeiten kam, wie der erste Herausgeber berichtet, der das
Konvolut fand und 1846 herausbrachte.28 Den Ausgangs­
punkt dieses Briefwechsels, die Metaphysische Abhandlung
von 1686, hat Leibniz allerdings nicht weiter bearbeitet.

b) Monadologie
Die auch als »Lehrsätze der Philosophie« (principii philosophiae) bekannt gewordene Schrift, die als wichtigster meta­
physischer Text von Leibniz gilt, ist in unmittelbarer zeit­
licher Nähe zu den A u f Vernunft gegründeten Prinzipien der
Natur und der Gnade 1714 entstanden, zwei Jahre vor dem
Tod des Autors mit siebzig Jahren. Sie ist vielfach als »Vermächtnisschrift« bezeichnet worden, was aus ihrer großen
Wirkung begründet scheint und auch der Tatsache gerecht zu
werden versucht, daß man keinen unmittelbaren Anlaß für
ihre Niederschrift ausmachen kann. I pihni? scheint die M o­
nadologie für die Nachwelt geschrieben zu haben und läßt
die 90 kurzen Paragraphen ohne weitere Erklärung, wenn
man nicht die von ihm später hinzugefügten Hinweise auf
sachverwandte Abschnitte der Theodizee dafür nehmen will.
27 Veröffentlicht wurden u. a.: Neues System der N atur und der Kom­
munikation [HS: Gemeinschaft] der Substanzen, w ie der Vereinigung
zwischen Körper und Seele [1695], in: HS, S. 447-458; Aufklärung der
Schwierigkeiten, die H. Bayle in dem neuen System der Vereinigung von
Seele und Körper gefunden hat [1698], in: HS, S. 462-470; Erwiderung
au f die Betrachtungen Bayles über das System der prästabilierten H ar­
monie [1702], in: HS, S. 555-576.
28 Briefwechsel zwischen Leibniz, Arnauld und dem Landgrafen
Emst von Hessen-Rheinfels, hg. v. C.L.Grotefend, Hannover 1846,
S.VII-IX.

Allerdings bilden m ehrere Briefwechsel aufschlußreiche
Kontexte. So verläuft im H intergrund ein langjähriger brief­
licher Austausch vor allem über das Problem der Substanzen
m it dem Jesuitenpater Bartholom äus des Bosses in H ildes­
heim. Parallel zur Abfassung des Werkes korrespondiert
Leibniz intensiv m it dem französischen Rechtsgelehrten
Nicolas Rem ond, dem er im Juli 1714 mitteilt, eine Erläute­
rungsschrift über die M onaden sei ihm »unter der H and im­
m er m ehr angewachsen«.29 Im zeitlichen Anschluß an die
N iederschrift ficht Leibniz m it dem englischen Theologen
und Philosophen Samuel Clarke einen Streit über die Idea­
lität des Raumes bzw. des K ontinuum s aus.30 Die Thesen der
Monadologie sind der Stoff all dieser Diskussionen, und den­
noch ersetzt Leibniz in seinen Briefwechseln - wie schon
zuvor im Fall der Metaphysischen Abhandlung und der dar­
auf bezogenen Auseinandersetzung mit Arnauld - die nie­
dergeschriebenen Thesen durch neue Formulierungen. Leib­
niz selbst hat jedenfalls die Monadologie weder publiziert
noch sonstwie »verwendet«.
D er Titel ist hier Programm , und auch w enn er nicht vom
A utor stammt, so faßt er gut den Inhalt zusammen: Leibniz
bietet eine Lehre von den M onaden, w orunter er einfache
Substanzen versteht. D er griechische Begriff »monas« (für
»Einheit«) wird hier mobilisiert, um Einwänden zu begeg­
nen, die gegen Leibnizens Philosophie nach der Veröffentli­
chung des N euen Systems 1695 form uliert w orden waren,
etwa von dem in Am sterdam lebenden H ugenotten Pierre
Bayle in seinem 1695 und 1697 zweibändig in Folio erschie­
nenen Dictionnaire Historique et Critique.31 Leibniz hatte
sich durch Schriften und Briefe gegenüber Bayle und der ge­
lehrten Öffentlichkeit zu erklären versucht32, er kom m t aber
in der Monadologie nochmals darauf zurück (§§16, 59), als
29
30
31
32

PS V/2, S. 329.
Briefwechsel mit Clarke, in: HS, S. 81-182.
S. u. A nm erkung zu Monadologie 16.
Vgl. Theodizee, Vorrede, S.21-24.

ob er die Diskussion für noch nicht beendet glaubte, selbst
nachdem Bayle 1706 gestorben war.
Anders als die Metaphysische Abhandlung setzt die Mona­
dologie mit der Substanzenlehre ein und kommt erst in der
Mitte auf Gott zu sprechen (§§ 37-48), bevor ein umfangrei­
cher dritter Teil die Welt und die Geschöpfe behandelt. Die
Lehre von den Perzeptionen verbindet Leibniz hier un­
mittelbar mit einer Theorie der Welt und der darin möglichen
Kommunikation zwischen den Monaden. Auch die Lehre
von der Einheit zwischen Leib und Seele bzw. von der be­
sonderer Vorstellung der Körper durch ihre Seelen (§62) be­
handelt er weitgehend als Teil eines allgemeinen Spiegelungs­
verhältnisses zwischen Organismus und Universum. In der
Metaphysischen Abhandlung hieß es vorsichtig: »Überdies
ist jede Substanz gleichsam eine ganze Welt und wie ein Spie­
gel Gottes« (§9), hier heißt es nun definitiv: »Nun bewirkt
diese Verbindung oder diese Anpassung aller geschaffenen
Dinge untereinander und eines jeden mit allen anderen, daß
jede einfache Substanz Bezüge hat, welche alle anderen ausdrücken, und daß sie also ein lebendiger, immerwährender
Spiegel des Universums ist.« (§56) Solche Sätze markieren
die Metaphysik der Leibnizschen Philosophie gegenüber den
zeitgenössischen Autoren in unerhört bilderreicher Sprache,
die bis heute Gegenstand der Auslegung ist. Wendungen wie
»ausdrücken« oder »spiegeln«, die sich bei anderen Autoren
kaum finden31, lassen Leibniz als einen Autor erscheinen, der
selbstbewußt die Sprachen der Wissenschaften, der Theolo­
gie und der Dichtung hinter sich läßt und der Philosophie
einen neuen metaphorischen Ausdrucksbereich eröffnet.
D ie Begrifflichkeit des 17.Jahrhunderts, die Problemstel­
lungen der Zeitgenossen finden sich freilich auch bei Leibniz.
N icht der ganze Leibniz ist metaphysisch: Von Descartes
oder Malebranche, selbst von Spinoza her lassen sich Begrif­
33
Vgl. aber G.D eleuze, Spinoza und das Problem des Ausdrucks in
der Philosophie [Spinoza et le problème de l’expression dans la philoso­
phie, 1969], München: Fink 1993.

fe wie etwa Seele, Vernunft, Empfindung, Gedächtnis, Den­
ken, Leiden, Tun sehr gut auch bei Leibniz problematisieren,
denn sie gehören zum Kontext der damals vorrangig betrie­
benen wissenschaftlichen Forschung in Psychologie und
Physik. Die Monadologie aber weist ihre Leser auf die Vor­
aussetzungen solcher Forschung hin, auf die universale D y ­
namik der Bezüge zwischen allem, was es gibt, auf die vor­
auszusetzende Übereinstimmung zwischen mechanistischer
und finalistischer Weltbetrachtung, auf den moralischen Wert
der Existenz. So ragt das Metaphysische aus der Sprache der
Wissenschaft gleichsam heraus und gründet sie zugleich.
Leibniz schrieb 1712 an Bartholomäus des Bosses, daß »et­
was Metaphysisches nicht über die Phänomene erklärt wer­
den kann«.34 Wo aber die Grenze verläuft zwischen dem, was
als Erscheinung zum materiellen Zusammenhang der Welt
gehört, und dem, was darüber hinaus als »vernünftige und
brauchbare« Hypothese metaphysisch unterstellt werden
muß35, das ist genau die Frage, welche die Monadologie wie
ein roter Faden durchzieht. Diese Schrift führt mit außerge­
wöhnlicher Kürze die im Wissenschaftsbetrieb getrennt ver­
folgten Fragen nach dem Funktionieren der Welt und nach
der Möglichkeit einer Erkenntnis derselben zusammen in die
Frage nach dem, was ist und warum es so ist, wie es ist.

c) A uf Vernunft gegründete Prinzipien der Natur
und der Gnade
Einige Kommentatoren haben diese Schrift als eine Art zw ei­
ter Ausführung der Monadologie verstehen wollen, weil sie
zeitgleich enstand und weil eine sachliche Nähe unüberseh­

34 Brief an des Bosses vom 8.9.1709, in: PS V/2, S.265.
35 Vgl. 5.Schreiben an Clarke [1716], N r.29, w o Leibniz den Vor­
schlag einer Unterscheidung zwischen endlichem Universum und un­
endlichem Raum als »unvernünftig und unbrauchbar« zurückweis, in:
HS, S. 128.

bar ist, die bis hin zu wörtlichen Übereinstimmungen reicht.
In der Tat unterscheidet die Prinzipien-Schiik von der Mo­
nadologie vor allem, daß sie einen konkreten Adressaten hat,
den Prinzen Eugen von Savoyen, den Leibniz seit 1708 kann­
te und für den er den Text verfaßte, als beide sich 1714 in
Wien aufhielten. Es handelt sich also um einen Text, der an
einen philosophischen Laien gerichtet ist. Er hat, obwohl
1718 und damit zwei Jahre vor der Monadologie gedruckt,
dieser nie wirklich den Rang als metaphysischem Hauptwerk
ablaufen können. Das liegt vielleicht an den relativ allgemein
gehaltenen Überlegungen, die das scharfe gelehrte Argument
und die provokative Positionierung vermeiden.36
Leibniz hatte das Bedürfnis, sein »System« besser darzu­
stellen, als das die 1710 veröffentlichte Theodizee vermochte.
An Remond schrieb er im Juli 1714, daß er seine verschiede­
nen kleineren Veröffentlichungen in Zeitschriften, Texte ge­
gen Bayle und andere, gerne zusammenfügen wollte, weil
dann nicht mehr viel daran fehlen würde, das »Gesamtge­
bäude meines Systems zu liefern - zumindest was die Prinzi­
pien anbetrifft«.37 Es war dann das über Remond vermittelte
Interesse des Prinzen Eugen, das Leibniz zur Zusammenstel­
lung einer Liste eigener philosophischer Texte veranlaßte38,
zu der er einen neuen Text beisteuerte, eben die Prinzipien
der N atur und der Gnade. Mit diesem Adressaten vor Augen
fällt es Leibniz offenbar leichter, sich offener als in der Mo­
nadologie über sein eigenes Philosophieren auszusprechen,
so wenn er schreibt: »Jetzt gilt es, sich zur Metaphysik zu
36
Vgl. Clara Strack, Ursprung und sachliches Verhältnis von Leihnizens sogenannter Monadologie und den Principes de la N ature et de la
Grâce, Berlin: Reimer 1917.
>7 H S, S. 627.
38 A ußer der P rinzipien-Schrih (1.) gehören zu dieser Liste: 2. Sys­
tème nouveau de la nature et de la communication des substances, aussi
bien que de l’union qui’il y a entre l’âme et le corps, 3. Eclaircissements
du système nouveau de la comm unication des substances, 4. Eclaircisse­
m ents de l’harm onie préétablie entre l’âme et le corps, 5. O bjections de
M onsier Bayle avec les réponses; vgl. PSI, S.410.

