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Medien Matthias Brandt im Gespräch

„Ich bin eigentlich unheimlich faul“

Redakteur Feuilleton
Matthias Brandt alias Kriminalhauptkommissar Hanns von Meuffels in seinem letzten Fall Matthias Brandt alias Kriminalhauptkommissar Hanns von Meuffels in seinem letzten Fall
Er hat genug: Matthias Brandt in seinem letzten "Polizeiruf"
Quelle: Christian Schulz / BR
Sieben Jahre war Matthias Brandt im „Polizeiruf 110“ Hanns von Meuffels: der aufregendste deutsche Fernsehkommissar. Jetzt hört er auf. Ein Gespräch über Autos, Stan&Olli und Selbstgespräche.

„Tatorte“ heißt der letzte Fall, den Hanns von Meuffels, der Preuße, den es vor sieben Jahren ins Münchner „Polizeiruf“-Kommissariat verschlug, zu lösen hat. Matthias Brandt war Hanns von Meuffels. Jetzt ist er ein bisschen melancholisch. Was wiederum zum großen Melancholiker Meuffels passt.

WELT: 15 Fälle hat Hanns von Meuffels mehr oder weniger gelöst. Sieben Jahre haben Sie mit ihm verbracht, so lange wie mit keiner Figur vorher. Wie war es, als die letzte Klappe Sie beide getrennt hat?

Matthias Brandt: Ich bin eigentlich recht frohgemut nach Hause gegangen. Ich war sehr glücklich über die letzte Arbeit. Ungefähr so hatte ich mir gewünscht, dass es aufhört.

Trailer des letzten Meuffels-"Polizeiruf 110"

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WELT: Hatten Sie nicht Fantasien, dass Sie niedergeschossen werden am Ende und in Ihrem Blut liegen?

Brandt: Diese Fantasien hat man ja zwangsläufig, wenn man sieht, was so gemeinhin üblich ist. Ich habe allerdings einen Blick auf diese Figuren, der, glaube ich, ein bisschen anders ist. Weil mir der Gedanke gut gefällt, dass die irgendwo anders noch ihr Leben weiterleben. Es ist halt nur das deutsche Fernsehen nicht mehr dabei. Vielleicht meldet der sich ja noch mal bei mir. Es hätte mir schon leidgetan, den Meuffels in die Luft fliegen zu lassen.

WELT: In die Luft geflogen sind Sie ja schon am Ende der ersten Staffel von „Babylon Berlin“.

Brandt: Man muss es ja nicht übertreiben.

WELT: Und drei Mal wäre dann ja irgendwann mal vielleicht ein Trend geworden.

Brandt: Matthias Brandt ist immer der, der in die Luft fliegt. Das ist schon wieder schädlich. Wenn man irgendwo auftaucht, wissen die Leute das sofort, der explodiert irgendwann.

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WELT: Was hat Sie eigentlich gereizt, in die Serienproduktion einer Figur einzusteigen?

Brandt: Das Wesentlichste war schon die Zeit, die ich durch die Reihe zur Verfügung habe, um eine Figur zu erzählen. Und weil das so ist, weil man die Zeit hat, dachte ich mir, wäre es ja schön, wenn man dem Meuffels nicht gleich in der ersten Folge einen Sack voll mit Attributen umhängt, die dann mehr oder weniger gut jonglierend in der Luft gehalten werden müssen. Sondern ihn kennenlernt, wie man im Leben Menschen kennenlernt, durch Situationen, die man gemeinsam erlebt.

WELT: Das fanden einige am Anfang nicht so chic.

