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Macbeth - Der Königsmörder – Kritik

Vor Kurosawa und Polanski adaptierte bereits Orson Welles Shakespeares meisterhafte Tragödie. Eine hochoriginelle Literaturverfilmung, die einmal mehr den Genius des großen Filmmagiers belegt.

Macbeth

Orson Welles war ein Diamant, den die Mühlen der Filmindustrie nicht kleinkriegen konnten. Mit Sicherheit schlugen sie ihm einige Ecken und Kanten, seine Strahlkraft vermochten sie indes nicht zu brechen. Mehr noch als sein Citizen Kane (1941) – bei dem Hollywood ihm jegliche Unterstützung und einen nie wieder gesehenen Freiraum bot – zeugt vielleicht ein „kleinerer“ und in seinem Gesamtwerk unbedeutenderer Film wie Macbeth (1948) von der künstlerischen Schaffens- und Willenskraft Welles´. Denn nach einigen finanziellen Miseren musste das einst von allen umgarnte Wunderkind nun kleinere Brötchen backen und unter spartanischen Produktionsbedingungen arbeiten. Keinesfalls aber war es in dieser brenzligen Situation für Welles diskutabel, massenkompatibel zu arbeiten, um sich auf einen grünen Zweig zu retten. Im Gegenteil: Sein Macbeth strotzt vor mutiger Experimentierfreude und besitzt einen unverhohlenen aristokratischen Gestus.

Welles drehte den Film für Republic Pictures, ein kleines Hollywoodstudio, das für seine B-Western mit Roy Rogers und Gene Autry bekannt war. Das Budget war mit 870.000 Dollar so knapp bemessen, dass der Regisseur aus einem Fundus abstruser Kostüme schöpfen oder vorhandene Kulissen wie ein altes Salzbergwerk nutzen musste. Die Drehzeit von 23 Tagen konnte Welles nur einhalten, weil er Shakespeares Stück bereits mehrfach am Theater inszeniert hatte. 1947 führte er Macbeth beim Utah Shakespeare Festival auf und übertrug seine Inszenierung samt Ensemble in den 1948 gedrehten Film. Die äußeren Umstände waren also alles andere als günstig, und somit konnte und wollte Welles vermutlich auch keine glamouröse Hochglanz-Version à la Laurence Olivier liefern, der im gleichen Jahr Hamlet auf die Leinwand brachte. Welles´ Werk ist roh, kantig und respektlos gegenüber traditionellen Shakespeare-Darstellungen.

Macbeth

Ohne sich pedantisch Wort für Wort an die Vorlage zu halten, erzählt Welles die Tragödie von Macbeth (Orson Welles), dem schottischen Feldherrn, der, angestachelt von der Prophezeiung dreier Hexen und dem Ansporn seiner Frau (Jeanette Nolan), durch Meuchelmord zum König wird. Welles kürzt den Originaltext um zwei Drittel und setzt ihn in ausdrucksstarken, expressiven Bildern um, so dass sich ein „violently sketched charcoal drawing of a great play“ ergibt, wie der Regisseur einmal selbst treffend formulierte. Seine zusammengeraffte, grob skizzierte Version von Macbeth ist von wilder Unbändigkeit geprägt, die dem rauen Klima des Stückes entspricht.

Trotz einer ungemein visuellen Kraft und Dynamik ersticken die Bilder niemals die Poesie der Shakespeareschen Sprache. Welles gibt ihr Luft zum Atmen. Alle Bildinformationen sind auf das Wesentliche reduziert, weit entfernt vom rein Pittoresken oder Realistisch-Repräsentierenden. Welles konstruiert damit einen filmischen Raum, der sich durch seine Kargheit den Gegebenheiten der elisabethanischen Freilichtbühne annähert, die ohne Kulissen und mit wenigen Requisiten auskam. Denn es war die Bildhaftigkeit der Shakespeareschen Sprache, die auf einer neutralen, fast leeren Spielebene „Wortkulissen“ und alle anderen nur erdenkbaren Dinge vor dem geistigen Auge des Publikums erschaffen konnte. Wenn Welles also seine Bilder in einem Ausmaß abstrahiert, wie man es aus den übrigen seiner Filme kaum gewohnt ist, drückt sich damit ein demütiger Respekt vor und ein Wissen um die Kraft der visuellen Poesie Shakespeares aus.