erheben, gestützt auf das gemeiniglich wenig benutzte große
Prinzip, welches besagt, daß nichts ohne zureichenden
Grund geschieht, d. h. daß nichts geschieht, ohne daß es dem­
jenigen, der die Dinge genügend kennt, möglich wäre, einen
Grund anzugeben, der zur Bestimmung genügt, warum es so
und nicht anders ist. Dieses Prinzip gesetzt, ist die erste zu­
lässige Frage, warum es vielmehr etwas als nichts gibt. Denn
das Nichts ist einfacher und weniger schwierig als Etwas.
Weiter vorausgesetzt, daß die Dinge existieren müssen, muß
man einen Grund angeben, warum sie so und nicht anders
existieren müssen.« (§7)
Metaphysik bedeutet nicht, sich über die Welt zu erheben,
sondern sie bedeutet, etwas jenseits der Reihe der zufälligen
Dinge ins Auge zu fassen, was dem Begriff der Vollkommen­
heit genügt. Leibniz findet in der Prinzipien-Schnh einpräg­
same Worte dafür, daß der Wille Gottes der Ordnung der Welt
entspricht (etwa den Bewegungsgesetzen), und dafür, daß das
Geistige als Ebenbild Gottes ebenso den Vorgeschmack der
Glückseligkeit gewährt wie sinnliche Freude (etwa über die
Schönheit der Musik), auch wenn sich daran wenig erklären
läßt und jedenfalls keine deutliche Erkenntnis vorliegt. Die
Prinzipien-Schrih wirbt für die Metaphysik wie wenige Texte
der Philosophiegeschichte. Der genaue Leser wird sie immer
mit den definitorischen Propositionen der Monadologie ver­
gleichen, aber er wird auch aner kennen müssen, daß die Meta­
physik, wie sie Leibniz in der Prinzipien-Schnh formuliert,
Trost und Beruhigung vermittelt - »eine wahrhafte Ruhe des
Geistes, nicht wie bei den Stoikern, die sich mit Gewalt zur
Geduld entschließen, sondern eine gegenwärtige Zufrieden­
heit, die uns sogar künftigen Glücks versichert.« (§18)

3. Zur Überlieferungsgeschichte
Keiner der drei von Leibniz auf Französisch verfaßten meta- ■
physischen Hauptschriften ist zu Leibniz’ Lebzeiten erschie­
nen. Die Geschichte ihrer nachfolgenden Veröffentlichung

hat die Reihenfolge ihrer Entstehung auf den Kopf gestellt.
Der späte Text A u f Vernunft gegründete Prinzipien der N a­
tur und der Gnade erschien als erster 1718 als Zeitschriften­
beitrag und war dann bereits im 18.Jahrhundert Bestandteil
der sechsbändigen Werkausgabe von Dutens (Opera Omnia,
hg. von Louis Dutens, 6 Bände, Genf 1767, Nachdruck H il­
desheim: Olms 1989). Die Monadologie erschien 1720 zu­
nächst in deutscher Übersetzung und erhielt damit ihren
Namen, in lateinischer Übersetzung wurde sie ab 1721 mehr­
mals gedruckt; den französischen Originaltext nahm erst
Erdmann 1840 in seine Werkausgabe auf {Operaphilosopbica
quae extant latine, gallica germanica omnia, hg. von Johann
Eduard Erdmann, Berlin: Eichler 1840, Nachdruck Aalen:
Scientia 1959). Die Publikation der Metaphysischen A b ­
handlung ist Teil der im 19. Jahrhundert einsetzenden Leibniz-Philologie: der früheste metaphysische Text wird am
spätesten, nämlich 1846 erstmals gedruckt. Die Überliefe­
rungsgeschichte im Überblick:

a) Metaphysische Abhandlung
Geschrieben 1685-1686, überliefert in vier Handschriften:
ein eigenhändig von Leibniz geschriebenes und häufig korri­
giertes Konzept, zwei Teilabschriften von Sekretären mit
Korrekturen Leibniz’ und eine vollständige Reinschrift, bei
der die ersten beiden Abschnitte von Leibniz, die folgenden
von einem Sekretär geschrieben sind. Unser französischer
Text folgt der Edition in der Akademie-Ausgabe von 1999,
die das Konzept bringt, wobei die an den Rand geschrie­
benen Zusammenfassungen, die Leibniz mit Paragraphen­
zählung an Arnauld schickte, als Überschriften fungieren.
Abweichungen von der bislang sich auf Gerhardt stützen­
den Druckfassung der Reinschrift sind in Fußnoten ver­
merkt.
Erstveröffentlichung: Briefwechsel zwischen Leibniz, A r­
nauld und dem Landgrafen E m st von Hessen-Rheinfels,

hg. v. C. L. Grotefend, H annover 1846, S. 152-192. Weitere
Veröffentlichungen: G erhardt IV, S. 427—463; hg. v. H enri
Lestienne, Paris 1907, 2. Aufl. 1929, 3. Aufl. 1975; hg. v. G e­
orges Le Roy, Paris 1957 (zusam men m it der A rnauld-K orrespondenz und ausführlichem Kom m entar), 4. Aufl. 1984;
Akad.-Ausgabe, Reihe VI, Band IV (1677-Juni 1690), Berlin
1999, S. 1529-1588.
Ü bersetzungen ins Deutsche: von A rtur Buchenau (1906),
in: HS, S.343—388; von G erhard Krüger (Leibniz, Die
H auptw erke, Leipzig 1934, 3. Aufl. 1949, S. 25-74); von Wolf
von Engelhardt, in: Engelhardt, S. 339-396; von H erbert
H erring, H am burg: M einer 1958 (Philosophische Bibliothek
260), 2. Aufl. 1985 (bei der hier vorgelegten Ü bersetzung
durchgängig berücksichtigt); von H ans H einz H olz, in: PSI,
S.56-172; von U rsula G oldenbaum 1992 als A bhandlung
über M etaphysik, in: Goldenbaum , S. 168-226.

b) M onadologie
Geschrieben 1714; der Titel ist seit der deutschen Ü berset­
zung von K öhler (1720) geläufig. Es gibt vier Handschriften:
einen eigenhändigen E ntw urf von Leibniz und zwei von ihm
autorisierte A bschriften in Hannover, dazu noch eine A b ­
schrift in Wien m it dem Titel Les principes de la philosophie,
par Monsieur Leibniz. U nser französischer Text folgt der
einen in der Niedersächsischen Landesbibliothek H annover
aufbewahrten A bschrift (16 Blatt in quarto, L H IV, I, lb), die
zuvor bereits Grundlage der Ausgabe in der Philosophischen
Bibliothek war. Die Transkription ist gegenüber der Ausgabe
von A. R obinet (1954) durchgängig verbessert. In eckigen
Klammern w erden am Ende jedes Absatzes die von Leibniz
in der anderen H annoveraner A bschrift (10 Blatt in folio)
nachgetragenen Verweise auf Stellen in der Theodizee hinzu­
gefügt.
Erstveröffentlichung: Erdm ann (s.o. S.XXXIV), S. 705712. Veröffentlichungen in lateinischer Ü bersetzung als Prin-

dpia philosophiae in: Acta Eruditorum, Supplementband VII,
Leipzig 1721, S. 500-514 und in: Dutens (s. o. S. XXXIV),
Bd. II, S.20-31. Weitere Veröffentlichungen des französi­
schen Originals in: Gerhardt VI, S. 607-623; durch Emile Boutroux, Paris 1881; als Leibniz sogenannte Monadologie und
Principes de la nature et de la grâce fondés en raison, von Clara
Strack, Berlin: Reimer 1917; als Principes de la philosophie oh
M onadologie durch André Robinet, Paris: Presses Universi­
taires de France 1954, S. 67-127.
Übersetzungen ins Deutsche: von Heinrich Köhler als
Lehrsätze über die Monadologie, Frankfurt und Leipzig:
Johann Meyer 1720, S. 1-42 (Nachdruck hg. v. Dietmar Till,
Frankfurt am Main: Insel 1996); in Überarbeitung dieser
Übersetzung neu hg. als Lehrsätze von den Monaden und von
der schönen Übereinstimmung zwischen dem Reiche der
N atur und dem Reiche der Gnade von Caspar Jacob Huth
in: Des Freiherrn von Leibniz kleinere philosophische Schrif­
ten, Jena: Mayer 1740; als Monadologie von Gustav Schilling
in seiner Sammlung Leibniz als Denker. Auswahl seiner klei­
neren Aufsätze zur übersichtlichen Darstellung seiner Phi­
losophie, Leipzig: Fritzsche 1846, S. 113-131; von Julius
Hermann von Kirchmann in: Leibniz, D ie kleineren phi­
losophisch wichtigen Schriften, Leipzig: Heimann’s 1879
(Philosophische Bibliothek 81); von Robert Habs in: Leibniz,
Kleinere philosophische Schriften, Leipzig: Reclam 1883,
S. 150-173 (Universal-Bibliothek 1898—1900); von A.Buchenau 1906 in: HS, S.603-621, neu hg. von H .Herring als Ver­
nunftprinzipien der Natur und Gnade. Monadologie, Ham­
burg: Meiner 1956 (Philosophische Bibliothek 253), S. 26-69;
von Walther Janell in: Leibniz, Kleinere philosophische Schrif­
ten Bd. 1, Frankfurt am Main 1925; von G. Krüger (s. M eta­
physische Abhandlung), S. 130—150; von Hermann Glöckner,
Stuttgart: Reclam 1954 (Universal-Bibliothek 7853), 2. Auf­
lage 1979; von Joachim Christian H om als Lehrsätze der
philosophie: letzte Wahrheiten über Gott, die Welt, die Natur
der Seele, den Menschen und die Dinge, Frankfurt am Main
1962, neu hg. Regensburg 1985; 2. Aufl. Würzburg: Königs­

hausen & Neumann 1997; von H . H . H olz als D ie Prinzipien
der Philosophie oder die Monadologie in: PSI, S. 439-483; als
Monadologie von Hartmut Hecht, Stuttgart: Reclam 1998
(Universal-Bibliothek 7853).

c) Auf Vernunft gegründete Prinzipien der Natur
und der Gnade
Geschrieben 1714, überliefert in fünf Handschriften (drei in
Hannover, je eine in Wien und Paris). Der französische Text
folgt der in der Niedersächsischen Landesbibliothek Hanno­
ver aufbewahrten Abschrift (6 Blatt in folio, LH IV, I, 3), die
zuvor bereits Grundlage der Ausgabe in der Philosophischen
Bibliothek war. Die Transkription ist gegenüber der Ausgabe
von A. Robinet (1954) durchgängig verbessert.
Erstveröffentlichung in L'Europe Savante 6,1, Den Haag
1718, S. 100-123. Weitere Veröffentlichungen: Dutens (s. o.
S. XXXIV), Bd. II, S. 32-39; Erdmann (s. o. S. XXXIV),
S. 714-718; Gerhardt VI, S. 598-606; C. Strack 1917 (s. M o­
nadologie)-, als Principes de la nature et de la grâce fondés en
raison bei Robinet 1954 (s. unter Monadologie), S. 27-65.
Übersetzungen ins Deutsche: als Prinzipien der N atur und
der Gnade, a u f Vernunft gegründet von G. Schilling (s. M o­
nadologie), S. 132-142; als D ie in der Vernunft begründeten
Principien der N atur und der Gnade von R.Habs 1883
(s. Monadologie), S. 137-150; als D ie Vernunftprinzipien der
N atur und der Gnade von A. Buchenau in: HS, S. 592-602, als
Einzelausgabe neu hg. von H . Herring 1956 {s. Monadologie),
S.2—25; von H . H . H olz als In der Vernunft begründete Prin­
zipien der N atur und der Gnade, in: PS I, S. 415-439.

