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Kultur "Die Möglichkeit einer Insel"

Houellebecq scheitert mit seiner Verfilmung

Michel Houellebecq / Foto 2002 - - Michel Houellebecq / Foto 2002 - -
Quelle: akg
Ausweitung der Flop-Zone: Bestseller-Autor Michel Houellebecq ist für sein Film-Debüt in Frankreich komplett verissen worden. Die Kino-Version seines Bestsellers "Die Möglichkeit einer Insel" hat leider wenig Ironie. Und von der Handlung des Romans bleibt nur eine einzige Geschichte übrig.

Selten waren sich Kritiker so einig wie im Urteil über Michel Houellebecqs ersten Film, der jetzt in den französischen Kinos anläuft: „Die Möglichkeit einer Insel“ wurde mit Überschriften wie „Die Unmöglichkeit eines Films“ („Le Monde“), „Die Möglichkeit des totalen Flops“ („Libération“), „Die Gewissheit eines Fiaskos“ („Les Echos“) oder mit „Ausweitung der Flop-Zone“ („Figaro“) begrüßt.

Schon seit der Voraufführung am Rande des Filmfestivals in Locarno ging Houellebecqs Filmbearbeitung seines 2005 erschienenen, gleichnamigen Romans ein katastrophaler Ruf voraus. Tatsächlich hat er vor allem als Drehbuchautor „Die Möglichkeit einer Insel“ ziemlich in den Sand gesetzt. Was bestehen kann, sind die endzeitlichen, an Tarkowsky oder die Eingangssequenz zu Wenders „Stand der Dinge“ erinnernden Bilder von schwarzen Wüsten und giftig gelben Bächen, von Betonruinen und spektakulären Kratern, die Houellebecq in aufgelassenen Eisenminen Südspaniens und in der Vulkanlandschaft Lanzarotes drehte.

Von der Handlung seines Romans bleibt nur eine einzige Geschichte übrig, die als Rückblende aus einer Zukunft nach dem Ende der Menschheit erzählt wird. Sie beginnt mit dem Auftritt des weiß gewandeten „Propheten“ (Patrick Bauchau, einst Hauptrolle in „Stand der Dinge“), der den Zuhörern irgendwo in einer wallonischen Lagerhalle „das ewige Leben für alle“ verspricht, während sein Sohn Daniel1 (Benoît Magimel, Star des Films) im Hintergrund Kreuzworträtsel löst.

Houellebecq spielt selbst mit

Im spärlichen Publikum aus müden Bauerngesichtern und Pennern sitzt auch Houellebecq selbst, unverkennbar in roter Trainingsanzugsjacke und mit Plastiktüte. Gelangweilt zündet er sich während des Vortrags eine Zigarette an, bis es ihm jemand verbietet. Ein kleines Selbstporträt des Künstlers als flegelhafter Zuschauer: Wie ernst Houellebecq sich selbst und seine Statements nimmt, das wird man nie erfahren.

Von dieser und wenigen anderen Szenen abgesehen ist nun leider im Film nicht viel übrig geblieben von Houellebecqs Ironie, von seinem peinlichen, in allen heimlichen Wunden des Lesers bohrenden Humor, von seinen unangenehmen Gesellschaftssatiren. Stattdessen setzt sich sein Hang zum Sentimentalen durch, der auch schon an den schlechtesten Seiten seiner Bücher schuld ist.

Bedeutende Propheten-Sätze wie: „Religion beruht darauf, an etwas zu glauben, das über der Menschheit steht“, hätte der Romancier Houellebecq wohl nicht im Ernst geschrieben. In Interviews erklärt Houellebecq, er habe das Drehbuch mehrfach geändert. Unter anderem, weil dem am Ende auftauchenden Hund der gewünschte Ausdruck nicht beizubringen war. Aufgrund dieser Erfahrung kommt der Tierfreund im Gespräch mit seinem Schriftstellerkollegen Frédéric Beigbeder dann leider vorschnell zu dem Schluss, Ironie sei im Kino eben nicht zu schaffen.

Der Guru ist hier sympathisch

Der – anderes als im Roman eher sympathische – Guru zieht sich nach der Versammlung in dem Lieferwagen um, mit dem die Truppe durch die Welt tingelt. Auf geht’s nach Charleroi. Drei Jahre trifft später man sie in einem luxuriösen Bungalow wieder, wo ein verrückter Professor inzwischen versucht, „das ewige Leben“ machbar zu machen. Durch Klonen soll in nur zehn Minuten ein alter Mensch in einem jungen wiedererstehen.

„Altern“, sagt einer, „ist nur ein technischen Problem“. Allerdings ein schmerzliches, wie Houellebecq auch in seinen Büchern nicht müde wird zu zeigen: Zu den komischeren Szenen dieses traurigen Films gehört der Wettbewerb um den Titel Miss Bikini, bei dem sich 15-jährige Lolitas vor einem Publikum libidinöser Rentner in irgendeinem All-inclusive-Hotel produzieren. Das ist im Übrigen auch die erotischste Szene in dem Film Houellebecqs, als dessen Kompass bisher der Sex galt.

Am anderen Ende der Urlaubs-Insel hat sich die inzwischen auf weltweit 80.000 Anhänger angewachsene Sekte in einer Höhlensiedlung niedergelassen. Zahllose Katastrophen und 25 Klon-Generationen weiter haust dort Daniel25, ein Neo-Mensch und Klon von Daniel1 – inzwischen Houellebecq ähnlicher ist als dem gutaussehenden Original Magimel -, der durch das Tagebuch seines Ahnen in E-Book-Technologie blättert.

Daniel25 zieht durch die Wüste

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Dann verlässt Daniel25 die Höhle auf der unbestimmten Suche nach Marie. Er zieht durch eine verwüstete Landschaft, in die an einem anderen Ende der Welt auch Marie aufgebrochen ist. „Ich war noch nie so dicht daran zu lieben“, sagt Daniel25. Aber da ist der Film zum Glück aus. Die drohende „Insel des Gefühls auf einer toten Erde“ bleibt dem Zuschauer erspart.

Houellebecqs Liebe zum Film – bevor er zum Schreiben kam, besuchte er eine Film- und Fotohochschule – bleibt unerwidert. Der Regisseur, der seine Romane ins Kino bringen kann, wird noch gesucht: Philippe Harels Verfilmung von „Ausweitung der Kampfzone“ 1999 war ein Achtungserfolg. Aber „Elementarteilchen“ in der Regie von Oskar Roehler wurde trotz Starbesetzung schnell vergessen. Houellebecq hat es geahnt: Im Pressetext zu seinem Film schrieb er vor Monaten, er werde „aufrichtig gehasst“ von Frankreichs Kulturmilieu.

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