Brandt: Es wurde geklagt, dass man gar nicht weiß, wer Meuffels eigentlich ist. Man ist ja als Zuschauer mittlerweile so darauf geprägt, eine Figur möglichst schnell zu kategorisieren, damit man weiß, woran man ist. Dem haben wir uns verweigert. Wir haben auch sehr wenige Setzungen gemacht. Um ganz unterschiedliche Leute – Autoren, Regisseure, Schauspieler, mit denen man immer mal oder wieder zusammenarbeiten oder -spielen wollte, ins Boot zu holen. Das funktionierte nur in einer möglichst großen Freiheit. Da waren auch Regisseure drunter, die hätten keine Lust gehabt, mit etwas allzu Formatiertem zu arbeiten. Die einzige Konstante, die im Spiel sein sollte, war Meuffels. Alles andere, so war die Vereinbarung, könnt ihr erzählen, wie ihr wollt. Es gibt kein Büro, keine Kohorten von Kollegen. Ihr könnt das alles immer neu erfinden. Das fand ich schön.

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WELT: Ähneln Sie und Meuffels, der ja eher ein Beobachter ist und kein Jäger, sich in Sachen Weltwahrnehmung?

Brandt: Wir sind uns wahrscheinlich ähnlicher, als ich mir das überlegt habe. Wenn man so viel Zeit mit einer Figur verbringt, dann kommt die einem schon näher, als das normalerweise der Fall ist. Ich habe das nicht forciert, das mit der Ähnlichkeit in der Weltwahrnehmung, das war dann einfach so.

WELT: Was hat Meuffels denn dahin gebracht, dass er jetzt am liebsten einfach nur noch dasitzen würde, „ich kann das nicht mehr“ murmelnd?

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Brandt: Meuffels hat ja immer ein gewisses Abgrenzungsproblem gehabt. Es gab ja immer eine Figur, mit der er sich stark identifiziert hat. Das war ein interessantes Element in seinem Charakter. Aber ich habe schon relativ früh gemerkt, dass man sich darüber Gedanken machen muss, wie lange das gut gehen kann. Nicht als Fernseherzähler, sondern als Polizist. Im Polizistenberuf ist ja irgendwann eine Grenze erreicht, wo es tatsächlich nicht mehr geht. Dass diesem spröden und verschlossenen Mann permanent Dinge zu nahe gehen, das hat mir sehr gefallen. Nur führte das zwangsläufig dazu, dass sich da etwas angesammelt hat in der Figur. Und wahrscheinlich sammelt es sich auch im Schauspieler an, der diese Rolle spielt. Dass man an einen Punkt gerät, an dem man sich sagt, jetzt reicht’s dem.

WELT: War das der Grund für Sie, jetzt aufzuhören?

Brandt: Nicht für mich. Das war die Figur, nicht der Schauspieler. Bei mir hatte das mit Überdruss nichts zu tun. Ich hatte auch nicht das Gefühl, Hanns von Meuffels sei auserzählt.

WELT: Grässliches Verb.

Brandt: Fernsehsendersprache. Das ist so eine Vokabel, die in Fernsehsendern erfunden wurde, um Leute elegant rauszuschmeißen. Eine McKinsey-Vokabel. Ich weiß gar nicht, was das heißen soll.

Das Kündigungsschreiben, die Dienstwaffe und der Dienstausweis von Hanns von Meuffels (Matthias Brandt).
Krasse Kiste: Das Kündigungsschreiben, die Dienstwaffe und der Dienstausweis von Hanns von Meuffels (Matthias Brandt)
Quelle: Christian Schulz / BR

WELT: Eine der wenigen Meuffels-Konstanten ist das Autofahren. Meuffels hat ja kein festes Büro. Er fährt in einem rum. Mögen Sie Autos?

Brandt: Ich habe, um es vorsichtig auszudrücken, privat ein neutrales Verhältnis zum Auto. Ich nutze es manchmal. Aber Autos interessieren mich überhaupt nicht. Ursprünglich hatte ich das gar nicht gewollt. Ich wollte zwei Sachen wirklich in engen Grenzen halten. Autofahrten und Büroszenen. Vor allen Dingen aus Autos aussteigen, zu irgendwelchen Haustüren gehen und zu fragen: „Ist Ihr Mann da?“ Das dauert in deutschen Krimis lustigerweise ja immer zwei Minuten. Vom Auto bis zur Haustür. Christian Petzold allerdings mag Autos als erzählerisches Element. Das sind sie, das hat mir sofort eingeleuchtet in dem Moment, in dem man sie als Schutzräume begreift, in denen Menschen Dinge machen und sagen, die sie in der Öffentlichkeit nie machen und sagen würden. Und in denen sie trotzdem in der Öffentlichkeit sind. Ums Auto an sich ging’s eigentlich nie.