4. Zur Übersetzung
Leibniz ist ein strenger Denker, der jedoch nicht immer einen
eingefahrenen Gebrauch von Wörtern und Begriffen hat. Bei­

des - die Strenge im Denken und die Freiheit im Ausdruck muß eine Übersetzung abbilden, wenn sie größtmögliche
Ausdrucksäquivalenz anstrebt. Auch in einer zweisprachigen
Ausgabe ist es wichtig, dem Leser einen kurzen Weg vom
deutschen zum französischen Ausdruck zu weisen. Nur in
dieser Absicht wurde hier eine Neuübersetzung vorgelegt.
Drei Probleme stellen sich dem Leibniz-Übersetzer: Das
erste sind verschiedene Ausdrücke mit derselben Bedeutung.
Unproblematisch scheint die Übersetzung in Fällen wie
»enthalten« (contenir, comprendre), »einschließen« (enfer­
mer, renfermer), »Übereinstimmung« (convenance, confor­
mité), »unterscheiden« (différer, distinguer, discerner, faire
distinction). Hier legen die Kontexte nirgends Bedeutungs­
verschiedenheit nahe. In diesen und anderen offensichtlichen
Fällen, wo Leibniz verschiedene Ausdrücke wählt, um den­
selben Sachverhalt zu bezeichnen, und wo im Deutschen kei­
ne zusätzlichen Ausdrücke zur Verfügung stehen, ist es wohl
erlaubt und auch gängige Praxis, die deutsche Übersetzung in
ihrer Komplexität gewissermaßen zu reduzieren.
Man beachte aber, daß diese Stellen äußerst selten und auf
die hier angegebenen französischen Ausdrücke begrenzt
sind. Es müssen »enthalten« und »einschließen« nämlich
wiederum von »einhüllen« (envelopper) und »sein in« (être
en, être dedans) unterschieden werden, ebenso wie »Über­
einstimmung« von »Anpassung« (accomodation) und »Ent­
sprechung« (correspondance). Hier liegt der Fehler vieler
Übersetzungen, die solche Unterschiede auslöschen, häufig
aus Rücksicht auf den unmittelbaren Kontext. Daß Gott
etwas »gemacht« (fait) habe, ersetzte man oft rasch durch
»geschaffen« (créé), obwohl Leibniz sehr wohl beides be­
nutzt, und an der entsprechenden Stelle vielleicht bewußt
nicht die religiöse Wendung, sondern die physikalisch-hand­
lungstheoretische Redeweise sucht. Im Deutschen läßt sich
der Unterschied überdies sehr gut abbilden. Wenn Leibniz
davon spricht, etwas sei »gewiß« (certain), etwa ein Ereignis
in der Zukunft (weil es Gott vorhersieht), oder »gesichert«
(assuré), etwa eine Annahme (weil es sich seit je so verhielt),

finden viele Übersetzer den Unterschied vernachlässigenswert. Dabei taucht »gewiß« eher im Zusammenhang mit
apriorischen Überlegungen, »gesichert« eher bei empirischen
Sachverhalten auf. Wo das Deutsche ohne Mühe eine treue
Wiedergabe erlaubt, kann der Text seinen ursprünglichen
Ausdrucksreichtum behalten.
Die genaue Entsprechung ist bei der Übersetzung philoso­
phischer Texte überdies wichtig, w o zentrale Begriffe im Spiel
sind. So spricht man zwar im Deutschen öfter von »Wesen«
(essence) auch dann, wenn im Französischen von »natures«
oder »êtres« die Rede ist, als von »Dingen, die es gibt«. Wenn
aber der Ausdruck »essence« im philosophischen Gedanken­
gang eine Rolle spielt, sollte man an diesen Stellen lieber von
»Naturen« und »Seienden« sprechen. Ein anderes Beispiel:
»Weise« (manière, façon) ist ein von Leibniz so oft und sach­
lich gebrauchtes Wort (Gott handelt auf bestimmte Weise, der
Geist drückt etwas auf bestimmte Weise aus etc.), daß man
zögert, Wendungen wie »auf natürliche Weise« (naturelle­
ment) zu gebrauchen, wenn eben auch das Adverb »natür­
lich« möglich ist. Schließlich ist für einen Text, der geistige
Tätigkeiten und Vorgänge behandelt wie »Betrachtung« (con­
sidération), »Überlegung« (raisonnement), »Einschätzung«
(sentiment), »Einsicht« (méditation), »Reflexion« (réflexion),
»Schau« (contemplation), auch deswegen eine genaue Unter­
scheidung wichtig, weil diese Begriffe gelegentlich selbstbe­
züglich gebraucht werden, etwa wenn Leibniz von seinen ei­
genen Überlegungen und Betrachtungen spricht. Es bedeutet
einen Verlust an Philosophie, wenn man die begriffliche Aus­
drucksbreite durch Übersetzung beschneidet.39
Das zweite Problem der Leibniz-Übersetzung ist der um­
gekehrte Fall, w o ein französischer Ausdruck unvermeidlich
durch zwei oder mehr deutsche Ausdrücke wiedergegeben
35
Vgl. Antonio Lamarra, Roberto Palaia, Pietro Pimpinella, Le pri­
m e traduzioni della Monadologie d i L eibniz (1720-1721). Introduzione
storico-critica, sinossi dei testi, concordanze contrastive, Florenz: Olschki 2001.

werden muß, wie bei »puissance« (Vermögen, Macht, Po­
tenz, Möglichkeit), »pouvoir« (Macht, Können) oder »rai­
son« (Vernunft, Grund), also bei zentralen Begriffen der
Leibnizschen Philosophie. »Puissance« und »pouvoir« spie­
len in anderen Werken eine größere Rolle.40 Bei den meta­
physischen Schriften bleibt der deutsche Leser vor allem mit
dem Doppelverweis von »Vernunft« und »Grund« auf »rai­
son« konfrontiert. Zwar gibt es Anhaltspunkte genug, daß
der Unterschied auch im Französischen deutlich ist: »Ver­
nunft« (la raison) steht nie im Plural, und Wendungen wie
»donner la raison« machen klar, daß vom Grund die Rede
ist (die Wendung »rendre la raison« bedeutet »Rechenschaft
geben« und damit etwas Drittes). Aber das Begriffsfeld ist
nur schlecht abbildbar: im Ausdruck »vernünftig« (raisonna­
ble) schwingt für das deutsche Ohr das »Gegründete« nicht
mit. Daß bei Leibniz die Vernunft so etwas wie ein oberster
Grund ist, zeigt sich nicht zuletzt im Titel der Abhandlung
A u f Vernunft gegründete Prinzipien der Natur und der Gna­
de, deren ebenfalls gebräuchlicher deutscher Titel »Vernunft­
prinzipien der Natur und der Gnade« ebendiesen Aspekt
unterschlägt und die Vernunft wie bei Kant als ein Vermögen
der Prinzipien anspricht. Der Einfluß Kants und seiner ar­
chitektonischen Metaphern ist es wohl auch, was zur gängi­
gen Übersetzung von »fondement« durch »Grundlage« ge­
führt hat, was hier in »Begründung« verändert wurde, um
den aktivischen und logischen Aspekten Rechnung zu tragen
und um das Verb »fonder« (gründen, begründen) an das Sub­
stantiv anzuschließen.
Das dritte Übersetzungsproblem ist das der metaphysi­
schen Sprache von Leibniz und ihres Kontextes im Denken
des 17. Jahrhunderts. Leibniz formuliert nicht immer genau,
seine Ausdrücke variieren, manchmal an entscheidenden
Stellen. So kennt er, wie gezeigt, eine Fülle von Verben, um
40
Vgl. U.J. Schneider, »Zur Geschichte und Kritik philosophischer
Übersetzungen«, in: Das Problem der Übersetzung, hg. v. G. Abel, Ber­
lin: Spitz 1999, S. 127-149.

Einschlußverhältnisse zu bezeichen - soll man daraus auf
Vorläufigkeit schließen und in der Übersetzung angleichen?
Das haben fast alle Übersetzer getan und haben sich so etwa
von dem Problem befreit, »envelopper« wörtlich als »einhül­
len« oder »einwickeln« zu übersetzen: Wort und Bild sind in
den deutschen Leibnizausgaben verschwunden. Damit fehlt
der Bezug zum »entwickeln« (développer), es fehlt aber vor
allem eine Nuance des Einschließens, die Leibniz statt der
möglichen anderen wählte und die zum Reichtum seiner
Sprache beiträgt, der ein Reichtum an Bezügen ist. Denn
diese Metaphysik der Vielfalt und des unendlich Kleinen
spricht nicht mit künstlich reduziertem Ausdruck, sondern
malt und skizziert, deutet an und zitiert: Sie setzt sich nicht
als definitives Sprechen an die Stelle mehrerer anderer. Daß
etwas zu etwas anderem einen Bezug (rapport) oder ein Ver­
hältnis (relation) hat, ihm entspricht (répond), sich ihm an­
paßt (s’acommode) oder mit ihm übereinstimmt (convient),
sind gelegentlich gleichbedeutende Ausdrücke, sie aber in der
Übersetzung zu identifizieren, beraubt die metaphysische
Sprache von Leibniz ihres Spiels. In vielen Briefen hat sich
Leibniz immer bereit gezeigt, sprachliche Ausdrücke zu er­
örtern, niemals wollte er sie endgültig festlegen, wohl weil er
der Gefahr wehren wollte, den Gesprächspartner zu verlie­
ren.
Seine Metaphysik kommt nicht in technischer Reglemen­
tierung zur Sprache - sie ist insofern nicht mehr schola­
stisch-, sondern in der Rücksicht auf Sprachgebrauch, Tradi­
tion und Entdeckung.41 Selbst die durch ihn verbreiteten
Neologismen wie »Monade« oder »Theodizee« hat er nur
ihrer Nützlichkeit und Deutlichkeit wegen bevorzugt, alles
andere gehört seiner Sprache nicht mehr an als der seiner Zeit.
41
Z ur Sprachphilosophie von Leibniz vgl, w eiterführend H ans
Poser, Zeichentheorie und natürliche Sprache bei Leibniz, in: Schrift,
Medien, Kognition. Über die Exteriorität des Geistes, hg. v. Peter Koch
und Sybille Krämer, Tübingen 1997 (Probleme der Semiotik Bd. 19),
S. 127-147.

