„Das goldene Ufer“ (ZDF) erz�hlt eine Liebesgeschichte vor dem politischen Hintergrund des deutschen Vorm�rzes. Miriam Stein spielt eine Magd, die aufbegehrt und den gro�en Traum von Amerika tr�umt, Volker Bruch verk�rpert einen Knecht, dem gesellschaftlicher Aufstieg bevorsteht. Soziale Ungleichheit, individueller Freiheitsdrang, schlie�lich die Liebe sind die Triebkr�fte der Geschichte. Intelligent reduziert die Handlung, sinntr�chtig die Inszenierung (mit einer oftmals entfesselten Kamera), zwei ausdrucksstarke Hauptdarsteller, denen man ihre Charaktere gern abnimmt – und ganz am Ende wird's melodramatisch.
Foto: ZDF / Martin SpeldaGehen oder Bleiben? Sicherheitsdenken oder Freiheitsdrang? Magd (Miriam Stein) und Knecht (Volker Bruch) in der stark komprimierten Iny-Lorentz-Verfilmung
Aufstieg des Mannes, Aufstand der Frau
1825 im K�nigreich Hannover. Gisela und Walther arbeiten auf dem Gut der Grafenfamilie von Rennitz als Magd und Knecht. W�hrend sie wegen ihres losen Mundwerks von der Gr�fin in die Dienstboten- und Gesindeetage im Keller, verbannt wird, hat der Graf mit ihm, dem Burschen seines Sohnes Diebold, Gro�es vor. Walther k�nnte der neue Verwalter werden, sollte ihm auf der Holzmesse in G�ttingen ein Vertragsabschluss gelingen, der die Existenz der m�chtig verschuldeten Adelsfamilie von Rennitz’ sichern w�rde. Schon f�r die Freundschaft der beiden, die vor zehn Jahren als Waisenkinder auf das Gut kamen, sind das keine guten Voraussetzungen, f�r die Gef�hle, die die beiden f�reinander empfinden, ist die Lage geradezu aussichtslos. Gesellschaftlicher Aufstieg & sozialer Aufstand, die Anpassung an die herrschenden Verh�ltnisse & der Glaube an Selbstbestimmung schlie�en sich aus.
„Das goldene Ufer“ ist eine Produktion der TV60Film / Sven Burgemeister mit Andreas Bareiss Pictures. Der Film erscheint am 10.4. auf DVD & Blu-ray
„Gisela k�mpft f�r etwas, merkt aber, dass es ohne Walther keinen Sinn macht. Er will keine Revolution, aber wenn sie nicht da ist, macht es auch f�r ihn keinen Sinn.“ (Hauptdarstellerin Miriam Stein)
Foto: ZDF / Martin SpeldaBereits in der Eingangssequenz macht die Kamera das Oben und Unten deutlich. Auch sonst besticht "Das goldene Ufer", ein Melodram im besten Sinne, durch seine visuelle Semantik. Ulrike Folkerts als Gutsherrin & Miriam Stein als Gisela
Oben und Unten, Gehen oder Bleiben
„Das goldene Ufer“ erz�hlt eine historische Liebesgeschichte vor dem politischen Hintergrund des deutschen Vorm�rzes. Der privilegierte Adel ist in seinen Grundfesten schwer ersch�ttert und muss sich etwas einfallen lassen, um auch �konomisch zu �berleben. Im Falle der Familie von Rennitz soll die Hochzeit des jungen Grafen Diebold den Fortbestand des Hauses sichern. Auf der anderen Seite stehen die Studenten als Wortf�hrer der Aufkl�rung, die eine andere Gesellschaft erzwingen wollen. Auch die Heldin will das Oben und Unten nicht l�nger als gottgegeben hinnehmen – und sie ergreift Partei f�r einen Mann, der gehenkt werden soll, weil er einen Laib Brot gestohlen hat. Sie tr�umt von Amerika, dem Land der vermeintlich unbegrenzten M�glichkeiten, in dem der Lebensweg nicht allein durch den Geburtsstand festgelegt sein soll. Gehen oder Bleiben? Diese Frage der beiden Protagonisten steht rund 90 (der 105) Filmminuten lang im Raum. Wer den dickleibigen Roman von Iny Lorentz („Die Wanderhure“) kennt, der kennt auch die Antwort: „Das goldene Ufer“ ist eine ausladende Auswanderersaga. Der Film indes konzentriert sich klug auf den Flucht-Impuls der Heldin.
„Die Herauforderung bestand darin, die ausschweifende Handlung so zu verdichten, dass wir mit den Figuren auf engstem Raum leben, sie verstehen und uns angezogen f�hlen.“ (Produzent Andreas Barreis)
Foto: ZDF / Martin SpeldaMit zwei Schauspielern wie Volker Bruch und Miriam Stein braucht die klug auf den Freiheitsgedanken und die romantische Liebe konzentrierte Geschichte au�er einer Intrige & einem melodramatischen Schlussakkord keine verw�ssernden Subplots.