WELT: Sondern ums Engführen von Figuren.

Brandt: Genau. Und da Petzold ein reflektierter Filmemacher ist, ist auch die Perspektive eine andere als die, die man aus Filmen sonst kennt. Man sieht ja sehr oft Autofahrten, bei denen die beiden nebeneinander von vorn gezeigt werden. Die Perspektive gibt es ja gar nicht. Wer guckt denn so?

WELT: Einer, der gerade überfahren wurde.

Brandt: Bei Petzold gibt es nur die Perspektive der beiden nebeneinander sitzenden, abwechselnd einander antwortenden Figuren. Und dann gibt es noch die Perspektive von hinten. Das ist die, die man als Kind früher auf seine Eltern hatte. Mit diesen organischen Perspektiven im Auto fing es an, mir Spaß zu machen. Man kann ja existenzielle Dinge mit einer gewissen Beiläufigkeit behandeln, wenn man mit etwas anderem beschäftigt ist. Es muss nicht unbedingt das Auto sein, aber das Auto ist dafür sehr gut geeignet.

WELT: In „Tatorte“ steht Meuffels irgendwann auf dem Parkplatz eines Autokinos. Da führt er einen „Powerdialog“ mit sich selbst. Können Sie das im wahren Leben auch?

Brandt: Die Heftigkeit oder das Selbstgespräch?

WELT: Beides.

Brandt: Ich bemerke, damit bin ich aber, glaube ich, nicht allein, mit zunehmendem Alter eine erhöhte Neigung zum Selbstgespräch, um es mal vorsichtig auszudrücken. Und ich spreche auch laut. Ich spreche auch an der Ampel stehend mit mir selbst. Glaube ich. Das hat man wohl hinzunehmen. Was die Heftigkeit angeht, kann ich im Privaten sehr sauer werden. Das ist aber nicht mein normaler Zustand. Ich bin jemand, der Dinge, die ihn nerven, nicht sofort rauslässt. Wenn sie dann rauskommen, kommen sie manchmal in einer Heftigkeit raus, mit der ich selbst schlecht umgehen kann. Passiert meist in Arbeitssituationen. Im Privaten bin ich sehr friedlich.

WELT: Was bringt Sie denn auf die Palme? Gibt es da Muster?

Brandt: So genau habe ich das noch nicht analysiert. Das könnte ich. Aber ich weiß gar nicht, ob ich das wollte. Es ist für einen Schauspieler ein bisschen gefährlich, Dinge von sich selbst zu genau wissen zu wollen. Das kann einem manchmal in die Quere kommen.

WELT: Warum?

Brandt: Über die Figuren will man natürlich alles wissen, aber was einen selber angeht, will man ja im Spielen über sich hinaus. Eine Figur ist immer ein Über-sich-hinaus-gehen. Und das Aufdiepalmegehen, diese unanalysierte private Eigenschaft, die behindert mich nicht. Ich verändere das Koordinatensystem und dann gibt es keine Beschränkungen nicht mehr. Meuffels zum Beispiel hat ja auch wesentlich schlechtere Laune als ich, um es simpel zu sagen, weil sein Leben anders ist, weil er dafür einen guten Grund hat.

WELT: Waren Sie eigentlich schon mal so weit, wie Meuffels nichts mehr zu wollen, als „Stan und Olli“-Filme zu schauen?

Brandt: Das wäre ja komisch, wenn man nicht ab und zu in die Situation kommen würde. Wobei man unterscheiden muss zwischen einem wirklichen Überdruss, weil man keine Lust mehr hat, das zu machen, was man macht, und natürlicher Faulheit. Die gibt es ja auch. Ich zum Beispiel bin ja unheimlich faul.

