Helmut Schmidt: Krisenmanager, Bundeskanzler und Kettenraucher
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Helmut Schmidt: Der Krisenmanager in der Lupe

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Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt lächelt während der zweitägigen Konferenz anlässlich des 50. Jahrestages der «Spiegel»-Affäre.
Helmut Schmidt war der fünfte Bundeskanzler Deutschlands. © picture alliance/Marcus Brandt/dpa

Heute ist Helmut Schmidt eine Legende in der deutschen Politik. In Krisenzeiten behielt er stets einen kühlen Kopf.

  • Helmut Schmidt war der fünfte Bundeskanzler Deutschlands und erwies sich als Krisenmanager in Zeiten der Wirtschaftskrise, des RAF-Terrors und der atomaren Bedrohung durch die Sowjetunion.
  • Seine Unterstützung des NATO-Doppelbeschlusses und wirtschaftspolitische Differenzen in seinem Kabinett führten schließlich dazu, dass der Regierungschef 1982 abgewählt wurde.
  • Bis heute ist „Schmidt-Schnauze“ berühmt-berüchtigt für seine direkte und unverblümte Art und seine große Leidenschaft fürs Rauchen.

Der deutsche SPD-Politiker Helmut Schmidt kam am 23. Dezember 1918 als Sohn des Studienrats Gustav Schmidt und seiner Frau Ludovica Schmidt im Hamburger Stadtteil Barmbek zur Welt. Genau wie sein jüngerer Bruder Wolfgang besuchte er die Lichtwarkschule und absolvierte 1937 erfolgreich sein Abitur. Anschließend wollte er eigentlich Architektur studieren, meldete sich jedoch mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zum Wehrdienst. Dort kämpfte er an der Ostfront und später an der Westfront, bevor er in britische Kriegsgefangenschaft geriet. Am 31. August 1945 wurde Schmidt aus der Gefangenschaft entlassen und wandte sich wieder seinen Studienplänen zu.

An der Universität Hamburg schloss er sein Studium der Staatswissenschaften und der Volkswirtschaft 1949 erfolgreich als Diplom-Volkswirt ab. Seiner Heimatstadt blieb Schmidt bis ans Lebensende eng verbunden. 1983 wurde er für seine Verdienste als Bundeskanzler und Krisenbewältiger zum Hamburger Ehrenbürger ernannt.

Helmut Schmidt: Politische Anfänge und Werdegang

Bereits ein Jahr nach seiner Befreiung aus der Kriegsgefangenschaft wurde Helmut Schmidt zum SPD-Mitglied. Dazu motiviert habe ihn ein Mitgefangener. Seine politischen Anfänge umfassten ein Engagement für den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS). Von 1953 bis 1962 saß der aufstrebende SPD-Abgeordnete im Bundestag. Drei Jahre später wurde er erneut gewählt und stieg zum stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion auf, 1967 fiel ihm der Fraktionsvorsitz zu.

Größere Bekanntheit erlangte Schmidt 1962 als Krisenmanager der Sturmflut an der deutschen Nordseeküste. Damals hatte er das Amt des Senators der Polizeibehörde inne und koordinierte den Großeinsatz zum Schutz Hamburgs vor dem Hochwasser. Dabei bat Schmidt auch die Bundeswehr und militärische Oberbefehlshaber aus ganz Europa um Hilfe. Damit handelte er sogar verfassungswidrig, da das deutsche Militär zum damaligen Zeitpunkt keine Einsätze im Inland übernehmen durfte. Sein beherztes und energisches Handeln brachte ihm jedoch national wie international viel Lob ein und festigte sein Ansehen als Krisenbewältiger.

Nachdem die SPD 1969 die Bundestagswahl gewonnen hatte, berief Bundeskanzler Willy Brandt Schmidt als Verteidigungsminister in das Kabinett. Während dieser Zeit setzte der Politiker unter anderem eine Änderung des Grundwehrdienstes von 18 auf 15 Monate fest. Schnell entwickelte sich Schmidt zu einem der wichtigsten Männer hinter Brandt. 1972 wurde er zum Finanz- und Wirtschaftsminister, bevor er wenige Monate später lediglich das Finanzministerium leitete, da das Amt wieder geteilt worden war. 

