Gerade einmal knapp vier Monate – länger war dem 20. US-Präsidenten nicht vergönnt, sein Amt auszufüllen. Am 2. Juli 1881 verließ James A. Garfield das Weiße Haus in Washington D. C., um in der Baltimore and Potomac Station einen Zug zu besteigen. Er war in Gesellschaft seines Außenministers James Blaine, weiterer Mitarbeiter und einiger Sicherheitsbeamter – seit dem Mord an Abraham Lincoln 1865 begleiteten den US-Präsident in der Öffentlichkeit stets ausgewählte Polizisten.
Doch allzu ernst nahmen sie ihre Aufgabe nicht. Denn ein gewisser Charles J. Guiteau, ein 39-jähriger Anwalt aus Chicago, konnte sich ungehindert dem Staatsoberhaupt der USA von hinten bis auf wenige Meter nähern, eine Waffe ziehen und auf Garfield schießen. Ja, er konnte sogar, nachdem der erste Schuss vorbeigegangen war, noch ein zweites Mal feuern.
Diese zweite Kugel traf den Präsidenten in den Rücken und verletzte ihn schwer. Tödlich allerdings war nicht die Kugel, sondern eine Blutvergiftung, die Garfield sich vermutlich bei der Erstversorgung durch Ärzte im Weißen Haus zuzog. Qualvoll siechte der Präsident zehn Wochen lang dahin; als er am 19. September 1881 starb, hatte er gerade den 199. Tag seiner Präsidentschaft hinter sich. Doch faktisch amtierte schon längst Vizepräsident Chester A. Arthur als Präsident.
Garfield war der zweite US-Präsident, der einem Attentat zum Opfer fiel. Geboren am 19. November 1831 im damaligen Nirgendwo in Ohio, wuchs er als Halbwaise (sein Vater war gestorben, als der Junge 18 Monate alt war) in einfachen, zeitweise ärmlichen Verhältnissen auf.
Bildung erwarb er sich am christlich geprägten späteren Hiram College, an dem er auch später als Lehrer und Direktor wirkte; außerdem betätigte er sich als Prediger, wobei ihm sein großes Talent als Rhetoriker half. Auf regionaler Ebene begann er zudem eine politische Karriere für die junge Republikanische Partei und wollte 1861, nach der Sezession der Südstaaten, eigentlich in die Armee der Nordstaaten eintreten, obwohl er keine militärische Ausbildung hatte.
Zunächst baute er auf Wunsch des damaligen Gouverneurs von Ohio die dortige Freiwilligenarmee auf, übernahm dann das Kommando und stieg rasch zum Brigadegeneral auf. 1863 wechselte er zurück in die Politik und zog ins Repräsentantenhaus in Washington ein, wo er sich als Finanzfachmann einen Namen machte. Seit 1876 war er Fraktionschef der Republikaner und damit einer der vier einflussreichsten Parlamentarier.
Offensichtlich müde des alle zwei Jahre anstehenden Wahlkampfes, strebte Garfield einen Sitz im Senat in Washington an. Doch bevor er dieses Mandat übernehmen konnte, nominierte ihn seine Partei überraschend als Präsidentschaftskandidaten; der 19. Präsident Rutherford B. Hayes hatte wegen Zweifeln an der Legitimität seiner Wahl 1876 auf eine erneute Kandidatur verzichtet.
Garfield schrieb die Überwindung der Korruption im öffentlichen Dienst und in der eigenen Partei auf seine Fahnen – und bekam doch einen Vertreter des alten Systems, den Chef des New Yorker Zolls Chester A. Arthur, als „running mate“, als Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten, zur Seite gestellt.
Mit einem hauchdünnen Vorsprung bei den Wählerstimmen (beide erreichten 4,4 Millionen Stimmen, doch auf Garfield entfielen 1898 Stimmen mehr als auf seinen demokratischen Konkurrenten Winfield S. Hancock) und einem komfortablem Plus bei den wichtigeren Wahlmännern siegte das ungleiche Duo. Viel umsetzen konnte Garfield nicht mehr, bevor ihn die Kugel von Charles J. Guiteau traf.
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Warum hatte der Attentäter geschossen? Er war eigentlich ein Anhänger und Unterstützer des Kandidaten Garfield gewesen, doch in der Überzeugung, dafür mit einem Posten als Botschafter in Österreich oder als Konsul in Paris belohnt zu werden. Nach dem Sieg der Republikaner wurden Guiteaus Eingaben an den Stab des künftigen Präsidenten und nach dessen Amtseinführung am 5. März 1881 direkt ans Weiße Haus freundlich abgewiesen oder ganz ignoriert.
Das war nicht weiter erstaunlich, hatte das neue Staatsoberhaupt doch gerade das Ende des „Beutesystems“ als Grundprinzip des öffentlichen Dienstes in den USA und im Ausland auf seine Fahnen geschrieben. Doch Guiteau wandelte sich vom Anhänger zum fanatischen Gegner Garfields. Er fühlte sich persönlich verletzt und verraten; in seiner Vorstellung gab es dafür nur eine denkbare Strafe: den Tod. Vor Gericht gab Guiteau später an, einen entsprechenden „Auftrag Gottes“ empfangen zu haben. Er wurde trotz amtlich festgestellter Geisteskrankheit zum Tode verurteilt und am 30. Juni 1882 gehenkt.
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