Allerdings ist er ein Meister der Konzentration, schiebt mo­
ralische und physikalische Probleme ineinander, verschränkt
naturwissenschaftliche und biblische Redeweise, montiert
mathematische Einsichten mit verwirrenden Bildern wie dem
vom Fischteich, in dem alles Fisch ist, oder wie dem von der
fensterlosen Monade. In einem Brief erklärt Leibniz, er habe
sich in einigen Texten »ziemlich auf die Sprache der Schule
eingestellt«, also auf studierte Scholastiker, in anderen wiede­
rum habe er den Stil der Cartesianer angenommen. D ie Prin­
zipien-Schrift allerdings habe er für diejenigen geschrieben,
»die sich noch nicht zu sehr auf den Stil der einen oder der
anderen eingestellt haben«.42 Die Unabhängigkeit seiner
philosophischen Sprache von den herrschenden Schulen war
Leibniz wichtig. Vor allem ging es ihm um Eingängigkeit:
Seine Metaphysik sollte im wörtlichen Sinne ansprechend
sein. So notierte er in §15 der Metaphysischen Abhandlung,
er wolle »die Sprache der Metaphysik mit der Praxis in Ein­
klang« bringen. Und das ist selten in der Philosophie: Die
wichtigsten Begriffe verschränken sich mit den stärksten Bil­
dern.

42 Brief an Remond vom 26.8.1714, in: HS, S. 633.

L IT E R A T U R H IN W E IS E

a) A b g ekü rzt zitierte Literatur
Werke von G ottfried Wilhelm Leibniz:
H abs

G erhardt

C outurat

HS

Akad.-Ausgabe

Engelhardt

Kleinere philosophische Schriften, mit
Einleitung und Erläuterungen deutsch
von R obert Habs, Leipzig: Reclam
1883, zuletzt aufgelegt 1944 (Universal-Bibliothek 1898-1900)
Philosophische Schriften, hg. v. Carl
Immanuel G erhardt, 7 Bände, Berlin:
Weidmann 1875-1890, N achdruck
Hildesheim: Olm s 1978
Opuscules et fragm ents inédits, hg. v.
Louis C outurat, Paris: P U F 1903,
N achdruck Hildesheim: Olm s 1961
Hauptschriften zu r Grundlegung der
Philosophie, übersetzt von A rtur Bu­
chenau, hg. v. E rnst Cassirer, 2 Bände
[mit durchgängiger Paginierung],
Ham burg: M einer 1997 (Philosophi­
sche Bibliothek 496, 497) Veränderte
Neuausgabe von Philosophische Bi­
bliothek 107 (1904)und 108 (1906)
Sämtliche Schriften und Briefe, hg. von
der Berlin-Brandenburgischen A kade­
mie der Wissenschaften (zuerst P reu­
ßische Akademie, später Akademie der
D D R ) und der G öttinger Akademie
der Wissenschaften, 1923ff. [Reihe VI:
Philosophische Schriften]
Schöpferische Vernunft. Schriften aus
den Jahren 1668-1686, zusammenge-

Grua

PS

Goldenbaum

Neues System

Neue Abh.

Theodizee

Leibniz-Am auld

stellt, übersetzt und erläutert von Wolf
von Engelhardt, Marburg 1951,2 Aufl.
Münster/Köln: Böhlau 1955
Textes inédits, hg. v. Gaston Grua,
2 Bände, Paris: PUF 1948, Nachdruck
N ew York/London: Garland 1985
Philosophische Schriften, fünf in sieben
Bänden, Frankfurt am Main: Insel
1959-1992, Bd.I: Kleine Schriften zur
Metaphysik, hg. und übersetzt von
Hans-Heinz Holz, 1965, 2. Auflage
1985; Bd. V, 2. Hälfte [V/2]: Briefe von
besonderem philosophischen Interesse.
Die Briefe der zweiten Schaffensperio­
de, 1989
Philosophische Schriften und Briefe
1683-1687, hg. v. Ursula Golden­
baum, Berlin: Akademie 1992
Neues System der N atur und der Ge­
meinschaft der Substanzen, w ie der
Vereinigung zwischen Körper und
Seele [1695], in: HS, S. 447-458
Neue Abhandlungen über den men­
schlichen Verstand [1704], übersetzt
von Ernst Cassirer [1915], Hamburg:
Meiner 1996 (Philosophische Biblio­
thek 498)
Versuche in der Theodicée über die
Güte Gottes, die Freiheit des Men­
schen und den Ursprung des Übels
[1710], übersetzt von A. Buchenau
[1925], Hamburg: Meiner 1996 (Philo­
sophische Bibliothek 499)
G. W. Leibniz, D er Briefwechsel m it
Antoine Arnauld französisch-deutsch,
hg. und übers, v. Reinhard Finster,
Hamburg: Meiner 1997

Werke anderer Autoren:
Meditationen

Arnauld, Logik

Malebranche,
Abhandlung

René Descartes, Meditationen über
die Grundlagen der Philosophie mit
den sämtlichen Einwänden und Er­
widerungen, übersetzt von Artur
Buchenau, Hamburg: Meiner 1915
(Philosophische Bibliothek 27), Nach­
druck 1994
Antoine Arnauld, Die Logik oder die
Kunst des Denkens [La logique ou
PArt de penser, sechste vermehrte
Ausgabe Amsterdam 1685], Darm­
stadt: Wissenschaftliche Buchgesell­
schaft 1972
Nicolas Malebranche, Abhandlung
von der N atur und der Gnade [1680],
nach der 2. Ausg. 1712 übers, von Ste­
fan Ehrenberg, Hamburg: Meiner
1993 (Philosophische Bibliothek 449)

b) Weitere Literaturhinweise
Die Literatur zu Leibniz ist in der zuletzt 1984 erschienenen
Leibniz-Bibliographie, hg. v. Albert Heinekamp, bis ins Jahr
1980 verzeichnet, sie wird seitdem von der Zeitschrift Studia
Leibnitiana (hg. von George Henry Radcliff Parkinson,
Heinrich Schepers und Wilhelm Totok) am Ende jedes Jahr­
gangs fortgesetzt. Die folgenden Hinweise berücksichtigen
nur Bücher und verstehen sich als Empfehlungen.

Biographisches
Aiton, Eric J., Gottfried Wilhelm Leibniz. Eine Biographie
[Leibniz. A Biography, 1985], Frankfurt/Main: Insel 1991

Finster, Reinhard, und Gerd van den Heuvel, Gottfried Wil­
helm Leibniz, Reinbek: Rowohlt 1990 (Rowohlts Mono­
graphien 481)
Hirsch, Eike Christian, Der berühmte H err Leibniz. Eine
Biographie, München: Beck 2000
Huber, Kurt, Leibniz, München: Oldenbourg 1951
Sandvoss, Ernst, Gottfried Wilhelm Leibniz. Jurist - Natur­
wissenschaftler - Politiker - Philosoph - Historiker -T h e o ­
loge, Göttingen: Musterschmidt 1976 (Persönlichkeit und
Geschichte 89/90)
Gesamtdarstellungen
Adams, Robert Merrihew, Leibniz. Determinist, Theist, Idea­
list, N ew York und Oxford 1994
Beiaval, Yvon, Leibniz. Initiation a sa philosophie, Paris: Vrin
1962
Deleuze, Gilles, Die Falte. Leibniz und der Barock [Le pli.
Leibniz et le baroque, Paris 1988], übers, v. Ulrich Johan­
nes Schneider, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995
Holzhey, Helmut u.a., Gottfried Wilhelm Leibniz, in: ders.
(Hg.), Die Philosophie des 17. Jahrhunderts: Bd. 4: Das
Heilige Römische Reich Deutscher Nation. O st- und
Mitteleuropa, Basel: Schwabe 2001 (Grundriß der Ge­
schichte der Philosophie, begründet von Friedrich Über­
weg, völlig neubearbeitete Ausgabe), S. 995-1159
Cassirer, Ernst, Leibniz’ System in seinen wissenschaftlichen
Grundlagen, Marburg: Eiwert 1902, Nachdruck Hildes­
heim: Olms 1962, jetzt als Bd. 1 von Ernst Cassirer, Ge­
sammelte Werke, hg. v. Birgit Recki, Hamburg: Meiner
1998
Gurwitsch, Aron, Leibniz. Philosophie des Panlogismus, Ber­
lin und N ew York: de Gruyter 1974
Jolley, Nicholas (Hg.), The Cambridge Companion to Leib­
niz, Cambridge University Press 1995
Leinkauf, Thomas, Leibniz, München: Diederichs 1996,
2. Aufl. dtv 2000

Mahnke, Dietrich, Leibnizens Synthese von Universalma­
thematik und Individualmetaphysik, Halle: Niemeyer
1925, N D Stuttgart-Bad Cannstatt: Fromann-Holzboog
1964
Poser, Hans, G. W. Leibniz, in: Klassiker der Philosophie, hg.
v. Ottfried Höffe, München: Beck 1981
Rescher, Nicholas, Leibniz: an introduction to hisphilosophy,
Totowa, N ew Jersey: Rowman and Littlefield, 1979;
2. Aufl. London 1986
Schmalenbach, Herman, Leibniz, München: Drei Masken
1921, N D Aalen: Scientia 1973
Totok, Wilhelm, Carl Haase (Hg.), Leibniz: Sein Leben -sein
Wirken - seine Welt, Hannover: Verlag für Literatur und
Zeitgeschehen 1966

Zur Metaphysik
Beiaval, Yvon, Leibniz critique de Descartes, Paris: Gallimard
1960
Busche, Hubertus, Leibniz’ Weg ins perspektivische Univer­
sum. Eine Harmonie im Zeitalter der Berechnung, Ham­
burg: Meiner 1997
Cramer, Wolfgang, D ie Monade. Das philosophische Problem
vom Ursprung, Stuttgart: Kohlhammer 1954
Cristin, Renato, Heidegger and Leibniz. Reason and the Path
[Heidegger e Leibniz. Il ragione e il sentiero, 1990], Dordrecht: Kluwer 1998
Friedmann, Georges, Leibniz et Spinoza, Paris: Gallimard
1962
Gueroult, Martial, Leibniz. Dynamique et Métaphysique
[1934], Paris: Aubier-Montaigne 1967
Heinekamp, Albert, Franz Schupp (Hg.), Leibniz' Logik und
Metaphysik, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesell­
schaft 1988 (Wege der Forschung 328)
Martin, Gottfried, Leibniz. Logik und Metaphysik, Köln:
Universitätsverlag 1960, 2. Aufl. Berlin: de Gruyter 1967

Mercer, Christia, Leihniz's Metaphysics. Its Origins and D e­
velopment, Cambridge University Press 2001
Robinet, André, Architectonique disjonctive, automates systémiques et idéalité transcendentale dans l ’œuvre de G. W.
Leibniz, Paris: Vrin 1986
Savile, Anthony, Leibniz and the Monadology, N ew York:
Routledge 2000 (Routledge Philosophy Guidebook)
Wilson, Catherine, Leihniz’s Metaphysics. A historical and
comparative Study, Manchester University Press und zugl.
Princeton University Press 1989
Woolhouse, Roger, Descartes, Leibniz, Spinoza. The Concept
o f Substance in Seventeenth Century Metaphysics, Lon­
don: Routledge 1993