WELT: Merkt man jetzt nicht so.

Brandt: Ich muss relativ viel arbeiten und mich unheimlich gut organisieren, damit man das nicht merkt. Beziehungsweise, damit ich mich selber irgendwie im Zaum halte. Aber von der Veranlagung her bin ich ziemlich faul. Und ich stelle mir auch immer gern vor, ich müsste eigentlich gar nichts machen.

Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) und Constanze Hermann (Barbara Auer) schauen zusammmen einen Stan Laurel- und Oliver Hardy-Film.
Bilder einer großen Liebe: Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) und Constanze Hermann (Barbara Auer) schauen zusammmen einen Stan Laurel-und-Oliver-Hardy-Film
Quelle: Christian Schulz / BR

WELT: Haben Sie’s schon mal ausprobiert? Drei Wochen gar nichts tun?

Brandt: Mit der Suche nach der Definition von „gar nichts“ könnten wir jetzt natürlich die kommende halbe Stunde bestreiten. Was heißt denn das? Man hat ja immer was zu tun. Ich kann auch ganz gut müßiggehen. Aber das ist nur eine Vermutung. Ich weiß ja nicht, wie das wäre, wenn ich das immer machen würde und in einer Lebenssituation wäre, wo ich keine Familie zu ernähren hätte.

WELT: Wie geht’s dem Schriftsteller Matthias Brandt. Ist der müßig? Oder schreibt der wieder.

Brandt: Ich schreibe weiter. Aber ob’s was wird, weiß ich nicht.

WELT: Woher die Zweifel?

Brandt: Die muss man ja haben. Ich weiß halt nicht, ob ich das, was ich mir da gerade überlege und vornehme, so umsetzen kann, wie ich mir das vorstelle. Oder wenigstens annähernd. Die Einschätzung dessen unterliegt großen Schwankungen. Es gibt Tage, wo ich das Gefühl habe „Ja, ja.“ Und es gibt dunkle Tage, an denen der Finger verdächtig nahe an der Löschtaste ist. Dann kommt es immer darauf an, ob man da wirklich drauf drücken will auf die Taste, oder ob man nur will, dass jemand einen davon abhält, das zu tun.

WELT: Aber Ihre neue Verlegerin sitzt jetzt, nach dem großen Erfolg Ihres Erzählbandes „Raumpatrouille“, nicht mit der Waffe in Ihrem Rücken?

Brandt: Ich habe keinen Stress.

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WELT: Aus der einen Serie sind Sie nun erfolgreich rausgebombt, in der anderen Reihe sind Sie auf dem Sofa mit Barbara Auer im Arm sanft entschlafen. Wie geht’s weiter?

Brandt: Ich lasse mir ein bisschen Zeit. Ein Schauspieler definiert sich ja nicht nur darüber, was er macht, sondern auch darüber, was er nicht macht. Und mir war immer bewusst, dass ich beobachten muss, wie es mich als Schauspieler beeinflusst, eine Figur so oft zu spielen. Die wird ja zwangsläufig dominanter, als man das so kennt, sie ist einem näher. Schon durch die gemeinsam verbrachte Zeit. Und da muss man sehr genau hinschauen, ob es so einen Punkt gibt, an dem sich während der Arbeit an anderen Darstellungen so eine Figur meldet, sich in den Vordergrund spielt, weil es einfach die Figur mit den am stärksten ausgeprägten Automatismen ist. Das wollte ich verhindern, das war einer der Gründe, mit Meuffels aufzuhören. Damit man es sich nicht so gemütlich macht. Weil man sich ja so gut auskennt in dem. Mich in Bereichen aufzuhalten, in denen ich mich auskenne, hat mich nie interessiert. Im Privaten ist mir das sehr recht. In der Arbeit interessieren mich Dinge mehr, je unbekannter sie mir sind. Überhaupt nicht zu wissen, wie etwas geht. Das ist immer ein guter Start.

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