Melodram: Freiheitsdrang = Bewegungsdrang
Ein gesellschaftspolitisches Drama �ber die Jahre vor der M�rzrevolution von 1948 sollte man als Zuschauer am Sonntag im ZDF wohl weniger erwarten. Der ZDF-Fernsehfilm von Christoph Schrewe („Borgia“) ist denn auch als ein klassisches Melodram konzipiert. Neben der gesellschaftlichen Ungleichheit und dem daraus resultierenden Freiheitsdrang wird mehr und mehr die Liebe das treibende Moment der Geschichte. Genretypisch ist es die Frau, die die Handlung vorantreibt. Geradezu symbolhaft wird der (auch idealistische) Bewegungsdrang der Heldin versinnbildlicht, die st�ndig – aufgescheucht von der sozialen Ungerechtigkeit – die engen Flure des Gesinde-Areals durcheilt. Generell bringen Schrewe und Kameramann Mathias Neumann reichlich Bewegung ins Spiel und beleben somit die Innenraumszenen, in denen es allenfalls, wenn die hohen Herrschaften zu Tische oder hoch zu Rosse parlieren, die Szenerie ein wenig nach Verkleidung m�ffelt. Aber auch die Ausstattung, die sich nicht �bertrieben in den Vordergrund schiebt, d�mpft den Eindruck von ausgestellter Geschichte. Entscheidend daf�r ist unter anderem die Reduzierung des Lichts, die inspiriert wurde von den realen Beleuchtungsverh�ltnissen – dem Kerzenschein – jener Jahre und sp�testens seit dem Grimme-Preis f�r „Die Hebamme – Auf Leben und Tod“ im historischen Fernsehen angekommen ist. Besonders sinnlich wird es, wenn die Kamera hinabsteigt ins „Unten“ oder sich aufmacht ins wilde „Drau�en“: dann wird der Aufbruch der Heldin sp�rbar.
Foto: ZDF / Martin SpeldaNur weil man die Herren Sittler & Mendl kennt, sehen sie ein wenig verkleidet aus.
„Der Film sollte aussehen wie aus einer anderen Zeit, wie von einem Maler gemalt. Also haben wir, der Kameramann und die Ausstatterin, uns bei den Bildern um Patina bem�ht.“ (Regisseur Christoph Schrewe)
Foto: ZDF / Martin Spelda"Das goldene Ufer" r�ckt f�r Gisela (Miriam Stein) & Walther (V�lker Bruch) n�her.
Wenn Gesichter sprechen k�nnen…
Miriam Stein und Volker Bruch, seit „Unsere M�tter, unsere V�ter“ auch privat ein Paar, spielen Gisela und Walther. Er verk�rpert die Vernunft, sie ist der Inbegriff weiblicher Impulsivit�t. Beiden glaubt man ihre Geschichte gern – und mit beiden fiebert man mit in Richtung auf „das goldene Ufer“ hin, das sie zu erreichen hoffen. Das hat nicht nur etwas mit der Sympathie zu tun, die die zwei Jungstars in Verbindung mit ihren Rollen (Bruch kann wie in „Die Pilgerin“ durchaus auch den Antagonisten) im Betrachter ausl�sen – es hat auch etwas mit der Klarheit und der sinnlichen Sinnhaftigkeit ihrer Darstellung zu tun. Zweifel und Nachdenklichkeit in Bruchs Mimik werden konterkariert von der handlungstreibenden Physiognomie Miriam Steins: In diesem Gesicht passiert st�ndig etwas – da sind Begeisterung, Enthusiasmus, Aufbruch sp�rbar, da steckt Bewegung in jeder Geste. Wer solche Schauspieler hat, die einen einzigen Grundkonflikt und ein einziges Handlungsmotiv (endlich raus aus der Willk�rherrschaft!) zu tragen imstande sind, der braucht keine Vielzahl an verw�ssernden Nebenplots und der verkraftet sogar eine wohlfeile Intrige (die allerdings vielschichtiger aufgel�st wird als zun�chst erwartet) und einen Showdown, der mit so ziemlich allen Effekten zwischen theatraler Melodramatik und Western-Codes daherkommt.� Und ein leichtes Augenzwinkern gibt’s sogar noch obendrauf. (Text-Stand: 9.3.2015)
Foto: ZDF / Martin SpeldaDer Freiheitsdrang wird zum Bewegungsdrang (der sich mitunter auch in den Gesichtern spiegelt). Und so scheint der gro�e Traum des Paares wahr zu werden.
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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