G O T T F R IE D W IL H E L M L E IB N IZ

Discours de m étaphysique
La M onadologie
Principes de la nature et de la grâce fondés en raison

D e la perfection Divine, et que Dieu fait tout de la maniéré la
plus souhaitable.
1.
La notion de Dieu la plus significative que nous ayons,
est assez bien exprimée en ces termes, que Dieu est un estre 5
absolument parfait; mais on n'en considéré pas assez les sui­
tes. Et pour y entrer plus avant, il est à propos de remarquer
qu’il y a dans la nature plusieurs perfections toutes differen­
tes, que Dieu les possédé toutes ensemble, et que chacune luy
appartient au plus souverain degré. Il faut connoistre aussi ce 10
que c’est que perfection, dont voicy une marque assez seure,
sçavoir que les formes ou natures, qui ne sont pas suscepti­
bles du dernier degré n’en sont point, comme par exemple, la
nature du nombre ou de la figure. Car le nombre le plus grand
de tous (ou bien le nombre de tous les nombres) aussi bien 15
que la plus grande de toutes les figures, impliquent contra­
diction, mais la plus grande science, et la toute-puissance
n’enferment point d’impossibilité. Par conséquent la puis­
sance et la science sont des perfections, et entant qu’elles ap­
partiennent à Dieu, elles n’ont point de bornes. D ’où il s’en- 20
suit que Dieu possédant la sagesse supreme et infinie agit de
la maniéré la plus parfaite, non seulement au sens métaphy­
sique, mais encor moralement parlant, ce qu’on peut expri­
mer ainsi à nostre égard, que plus on sera éclairé et informé
des ouvrages de Dieu, plus on sera disposé à les trouver ex- 25
cellens et entièrement satisfaisans à tout ce qu’on auroit
mêmes pû souhaiter.
4
Dieu la] Dieu la plus receue et la [Hier und im folgenden werden die
Varianten der Reinschrift angegeben, die in der Ausgabe von C. I. Ger­
hardt Grundlage der Druckfassung war. ]
13 degré ... comme] degré qui ne sont pas des perfections, comme
26-27 entièrement... souhaiter] entièrement conformes à tous qu’on
auroit pû souhaiter

Von der göttlichen Vollkommenheit und davon, daß G ott
alles in der wünschenswertesten Weise macht
1.
Der bezeichnendste Begriff, den wir von Gott haben,
wird zwar in den Worten, daß Gott ein absolut vollkomme­
nes Sein ist1, recht gut ausgedrückt; doch beachtet man das,
was daraus folgt, nicht mit der nötigen Sorgfalt. U m hier tie­
fer einzudringen, ist es an der Zeit, darauf aufmerksam zu
werden, daß es in der Natur mehrere völlig verschiedene
Vollkommenheiten gibt, daß Gott sie allesamt besitzt und
daß ihm jede im allerhöchsten Grade zukommt. Überdies
muß man wissen, was Vollkommenheit ist; dafür gibt es ein
ziemlich sicheres Merkmal: Solche Formen oder Naturen, die
keines letzten Grades fähig sind - wie beispielsweise die
Natur der Zahl oder der Gestalt - sind keine Vollkommen­
heiten. Denn die größte aller Zahlen (oder die Zahl aller Zah­
len) impliziert, ebenso wie die größte aller Gestalten, einen
Widerspruch2; die größte Wissenschaft aber und die All­
macht schließen nichts Unmögliches ein. Folglich sind Macht
und Wissenschaft Vollkommenheiten und haben, sofern sie
Gott zukommen, keine Schranken. Daraus wiederum folgt,
daß Gott, der im Besitz der höchsten und unendlichen Weis­
heit ist, in der vollkommensten Weise handelt, nicht nur im
metaphysischen, sondern auch im moralischen Sinne, und
das kann man, auf uns bezogen, auch so ausdrücken, daß man
mit zunehmender Aufklärung und Information über die
Werke Gottes immer stärker disponiert sein wird, sie exzel­
lent und sogar mit allem Wünschbaren überhaupt völlig
übereinstimmend zu finden.

Contre ceux qui soutiennent qu ’il n ’y a point de bonté dans les
ouvrages de Dieu, ou bien que les réglés de la bonté et de la
beauté sont arbitraires.
2.
Ainsi je suis fort éloigné du sentiment de ceux qui sou­
tiennent qu’il n’y a point de réglés de bonté et de perfection 5
dans la nature des choses ou dans les idées que D ieu en a, et
que les ouvrages de Dieu ne sont bons que par cette raison
formelle que Dieu les a faits. Car si cela estoit, D ieu sçachant
qu’il en est l’auteur, n’avoit que faire de les regarder par après,
et de les trouver bons, comme le témoigne la Sainte Ecriture, 10
qui ne paroist s’estre servi de cette anthropologie que pour
nous faire connoistre, que leur excellence se connoist à les re­
garder en eux mêmes, lors mêmes qu’on ne fait point reflexion
sur cette dénomination exterieure toute nue, qui les rapporte
à leur cause. Ce qui est d’autant plus vray que c’est par la con- 15
sidération des ouvrages, qu’on peut découvrir l’ouvrier, il faut
donc que ces ouvrages portent en eux son caractere. J’avoue
que le sentiment contraire me paroist extrêmement dange­
reux, et fort approchant de celuy des derniers Novateurs, dont
l’opinion est, que la beauté de l’univers et la bonté que nous 20
attribuons aux ouvrages de Dieu ne sont que des chimeres
des hommes, qui conçoivent Dieu à leur maniéré. Aussi, dis­
ant que les choses ne sont bonnes par aucune regle de bonté
mais par la seule volonté de Dieu, on détruit, ce me semble,
sans y penser, tout l’amour de D ie u , et toute sa gloire. Car 25
pourquoy le louer de ce qu’il a fait, s’il seroit également
louable en faisant tout le contraire? Où sera donc sa justice et
sa sagesse; s’il ne reste qu’un certain pouvoir despotique,
si la volonté tient lieu de raison, et si selon la définition
des tyrans, ce qui plaist au plus puissant est juste par là 30
même? Outre qu’il semble que toute v o lo n té suppose ali­
quant rationem volendi ou que la raison est naturellement
13 point reflexion] point de reflexion
14 dénom ination ... nue] dénom ination toute nue
31-32 suppose ... raison] suppose quelque raison de vouloir et que
cette raison

Gegen diejenigen, welche behaupten, daß gar keine G üte in
den Werken Gottes ist oder daß die Regeln der Güte und der
Schönheit willkürlich sind
2.
So bin ich weit entfernt von der Meinung derer, die be­
haupten, es gebe in der Natur der Dinge oder in den Ideen,
die Gott von ihnen hat, keine Regeln der Güte und Vollkom­
menheit, und die Werke Gottes seien einzig aus dem forma­
len Grunde gut, weil Gott sie gemacht hat.3 Wäre das näm­
lich so, dann brauchte Gott, der doch weiß, daß er ihr Urheber
ist, sie nicht nachträglich zu betrachten und für gut zu erach­
ten, wie es die Heilige Schrift bezeugt4, die sich offenbar die­
ses Anthropomorphismus nur bedient hat, damit wir erken­
nen sollen, daß man ihre Exzellenz erkennt, wenn man sie an
sich selbst betrachtet, selbst wenn man keine Überlegung an­
stellt über ihre bloß äußerliche Bezeichnung, die sie auf ihre
Ursache bezieht. Das gilt um so mehr, weil man gerade durch
die Betrachtung der Werke deren Werkmeister entdecken
kann. Diese Werke müssen also an sich sein Merkmal tragen.
Ich gestehe, daß mir die entgegengesetzte Ansicht äußerst ge­
fährlich und derjenigen der letzten Neuerer sehr verwandt
scheint, die der Meinung sind, die Schönheit des Universums
und die Güte, die wir den Werken Gottes beilegen, seien nichts
als Hirngespinste der Menschen, die Gott auf ihre Weise be­
greifen.5 Wie mir scheint, zerstört man gedankenlos alle Liebe
zu Gott und seine ganze Ehre, wenn man sagt, die Dinge seien
durch keinerlei Regel der Güte gut, sondern allein durch Got­
tes Willen. Denn weshalb sollte man ihn für das, was er ge­
macht hat, loben, wenn er bei gegenteiligem Tun gleicherma­
ßen zu loben wäre? Wo wäre dann seine Gerechtigkeit und
Weisheit, wenn nichts bleibt als eine gewisse despotische
Macht, wenn der Wille an die Stelle der Vernunft tritt und
wenn - der Definition der Tyrannen gemäß6 - das, was dem
Mächtigsten gefällt, eben deshalb gerecht ist? Außerdem
scheint es, daß jeder Wille einen Grund zu wollen voraussetzt,
oder daß die Vernunft dem Willen naturgemäß vorhergeht.

prieure à la volonté. C ’est pourquoy je trouve encor cette ex­
pression de quelques philosophes tout à fait estrange, que les
vérités éternelles de la Métaphysique ou de la Geometrie (et
par conséquent aussi les réglés de la bonté, de la justice et de
la perfection) ne sont que des effects de la volonté de Dieu, au 5
lieu qu’il me semble, que ce sont des suites de son entende­
ment, qui asseurement ne depend point de sa volonté non plus
que son essence.
Contre ceux qui croyent que Dieu auroit pû mieux faire.
3.
Je ne sçaurois non plus approuver l’opinion de quelques 10
modernes, qui soutiennent hardiment que ce que Dieu fait
n’est pas dans la derniere perfection; et qu’il auroit pu agir
bien mieux. Car il me semble que les suites de ce sentiment
sont tout à fait contraires à la gloire de Dieu. Uti minus malum
habet rationem b o n i, ita minus bonum habet rationem mali- 15
Et c’est agir imparfaitement, que d’agir avec moins de perfec­
tion qu’on n’auroit pû. C’est trouver à redire à un ouvrage
d’un architecte que de monstrer qu’il le pouvoit faire meilleur.
Cela va encor contre la Sainte écriture, lors qu’elle nous asseure de la bonté des ouvrages de Dieu. Car comme les im- 20
perfections descendent à l’infini, de quelque façon que Dieu
auroit fait son ouvrage, il auroit tousjours esté bon en com­
paraison des moins parfaits, si cela estoit assez; mais une chose
n’est gueres louable, quand elle ne l’est que de cette maniéré.
Je croy aussi qu’on trouvera une infinité de passages de la D i- 25
vine écriture et des SS. Peres, qui favoriseront mon sentiment,
mais on n’en trouvera gueres pour celuy de ces modernes, qui
est à mon avis inconnu à toute l’antiquité, et ne se fonde que
sur le trop peu de connoissance que nous avons de l’harmo­
nie generale de l’univers, et des raisons cachées de la condui- 30

32-1 naturellement prieure] naturellement antérieure
2-3 quelques... que] quelques autres philosophes tout à fait estrange
qui disent que
3 Métaphysique ou de] Métaphysique et de
7 qui asseurement ne] qui ne