Helmut Schmidts Aufstieg zum Bundeskanzler

Am 6. Mai 1974 verkündete Willy Brandt seinen Rücktritt vom Kanzleramt, nachdem sein enger Berater Günter Guillaume als DDR-Agent enttarnt worden war. Daraufhin wurde Helmut Schmidt vom Bundestag mit 267 von 518 Stimmen zum fünften Bundeskanzler gewählt. Für seine Amtszeit kündigte der Politiker „Kontinuität und Konzentration“ an. Acht Jahre lang stand Schmidt an der Spitze der Regierung und musste dabei mehrere Male seinem Ruf als Krisenmanager gerecht werden. 

Gleich zu Beginn seiner Amtszeit sah sich der Regierungschef mit einer weltweiten Wirtschafts- und Ölkrise konfrontiert. Der drohenden Inflation und steigenden Arbeitslosenrate konterte Schmidt mit einem Investitionsprogramm, das die Bundesrepublik wieder auf Kurs brachte. Seine Zusammenarbeit mit dem französischen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing leitete schließlich eine Stärkung der europäischen wie internationalen Beziehungen ein und führte zur Einführung des Europäischen Währungssystems und der Europäischen Währungseinheit (ECU) zum 1. Januar 1979.

Schmidts Amtszeit ist untrennbar mit dem Terrorismus durch die Rote Armee Fraktion (RAF) verbunden. Die linksextremistische Vereinigung hielt während seiner Amtsperiode die ganze Bundesrepublik mit ihren Anschlägen und Geiselnahmen in Atem. So ermordeten sie unter anderem den Generalbundesanwalt Siegfried Buback und den Vorstandsvorsitzenden der Dresdner Bank, Jürgen Pontop. Schmidt selbst verfolgte einen gnadenlosen Kurs, nachdem er anfangs auf den Erpressungsversuch eingegangen war und RAF-Gefangene freigelassen hatte, um den CDU-Politiker Peter Lorenz zu retten. Im sogenannten Deutschen Herbst 1977 fiel der Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer der RAF zum Opfer. Schmidt zeigte sich von seinem Tod schwer betroffen und bekannte, sich zeitlebens „mitschuldig“ zu fühlen.

Helmut Schmidt: Kritik und Ende der Amtszeit

Dass die Sowjetunion mit atomaren Mittelstreckenraketen nachrüstete, betrachtete Helmut Schmidt mit großer Sorge. Er stellte sich hinter den sogenannten NATO-Doppelbeschluss, der vorsah, dass auch in Westeuropa Mittelstreckenraketen aufgestellt wurden, sollte die Sowjetunion nicht auf die Verhandlungen eingehen, auf ihre Raketen zu verzichten. Damit zog er heftigen Gegenwind der SPD und der Bevölkerung auf sich, es folgten Demonstrationen gegen die mögliche Nachrüstung Deutschlands. Auch Parteichef Willy Brandt stellte sich gegen seinen Kanzler-Nachfolger.

Den Ausschlag für Schmidts Regierungsende gab ein Streit um die Wirtschafts- und Sozialpolitik, die die sozialliberale Koalition nicht überlebte. Am 17. September 1982 gaben alle FDP-Bundesminister ihren Rücktritt bekannt. Die politische Affäre gipfelte am 1. Oktober 1982 in einem konstruktiven Misstrauensvotum gegen Schmidt, in dessen Folge er vom Bundestag abgewählt wurde. Sein Nachfolger war der CDU-Politiker Helmut Kohl, der sich die Stimmen von Union und FDP sichern konnte.

Von der öffentlichen Bildfläche verschwand der Altkanzler deshalb lange noch nicht. Seit 1983 war er Mitherausgeber der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit‘. Außerdem war er Mitbegründer der Deutschen Nationalstiftung, des Interaction Council und der Helmut- und Loki-Schmidt-Stiftung sowie Ehrenpräsident der Deutsch-Britischen Gesellschaft und des Deutschen Polen-Instituts.