Macbeth

„Fair is foul and foul is fair“ lautet das berühmte Leitthema bei Shakespeare, das die Unwägbarkeit menschlicher Werte zum Ausdruck bringt. Die Welt scheint undurchdringbar – bei Welles schon rein visuell: alles ist nebel- oder schattenverhangen, so dass man als Zuschauer seine räumliche Orientierung ebenso schnell verliert wie das dramatische Personal seine moralische. Mehr noch als Shakespeare rückt Welles das Faule, Garstige und Schlechte ins Rampenlicht wenn er das Stück in ein prähistorisch wirkendes Ambiente verlegt, das einzig von primitiven Trieben durchwirkt scheint. Wild gestikulierend stapft Macbeth durch höhlenartige Pappkarton-Kulissen, die stets in ein kontrastreiches Hell-Dunkel getaucht sind – ein Setting, wie man es eher in einem expressionistischen Horrorfilm denn in einer Shakespeare-Adaption erwartet. Hohe Kunst meets Populärkultur. Eine Strategie, die die ursprüngliche Unterhaltungsintention und Volksnähe der Shakespeareschen Dramen reflektiert.

Und wie im Horrorgenre findet man auch in Welles´ Macbeth die inneren Konflikte des Menschen in physische Manifestationen überführt. Das surreale Setting wird zur Traum- und Seelenlandschaft eines Menschen, in dem der Kampf zwischen seinem Willen zur Macht und dem Bedürfnis nach einer einschränkenden Ordnung tobt. Die Gespaltenheit des Subjekts nimmt Form an. Am deutlichsten wohl in der Licht-Dunkelheit-Metaphorik, die den Film dominiert. Jede Einstellung scheint so sehr vom Geiste der Titelfigur durchtränkt, dass sich ein beinah solipsistisches Gesamtbild ergibt bei dem Macbeths Ich und dessen Gedankenwelt zum alles bestimmenden Zentrum werden.

Macbeth

Welles strebt danach, alles konkret Politische und Historische aus Shakespeares Drama zu eliminieren. Dennoch generiert der Film unterschwellig eine grobe, sehr eigene politische Vision. Indem er seine Konzentration so ausschließlich auf die Figur Macbeths legt und alle anderen Interessen dieser unterordnet, wandelt er das Drama auch in eine Erkundung von Diktatur und Personenkult. Wenn die tyrannische Titelfigur immer wieder von erhöhten Standpunkten auf ihre Untergebenen herabblickt - im Vordergrund das überdimensionale gekrönte Haupt, welches die Vasallen im Hintergrund überragt – fühlt man sich unweigerlich an Leni Riefenstahls heroisierende Inszenierungen Hitlers erinnert. Welles allerdings zeichnet den Diktator nicht als Helden, sondern als Wahnsinnigen, der die Bodenhaftung verliert und an der eigenen Megalomanie zugrundegeht. Sein Film lässt sich somit auch als Reaktion auf die politischen Ereignisse der 1930er und -40er Jahre verstehen.

Es ist schon hochspannend zu beobachten, wie Welles bei seinem Macbeth den Mangel produktionstechnischer Mittel durch Ideenreichtum kompensiert. Radikal minimalistisch ist er. Avantgarde in Hollywood. Und das in einem Studio, das auf drittklassige Cowboyfilme abonniert war.

 

Auf Drängen des Studios musste Welles seinen Film um ca. 20 Minuten kürzen. Die Arthaus Premium Edition – DVD enthält zwei restaurierte Versionen des Klassikers und Bonusmaterial. Ein Booklet rundet die Edition ab.

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Kommentare


Robert

ich hab den Film in den 90ern im Rahmen der Welles Woche im Kino gesehen. einfach genial!






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