Deshalb finde ich auch die Aussage einiger Philosophen be­
fremdlich, daß die ewigen Wahrheiten der Metaphysik oder
der Geometrie (und folglich auch die Regeln der Güte, der
Gerechtigkeit und der Vollkommenheit) nichts als Wirkun­
gen des göttlichen Willens seien7; statt dessen scheint mir, daß
sie Folgen seines Verstandes sind, der sicherlich ebensowenig
wie sein Wesen von seinem Willen abhängt.
Gegen diejenigen, die glauben, G ott hätte es besser machen
können
3.
Ebensowenig kann ich der Meinung mancher Moder­
nen zustimmen, die kühn behaupten, daß das, was Gott ge­
macht hat, nicht von letzter Vollkommenheit sei und daß er
wohl besser hätte handeln können.8Mir scheinen nämlich die
Folgen dieser Einschätzung der Ehre Gottes völlig entgegen­
gesetzt. U ti minus m alum habet rationem boni, ita minus
bonum habet rationem maliP Weniger vollkommen zu han­
deln, als man eigentlich gekonnt hätte, heißt unvollkommen
handeln. Man tadelt das Werk eines Architekten, wenn man
zeigt, daß er es hätte besser machen können. Auch wider­
spricht das der Heiligen Schrift, wenn sie uns der Güte der
Werke Gottes versichert. Da nämlich die Unvollkommenhei­
ten bis ins Unendliche hinabreichen, so wäre Gottes Werk,
auf welche Weise er es auch gemacht hätte, immer gut gewe­
sen im Vergleich zu weniger vollkommenen - wenn das
genug wäre; aber etwas ist kaum lobenswert, wenn es nur auf
diese Art ist. Auch glaube ich, daß man in der Heiligen Schrift
und bei den Kirchenvätern unendlich viele Belegstellen fin­
den wird, die meiner Einschätzung den Vorzug geben; man
wird aber kaum Stellen für die jener Modernen finden, die
meines Erachtens dem ganzen Altertum unbekannt ist und
die nur auf unserer viel zu geringen Erkenntnis der allgemei­
nen Harmonie des Universums und der verborgenen Grün-

te de Dieu, ce qui nous fait juger temerairement que bien des
choses auroient pû estre rendues meilleures. Outre que ces
modernes insistent sur quelques subtilités peu solides. Car ils
s’imaginent que rien est si parfait, qu’il n’y aye quelque chose
de plus parfait, ce qui e st une erreur. Ils croyent aussi de pour- 5
voir par là à la liberté de Dieu, comme si ce n’estoit pas la plus
haute liberté d’agir en perfection suivant la souveraine raison.
Car de croire que Dieu agit en quelque chose sans avoir au­
cune raison de sa volonté, outre qu’il semble que cela ne se
peut point, c’est un sentiment peu conforme à sa gloire. Par 10
exemple supposons que Dieu choisisse entre A et B, et qu’il
prenne A , sans avoir aucune raison de le preferer à B, je dis
que cette action de Dieu pour le moins ne seroit point loua­
ble, car toute louange doit estre fondée en quelque raison, qui
ne se trouve point icy ex hypothesi. Au lieu que je tiens que 15
Dieu ne fait rien dont il ne mérité d’estre glorifié.
Que Vamour de Dieu demande une entiere satisfaction et acquiescence touchant ce q u ’il fa it sans q u ’il faille estre quietiste pour cela.
4.
La connoissance generale de cette grande vérité, que 20
Dieu agit tousjours de la maniéré la plus parfaite, et la plus
souhaittable qui soit possible est à mon avis le fondement de
l’amour que nous devons à Dieu sur toutes choses, puisque
celuy qui aime, cherche sa satisfaction dans la félicité ou per­
fection de l’objet aimé et de ses actions. Idem velle et idem 25
no lie vera amicitia est. Et je croy qu’il est difficile de bien
aimer Dieu, quand on n’est pas dans la disposition de vouloir
ce qu’il veut, quand on auroit le pouvoir de le changer. En
effect ceux qui ne sont pas satisfaits de ce qu’il fait me paroissent semblables à des sujets mecontens, dont l’intention 30
n’est pas fort differente de celle des rebelles. Je tiens donc que

de des Verhaltens Gottes gründet. Das ist es, was uns vermessentlich urteilen läßt, daß sehr viele Dinge hätten besser
besorgt werden können. Zudem stützen sich diese Modernen
auf gewisse kaum haltbare Spitzfindigkeiten; sie bilden sich
nämlich ein, nichts sei so vollkommen, daß es nicht noch
etwas Vollkommeneres gäbe.10 Das ist ein Irrtum. Auch
glauben sie, dadurch die Freiheit Gottes abzusichern11; als ob
nicht die höchste Freiheit darin bestünde, der souveränen
Vernunft gemäß in Vollkommenheit zu handeln. Denn zu
glauben, G ott handele in irgendeinem Falle, ohne irgendei­
nen Grund für seinen Willen zu haben, das ist, abgesehen
davon, daß es nicht sein kann, eine Einschätzung, die mit sei­
ner Ehre wenig übereinstimmt. Setzen wir beispielsweise,
Gott wähle zwischen A und B und nähme A , ohne irgendei­
nen Grund zu haben, es B vorzuziehen, so sage ich, daß diese
Handlung Gottes zumindest nicht lobenswert wäre; denn
alles Lob muß irgendeinen Grund haben, der hier ex hypothesi nicht zu finden ist. Ich hingegen halte dafür, daß Gott
nichts tut, wofür er nicht Ehre verdient.
Die Gottesliebe verlangt eine völlige Zufriedenheit und Be­
ruhigung bezüglich dessen, was er tut, ohne daß man darum
Quietist sein m u ß
4.
Die allgemeine Erkenntnis dieser großen Wahrheit, daß
Gott stets auf die vollkommenste und wünschenswerteste
Weise handelt, die überhaupt möglich ist, bildet meines Er­
achtens die Begründung der Liebe, die wir Gott mehr als
allen anderen Dingen schulden, da doch der Liebende seine
Zufriedenheit in der Glückseligkeit oder Vollkommenheit
des geliebten Gegenstandes und dessen Handlungen sucht.12
Idem veile et idem nolle vera amicitia e stP Und ich glaube,
daß es schwer ist, Gott recht zu lieben, wenn man nicht in der
Lage ist, das zu wollen, was er will, wenn man die Macht
hätte, dies zu ändern. In der Tat scheinen mir diejenigen, die
mit dem, was er gemacht hat, nicht zufrieden sind, unzufrie­
denen Untertanen zu gleichen, deren Absicht von denen der
Aufrührer nicht sehr verschieden ist. Will man also diesen

suivant ces principes pour agir conformément à l’amour de
Dieu, il ne suffit pas d’avoir patience par force, mais il faut
estre véritablement satisfait de tout ce qui nous est arrivé sui­
vant sa volonté. J’entends cet acquiescement quant au passé.
Car quant à l’avenir, il ne faut pas estre quietiste, ny attendre 5
ridiculement à bras croisés, ce que Dieu fera, selon ce so­
phisme que les anciens appelloient Àâyov âepyov, la raison
paresseuse, mais il faut agir selon la volonté presomtive de
Dieu, autant que nous en pouvons juger, tachant de tout nostre pouvoir de contribuer au bien general et particulièrement 10
à l’ornement et à la perfection de ce qui nous touche, ou de ce
qui nous est prochain et pour ainsi dire à portée. Car quand
l’evenement aura peutestre fait voir, que Dieu n’a pas voulu
présentement que nostre bonne volonté aye son effect, il ne
s’ensuit pas de là qu’il n’aye pas voulu que nous fissions ce 15
que nous avons fait. Au contraire, comme il est le meilleur de
tous les maistres, il ne demande jamais que la droite intention,
et c’est à luy de connoistre l’heure et le lieu propre à faire
réussir les bons desseins.
En quoy consistent les réglés de perfection de la divine con- 20
duite, et que la simplicité des voyes est en balance avec la
richesse des effects.
5.
Il suffit donc d’avoir cette confiance en Dieu, qu’il fait
tout pour le mieux, et que rien ne sçauroit nuire à ceux qui
l’aiment; mais de connoistre en particulier les raisons qui 25
l’ont pû mouvoir à choisir cet ordre de l’univers, à souffrir les
péchés, à dispenser ses grâces salutaires d’une certaine ma­
niéré, cela passe les forces d’un esprit fini, sur tout quand il
n’est pas encor parvenu à la jouissance de la veue de Dieu.
Cependant on peut faire quelques remarques generales tou- 30
chant la conduite de la providence dans le gouvernement des

Prinzipien folgend in Ü bereinstim m ung mit der Liebe zu
G o tt handeln, so genügt es meines Erachtens nicht, sich zur
Geduld zu zwingen, sondern m an m uß w ahrhaft mit allem
zufrieden sein, was uns nach seinem Willen widerfahren ist.
Ich denke mir diese Beruhigung im Blick auf die Vergangen­
heit; denn was die Z ukunft anbetrifft, so soll man weder
Q uietist sein14, noch, was lächerlich wäre, m it verschränkten
Arm en abwarten, was G o tt tun wird, nach dem Sophisma,
das die A lten Xoyov ä sp yo v, die faule Vernunft, nannten.15
W ir müssen vielmehr dem mutmaßlichen Willen Gottes
gemäß handeln, sofern w ir ihn beurteilen können, und mit
unserer ganzen M acht versuchen, zum allgemeinen Wohle
beizutragen und insbesondere zu r Zierde und zur Vollkom­
m enheit dessen, was uns berührt oder dessen, was uns nahe
ist und sozusagen in unserer Reichweite. Wenn nämlich das
Ereignis vielleicht sehen läßt, daß G o tt gegenwärtig nicht ge­
w ollt hat, daß unser guter Wille W irkung zeitigt, so folgt dar­
aus nicht, daß er nicht gewollt hätte, daß w ir taten, was w ir
getan haben. Im Gegenteil: da er der beste aller H erren ist, so
verlangt er immer n u r die gerade Absicht und es liegt bei ihm,
die rechte Stunde und den rechten O rt zu erkennen, die guten
Vorhaben gelingen zu lassen.
Worin die Regeln der Vollkommenheit des göttlichen Ver­
haltens bestehen, und daß sich die Einfachheit der Wege in
Ausgewogenheit m it dem Reichtum der Wirkungen befindet
5.
Es genügt also, dieses Vertrauen zu G ott zu haben, daß
er alles zum besten tu t und daß nichts denen, die ihn lieben,
schaden kann. Die besonderen G ründe aber zu erkennen, die
ihn bewogen haben mögen, diese O rdnung des Universums
zu wählen, die Sünden zu dulden, seine Heilsgnaden in ge­
wisser Weise auszuteilen, das überschreitet die Kräfte eines
endlichen Geistes, vor allem solange er noch nicht in den
Genuß der Anschauung Gottes gelangt ist. Indessen kann man
einige allgemeine Bem erkungen machen, die das Verhalten der
Vorsehung bei der Regierung der Dinge betreffen. So kann

choses. On peut donc dire, que celuy qui agit parfaitement est
semblable à un excellent geometre, qui sçait trouver les
meilleures constructions d’un problème; à un bon Architecte,
qui ménagé sa place et le fonds destiné pour le bastiment de
la maniéré la plus avantageuse, ne laissant rien de choquant,
ou qui soit destitué de la beauté dont il est susceptible; à un
bon pere de famille, qui employe son bien en sorte qu’il n’y
ait rien d’inculte ny de sterile; à un habile machiniste qui fait
son effect par la voye la moins embarassée qu’on puisse choi­
sir; et à un sçavant auteur, qui enferme le plus de realités dans
le moins de volume qu’il peut. Or les plus parfaits de tous les
estres, et qui occupent le moins de volume, c’est à dire qui
s’empechent le moins, ce sont les esprits, dont les perfections
sont les vertus. C’est pourquoy il ne faut point douter que la
félicité des esprits ne soit le principal but de Dieu, et qu’il ne
la mette en execution autant que l’harmonie generale le per­
met. De quoy nous dirons d’avantage tantost. Pour ce qui est
de la simplicité des voyes de Dieu, elle a lieu proprement à
l’égard des moyens, comme au contraire, la variété, richesse
ou abondance y a lieu à l’égard des fins ou effects. Et l’un doit
estre en balance avec l’autre, comme les frais destinés pour un
bastiment avec la grandeur et les beautés qu’on y demande.
Il est vray que rien ne couste à Dieu, bien moins qu’à un phi­
losophe qui fait des hypotheses pour la fabrique de son
monde imaginaire, puisque Dieu n’a que des decrets à faire,
pour faire naistre un monde reel, mais en matiere de sagesse
les decrets ou hypotheses tiennent lieu de depense à mesure
qu’elles sont plus independentes les unes des autres. Car la
raison veut, qu’on évité la multiplicité dans les hypotheses ou
principes, comme le systeme le plus simple est tousjours pré­
féré en Astronomie.