Helmut Schmidt: Besonderheiten der Amtszeit

Helmut Schmidts forsche und direkte Art brachte ihm schnell den Spitznamen „Schmidt Schnauze“ ein. Der Politiker war für seine ausdrucksstarke Rhetorik und Sprache bekannt, was oft zu feurigen Rededuellen führte, so etwas im Wahlkampf gegen Franz Josef Strauß 1980. So warf Schmidt seinem Kontrahenten vor, „keine Kontrolle“ über sich selbst zu haben. Bereits als 17-Jähriger wurde Schmidt aufgrund seiner vorlauten Art aus der Marine-Hitlerjugend geworfen.

Als junger Bundestagsabgeordneter bezeichnete er sich am Rednerpult selbst als „Mann mit der schnellen Schnauze“ – und dieser Ruf sollte ihn bis über seinen Tod hinaus nacheilen. Selbst als Altkanzler schwieg Schmidt nicht bei kontroversen Debatten, sondern brachte sich immer wieder mit klaren – und oft politisch wenig korrekten – Worten ein. Sprüche wie „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, „Politiker und Journalisten teilen sich das Schicksal, dass sie heute über Dinge reden, die sie erst morgen ganz verstehen“ und „Willen braucht man. Und Zigaretten“ erreichten schnell Kultstatus.

Letzteres Zitat spielt auf Schmidts große Leidenschaft für das Rauchen an. Der Politiker und seine Frau Loki waren Kettenraucher, die sogar nach Verschärfung des Rauchverbots in öffentlichen Räumen zum Glimmstängel greifen durften. Selbst bei TV-Auftritten in Talkshows qualmte der Altkanzler. Auf Fotos wird er heute bevorzugt mit seinem Markenzeichen abgebildet.

Helmut Schmidt: Familie und Privatleben

Am 27. Juni 1942 heiratete Helmut Schmidt seine Jugendliebe Hannelore Glaser, die er liebevoll Loki nannte. Das Paar hatte zwei Kinder, der behindert geborene Sohn Helmut Walter starb allerdings am 19. Februar 1945 noch vor seinem ersten Geburtstag. Tochter Susanne wurde im Mai 1947 geboren und arbeitet heute als renommierte Wirtschaftsjournalistin in London bei Bloomberg TV. Stolze 68 Jahre lang waren Helmut und Loki verheiratet. Die Lehrerin, Autorin und Botanikerin war Schmidts Fels in der Brandung während Krisenzeiten. Obwohl der Bundeskanzler Affären gepflegt haben soll, war das Paar bis zu Lokis Tod am 21. Oktober 2010 liiert. Die Biologin versteckte sich während der Amtszeit ihres Mannes nicht in seinem Schatten und machte sich als engagierte Pflanzenschützerin selbst einen Namen. Sie ist die Verfasserin zahlreicher Bücher, die auf die Artenvielfalt aufmerksam machen und zum Naturschutz aufrufen.

Zwei Jahre nach Lokis Tod stellte Schmidt mit Ruth Loah die neue Frau an seiner Seite vor. Die beiden seien seit vielen Jahre Vertraute gewesen, so dass ihre Beziehung eine „selbstverständliche Entwicklung“ gewesen sei. Ruth Loah starb am 23. Februar 2017, rund 15 Monate nachdem Helmut Schmidt selbst aus dem Leben geschieden war. Der Altkanzler erlag am 10. November 2015 den Folgen einer Infektion. Ihm zu Ehren wurde in der Hamburger Hauptkirche Sankt Michaelis ein Staatsakt mit 1800 Gästen veranstaltet, bei dem bedeutende Politiker wie Angela Merkel, Olaf Scholz und Henry Kissinger Trauerreden hielten. Helmut Schmidt wurde neben seiner Frau Loki auf dem Friedhof Ohlsdorf begraben.

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