22 les beautés] la beauté
29 principes, comme] principes, a peu près comme

man sagen, daß derjenige, der vollkommen handelt, einem ex­
zellenten Geometer gleicht, der die besten Konstruktionen
eines Problems zu finden weiß; einem guten Architekten, der
Ort und Grund für das Bauwerk aufs vorteilhafteste ausnutzt,
der nichts Störendes zuläßt und nichts, was der Schönheit,
deren es fähig wäre, Abbruch täte; einem guten Familienva­
ter, der sein Gut so einsetzt, daß nichts ungenutzt und un­
fruchtbar bleibt; einem tüchtigen Maschinenbauer, der die be­
absichtigte Wirkung auf dem unbeschwerlichsten Wege
erreicht, den man wählen kann; und einem gelehrten Autor,
der die meiste Realität im kleinsten Band einschließt. Nun
sind aber die vollkommensten aller Seienden und die, die das
geringste Volumen einnehmen, d. h. die einander am wenig­
sten hindern, die Geister, deren Vollkommenheiten die Tu­
genden sind. Und deshalb darf man nicht daran zweifeln, daß
die Glückseligkeit der Geister das hauptsächliche Ziel Gottes
ist und daß er sie ausführt, soweit es die allgemeine Harmo­
nie gestattet. Hierüber werden wir bald mehr sagen.16Was die
Einfachheit der Wege Gottes betrifft, so findet sie eigentlich
im Hinblick auf die Mittel statt, wie umgekehrt Vielfalt,
Reichtum oder Überfluß im Hinblick auf Zwecke oder Wir­
kungen stattfinden. Und das eine muß mit dem anderen aus­
gewogen sein, wie die für ein Bauwerk vorgesehenen Kosten
mit der Größe und der Schönheit des dort Verlangten. Frei­
lich hat Gott keine Kosten, weniger jedenfalls als ein Philo­
soph, der seine imaginäre Welt aus Hypothesen baut; denn
Gott braucht ja nur zu verfügen, um eine reale Welt entste­
hen zu lassen. Im Bereiche der Weisheit treten aber Verfü­
gungen oder Hypothesen an die Stelle der Ausgaben, je un­
abhängiger sie voneinander sind, denn die Vernunft will, daß
man die Vielfältigkeit von Hypothesen oder Prinzipien ver­
meidet, wie in der Astronomie stets das einfachste System vor­
gezogen wird.17

Dieu ne fa it rien hors d ’ordre et il n'est pas mêmes possible de 1
feindre des evenemens qui ne soyentpoint reguliers.
6.
Les Volontés ou Actions de Dieu sont communément
divisées en ordinaires ou extraordinaires. Mais il est bon de
considérer que Dieu ne fait rien hors d’ordre. Ainsi ce qui 5
passe pour extraordinaire, ne l’est qu’à l’egard de quelque
ordre particulier establi parmy les creatures. Car quant à
l’ordre universel, tout y est conforme. Ce qui est si vrai, que
non seulement rien n’arrive dans le monde, qui soit absolu­
ment irregulier, mais on ne sçauroit mêmes rien feindre de tel. 10
Car supposons par exemple que quelcun fasse quantité de
points sur le papier à tout hazard, comme font ceux qui exer­
cent l’art ridicule de la Geomance. Je dis qu’il est possible de
trouver une ligne géométrique dont la notion soit constante
et uniforme suivant une certaine regle; en sorte que cette ligne 15
passe par tous ces points, et dans le même ordre que la main
les avoit marqués. Et si quelcun traçoit tout d’une suite une
ligne qui seroit tantost droite, tantost cercle, tantost d’une
autre nature, il est possible de trouver une notion ou regle ou
équation commune à tous les points de cette ligne, en vertu 20
de la quelle ces mêmes changemens doivent arriver. Et il n’y
a par exemple point de visage dont le contour ne fasse partie
d’une ligne Geometrique et ne puisse estre tracé tout d’un
trait par un certain mouvement réglé. Mais quand une regle
est fort composée, ce qui luy est conforme, passe pour irre- 25
gulier. Ainsi on peut dire que de quelque maniéré que Dieu
auroit créé le monde, il auroit tousjours esté regulier et dans
un certain ordre general. Mais Dieu a choisi celuy qui est le
plus parfait, c’est à dire celuy qui est en même temps le plus
simple en hypotheses et le plus riche en phenomenes; comme 30
pourroit estre une ligne de Geometrie dont la construction
seroit aisée et les propriétés et effects seroient fort admirables

1 Dieu ... il] Que Dieu ne fait rien hors de l’ordre et qu’il

G ott tut nichts außerhalb der Ordnung, und es ist nicht ein­
mal möglich, Ereignisse zu fingieren, die nicht regelmäßig
sind
6.
Die Willensakte oder Handlungen Gottes pflegt man in
gewöhnliche und in außergewöhnliche einzuteilen. Man soll­
te aber in Betracht ziehen, daß Gott nichts außerhalb der
Ordnung macht. Daher ist das, was als außergewöhnlich gilt,
dies nur in bezug auf eine besondere, unter den Geschöpfen
etablierte Ordnung. Denn was die universale Ordnung anbetrifft, so ist darin alles übereinstimmend. Das ist so wahr, daß
nicht nur nichts in der Welt geschieht, was völlig unregelmä­
ßig wäre, sondern man kann sich so etwas nicht einmal aus­
denken. Setzen wir beispielsweise, jemand brächte wahllos
eine Menge Punkte zu Papier, wie es diejenigen tun, welche
die lächerliche Kunst der Geomantie betreiben1®, so behaup­
te ich, daß es möglich ist, eine geometrische Linie zu finden,
deren Begriff einer gewissen Regel zufolge konstant und ein­
förmig ist, und zwar so, daß diese Linie durch alle jene Punk­
te und in derselben Reihenfolge geht, wie sie die Hand mar­
kiert hat. Und wenn jemand in einem Zuge eine Linie
zeichnete, die bald gerade, bald kreisrund, bald von anderer
Art wäre, so kann man einen Begriff oder eine Regel oder eine
Gleichung finden, die allen Punkten dieser Linie gemeinsam
ist, derzufolge eben diese Veränderungen eintreten müssen.
So gibt es beispielsweise kein Gesicht, dessen Umriß nicht
Teil einer geometrischen Linie wäre und der nicht mittels
einer gewissen geregelten Bewegung in einem Zuge nachge­
zogen werden könnte. Ist aber eine Regel sehr zusammenge­
setzt, so gilt das mit ihr Übereinstimmende als unregelmäßig.
Man kann deshalb sagen, daß die Welt, wie auch immer Gott
sie erschaffen hätte, stets regelmäßig und in einer bestimmten
allgemeinen Ordnung gewesen wäre. Gott hat aber diejenige
gewählt, welche die vollkommenste ist, d. h. diejenige, die zu­
gleich die einfachste an Hypothesen und die reichhaltigste an
Erscheinungen ist; wie es eine geometrische Linie sein könn­
te, deren Konstruktion leicht und deren Eigenschaften und
Wirkungen äußerst bewundernswert und sehr ausgedehnt

et d’une grande étendue. Je me sers de ces comparaisons pour
crayonner quelque ressemblance imparfaite de la sagesse di­
vine et pour dire ce qui puisse au moins elever nostre esprit à
concevoir en quelque façon ce qu’on ne sçauroit exprimer
assez. Mais je ne pretends point d’expliquer par là ce grand
mystere dont depend tout l’univers.
Que les miracles sont conformes à l ’ordre general, quoy q u ’ils
soyent contre les maximes subalternes. D e ce que D ieu veut ou
q u ’il permet, et de la volonté generale ou particulière.
7.
Or puisque rien ne se peut faire, qui ne soit dans l’or­
dre, on peut dire, que les Miracles sont aussi bien dans l’or­
dre que les opérations naturelles, qu’on appelle ainsi parce
qu’elles sont conformes à certaines maximes subalternes, que
nous appelions la nature des choses. Car on peut dire, que
cette nature n’est qu’une coustume de Dieu, dont il se peut
dispenser, à cause d’une raison plus forte, que celle qui l’a mû
à se servir de ces maximes. Quant aux volontés generales ou
particulières, selon qu’on prend la chose, on peut dire que
Dieu fait tout suivant sa volonté la plus generale, qui est
conforme au plus parfait ordre qu’il a choisi; mais on peut
dire aussi qu’il a des volontés particulières, qui sont des ex­
ceptions de ces maximes subalternes susdites, car la plus ge­
nerale des loix de Dieu, qui regle toute la suite de l’univers,
est sans exception. On peut dire aussi que Dieu veut tout ce
qui est un object de sa volonté particulière, mais quant aux
objects de sa volonté generale, tels que sont les actions des au­
tres créatures, particulièrement de celles qui sont raisonna­
bles aux quelles Dieu veut concourir, il faut distinguer; car si
l’action est bonne en elle même, on peut dire que Dieu la veut
et la commande quelques fois, lors mêmes qu’elle n’arrive

wären. Ich bediene mich dieser Vergleiche, um ein unvoll­
kommenes Bild der göttlichen Weisheit zu skizzieren und um
das zu sagen, was unseren Geist doch in gewisser Weise zum
Begreifen dessen erheben könnte, was man nicht zur Genü­
ge auszudrücken vermag. Keineswegs aber erhebe ich den
Anspruch, dadurch das große Geheimnis zu erklären, wovon
das ganze Universum abhängt.
Die Wunder sind m it der allgemeinen O rdnung übereinstim­
mend, obw ohl sie den untergeordneten Grundsätzen entge­
gen sind. Darüber, was G ott w ill oder was er erlaubt und über
den allgemeinen u n d den besonderen Willen
7.
Da nun nichts gemacht werden kann, was nicht in der
Ordnung sei, so kann man sagen, daß auch die Wunder in der
Ordnung sind, wie die natürlichen Vorgänge, die man deshalb
so bezeichnet, weil sie mit gewissen untergeordneten Grund­
sätzen übereinstimmen, die wir die Natur der Dinge nennen.19
Denn man kann sagen, daß diese Natur nichts als eine Ge­
wohnheit Gottes ist, über die er sich hinwegsetzen kann,
wegen eines stärkeren Grundes als desjenigen, der ihn dazu
bewogen hat, sich dieser Grundsätze zu bedienen. Was nun
die allgemeinen oder die besonderen Willensakte anlangt, so
kann man —je nachdem, wie man die Sache auffaßt —sagen,
daß Gott alles gemäß seinem allgemeinsten Willen macht, wel­
cher mit der vollkommensten Ordnung, die er gewählt hat,
übereinstimmt; man kann aber auch sagen, daß es besondere
Willensakte gibt, die Ausnahmen von diesen obengenannten
untergeordneten Grundsätzen sind, denn das allgemeinste der
Gesetze Gottes, das die ganze Folge des Universums regelt,
ist ohne Ausnahme. Ferner kann man sagen, daß Gott alles
das will, was Gegenstand seines besonderen Willens ist; was
aber die Gegenstände seines allgemeinen Willens anbetrifft,
als da sind die Handlungen der anderen Geschöpfe, in­
sonderheit der vernünftigen, an denen Gott mitwirken will,
so muß man unterscheiden: wenn die Handlung an sich gut
ist, so kann man sagen, daß Gott sie will und manchmal be­
fiehlt, selbst dann, wenn sie nicht ihr Ziel erreicht; ist sie aber

point; mais si elle est mauvaise en elle même, et ne devient
bonne que par accident par ce que la suite des choses, et par­
ticulièrement le chastiment et la satisfaction corrige sa mali­
gnité, et en recompense le mal avec usure, en sorte qu’enfin il
se trouve plus de perfection dans toute la suite, que si tout ce 5
mal n’estoit pas arrivé, il faut dire que Dieu le permet et non
pas qu’il le veut, quoyqu’il y concoure à cause des loix de na­
ture qu’il a establies et parce qu’il en sçait tirer un plus grand
bien.
Pour distinguer les actions de Dieu et des creatures, on ex- 10
plique en quoy consiste la notion d ’une substance individuelle.
8.
Il est assez difficile de distinguer les Actions de Dieu de
celles des creatures, aussi bien que les Actions et passions de
ces mêmes creatures. Car il y en a qui croyent que Dieu fait
tout, d’autres s’imaginent, qu’il ne fait que conserver la force 15
qu’il a donnée aux creatures: la suite fera voir combien l’un
ou l’autre se peut dire. Or puisque les actions et passions ap­
partiennent proprement aux substances individuelles (actionés sunt suppositorum), il seroit nécessaire d’expliquer ce que
c’est qu’une telle substance. Il est bien vray, que lorsque plu- 20
sieurs prédicats s’attribuent à un même sujet, et que ce sujet
ne s’attribue plus à aucun autre, on l’appelle substance indi­
viduelle. Mais cela n’est pas assez, et une telle explication
n’est que nominale. Il faut donc considérer ce que c’est que
d’estre attribué véritablement à un certain sujet. O r il est 25
constant que toute prédication veritable a quelque fondement
dans la nature des choses, et lors qu’une proposition n’est pas
identique, c’est à dire lors que le prédicat n’est pas compris
expressement dans le sujet, il faut qu’il y soit compris vir­
tuellement, et c’est ce que les philosophes appellent inesse. 30
Ainsi il faut que le terme du sujet enferme tousjours celuy du
prédicat, en sorte que celuy qui entendroit parfaitement la

30-31 inesse... Ainsi] in-esse en disant que le prédicat est dans le sujet.
Ainsi

an sich schlecht und w ird sie nur akzidentell zu einer guten
H andlung - weil der Lauf der Dinge und insbesondere Stra­
fe und Buße ihre Bösartigkeit ausgleicht und so das Ü bel reich­
lich w iedergutm acht, so daß sich schließlich im ganzen Ver­
lauf m ehr Vollkom menheit ergibt, als wenn sich überhaupt
nichts Böses ereignet hätte - , so m uß m an sagen, daß G ott es
erlaubt und nicht, daß er es will, obgleich er an ihm m itw irkt
wegen der N aturgesetze, die er etabliert hat und weil er ein
größeres G ut daraus herzuleiten weiß.20
Um die H andlungen Gottes von den H andlungen der Ge­
schöpfe z u unterscheiden, erklärt man, worin der B egriff einer
individuellen Substanz besteht
8.
Es ist recht schwierig, die H andlungen Gottes von denen
der Geschöpfe zu unterscheiden, wie auch die Handlungen
und die Leiden eben dieser Geschöpfe. D enn manche glau­
ben, G ott mache alles21, andere bilden sich ein, er erhalte bloß
die Kraft22, die er den Geschöpfen verliehen hat: das Folgen­
de w ird erhellen, inwiefern man das eine oder das andere be­
haupten kann. D a nun H andlungen und Leiden im eigent­
lichen Sinne den individuellen Substanzen zukom m en
(actiones sunt suppositorum)23, so m uß man notwendigerweise
erklären, was eine solche Substanz ist. Es ist w ohl richtig,
wenn m ehrere Prädikate demselben Subjekt zugesprochen
werden, und w enn dieses Subjekt selbst keinem anderen m ehr
zugesprochen w ird, daß m an es eine individuelle Substanz
nennt; doch genügt dies nicht, und eine solche Erklärung ist
nur eine W orterklärung. Folglich m uß man erwägen, was es
bedeutet, daß etwas einem gewissen Subjekt in W ahrheit zu ­
gesprochen w ird. N u n steht fest, daß jede wahre Prädikation
eine Begründung in der N a tu r der Dinge hat, und w enn ein
Satz nicht identisch, d. h. w enn das Prädikat nicht ausdrück­
lich im Subjekt enthalten ist, so muß es doch virtuell in ihm
enthalten sein. Die Philosophen nennen das inesse. So muß
der Term des Subjekts im m er den des Prädikats einschließen,
so daß derjenige, der den Begriff des Subjekts vollkomm en
verstünde, auch urteilen könnte, daß ihm dieses Prädikat zu-

notion du sujet, jugerait aussi que le prédicat luy appartient.
Cela estant, nous pouvons dire que la nature d’une substan­
ce individuelle, ou d’un Estre complet, est d’avoir une notion
si accomplie, qu’elle soit suffisante, à comprendre et à en faire
deduire tous les prédicats du sujet à qui cette notion est attri- 5
buée. Au lieu que l’accident est un estre dont la notion n’en­
ferme point tout ce qu’on peut attribuer au sujet à qui on at­
tribue cette notion. Ainsi la qualité de Roy qui appartient à
Alexandre le Grand, faisant abstraction du sujet n’est pas
assez déterminée à un individu, et n’enferme point les autres 10
qualités du même sujet, ny tout ce que la notion de ce Prince
comprend; au lieu que Dieu voyant la notion individuelle ou
hecceité d’Alexandre, y voit en même temps le fondement et
la raison de tous les prédicats qui se peuvent dire de luy véri­
tablement, comme par exemple qu’il vaincroit Darius et 15
Porus, jusqu’à connoistre à priori (et non par experience) s’il
est mort d’une mort naturelle, ou par poison, ce que nous ne
pouvons sçavoir que par l’histoire. Aussi quand on considé­
ré bien la connexion des choses, on peut dire qu’il y a de tout
temps dans l’ame d’Alexandre des restes de tout ce qui luy est 20
arrivé, et les marques de tout ce qui luy arrivera, et même des
traces de tout ce qui [se] passe dans l’univers, quoyqu’il n’ap­
partienne qu’à Dieu de les reconnoistre toutes.
Que chaque substance singulière exprime tout l’univers à sa
maniéré, et que dans sa notion tous ses evenemens sont com- 25
pris avec toutes leur circomstances, et toute la suite des choses
extérieures.
9.
Il [s’ensuivent de cela] plusieurs paradoxes considéra­
bles, comme entre autres qu’il n’est pas vray, que deux sub­
stances se ressemblent entièrement et soyent differentes solo 30
numéro, et que ce que S. Thomas asseure sur ce point des
anges ou intelligences (quod ibi omne individuum sit species

22 qui [se] passe] qui se passe
28 II [s’ensuivent de cela]] Il s’ensuivent de cela

kommt.24 Da es sich so verhält, können wir sagen, daß die
Natur einer individuellen Substanz oder eines vollständigen
Seienden darin besteht, einen derart vollständigen Begriff zu
haben25, daß er zureicht, alle Prädikate des Subjekts, dem die­
ser Begriff zugesprochen wird, zu enthalten und daraus her­
leiten zu lassen. Hingegen ist ein Akzidenz ein Seiendes, des­
sen Begriff nicht alles das einschließt, was man dem Subjekt,
dem dieser Begriff zugesprochen wird, zusprechen kann.
Daher ist die Eigenschaft »König«, die Alexander dem Gro­
ßen zukommt, wenn man vom Subjekt absieht, zur Bestim­
mung eines Individuums nicht ausreichend, und sie schließt
weder die anderen Qualitäten desselben Subjekts noch alles
das ein, was der Begriff dieses Fürsten enthält. Wenn Gott da­
gegen den individuellen Begriff oder die Diesheit Alexanders
schaut, so sieht er darin zugleich die Begründung und den
Grund für alle Prädikate, die sich von ihm in Wahrheit aussagen lassen, wie beispielsweise daß er Darius und Porus be­
siegen wird26; er erkennt sogar a priori (und nicht aus Erfah­
rung), ob er eines natürlichen Todes oder durch Gift gestorben
ist, was wir nur aus der Geschichte wissen können. Wenn man
so die Verknüpfung der Dinge recht betrachtet, kann man
sagen, daß es in der Seele Alexanders jederzeit Reste alles des­
sen gibt, was ihm widerfahren ist und Kennzeichen für alles,
was ihm widerfahren wird, ja sogar Spuren von allem, was im
Universum geschieht, wenngleich es nur Gott allein zu­
kommt, dies alles zu erkennen.
Jede Einzelsubstanz drückt das ganze Universum auf ihre
Weise aus, und in ihrem Begriff sind alle ihre Ereignisse mit
allen ihren Umständen enthalten sowie die ganze Folge der
äußeren Dinge
9.
Hieraus folgen mehrere beträchtliche Paradoxa, so u. a.
daß es nicht wahr ist, daß zwei Substanzen sich völlig ähneln
und nur der Zahl nach verschieden sind und daß, was Tho­
mas von Aquin in diesem Punkte von den Engeln oder reinen
Verstandeswesen versichert (quod ibi omne individuum sit
species infima)27, für alle Substanzen zutrifft, wenn man nur

infima) est vray de toutes les substances, pourveu qu’on
prenne la différence spécifique, comme la prennent les Geometres à l’égard de leur figures. Item qu’aucune substance
ne sçauroit commencer que par création, ny périr que par an­
nihilation. Q u ’on ne divise pas une substance en deux, ny
qu’on ne fait pas de deux une, et qu’ainsi le nom bre des sub­
stances naturellement n’augmente et ne diminue pas, quoyqu’elles soyent souvent transformées. De plus toute substan­
ce est comme un monde entier et comme un m iroir de Dieu
ou bien de tout l’univers, qu’elle exprime chacune à sa façon
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