Am höchsten bewertete kritische Rezension
1,0 von 5 SternenStarke Promotion für einen inquisitorischen Priester in den vielfältigen realen Krisenzeiten der katholischen Kirche
Kundenrezension aus Deutschland 🇩🇪 am 13. Mai 2010
In deutlichen Krisenzeiten in der katholischen Kirche fällt die Sendereihe "Ihr Auftrag, Pater Castell" besonders auf. Die faktischen Probleme, mit denen die katholische Kirche zu kämpfen hat, waren im Jahr 2009 die Williamson-Affäre und im Jahr 2010 die sich immer weiter ausbreitende Aufdeckung von Mißbrauchsfällen. Ebenso schwehlen Ermittlungen des italienischen Staates gegen die Vatikanbank IOR und die Unicredit Group, zu der auch die HypoVereinsbank gehört, im Hintergrund. Aus den zurückliegenden zwanzig Jahren ist die Ermordung des Bankiers Roberto Calvi bisher unaufgeklärt sowie die Entführung von Emanuela Orlandi. Dies sind lediglich die bisher durch die Zeitungsmedien transportierten "Fälle".
Nun startet heute die dritte Staffel der Sendereihe um Pater Castell. Heute, am Himmelfahrtstag 2010, ist der Tag, an dem Papst Benedikt XVI. in Fatima der Seligsprechung zweier Kinder gedenkt, die vor 93 Jahren eine Marienerscheinung hatten. In einer dieser Erscheinungen soll das Attentat auf Papst Johannes Paul II. am 13. Mai 1981 vorausgesagt worden sein das war heute vor 19 Jahren. Und heute ist der zweite Tag des Zweiten Ökumenischen Kirchentages im München mit vielen hundert Veranstaltungen, in denen darüber nachgesonnen und diskutiert wird, was Christsein in allen christlichen Konfessionen in der Realität bedeutet und wie man mit aktuellen Problemen sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft umgehen kann. In diesen Krisenzeiten, in denen nach einer drohenden Wirtschaftskrise im Jahr 2008 und massiven Problemen im Euro-Raum durch das insolvente Griechenland, viele Menschen nach Orientierung suchen, wird mit der Sendereihe "Pater Castell" eine Fiktion propagiert, die mit einer Mischung von realen Geschichten und erfundenen Anekdoten nur eine Aussage zum Ziel hat: Pater Castell setzt sich für die Aufklärung von Verbrechen im Raum der katholischen Kirche ein und arbeitet selbstverständlich reibungslos und untergeordnet mit staatlichen Ermittlungsbehörden zusammen. Damit in Zeiten der "Schmuddelgeschichten" in der katholischen Kirche Glanz und Gloria nicht verloren gehen, wird als Protagonist nicht etwa ein alter, hinkender, verschrobener Vatikandiener aufgebaut, sondern eine Anleihe beim nach Ansicht verschiedener Medien bestaussehendsten Priester, den die katholische Kirche in den Mauern des Vatikans zu bieten hat, genommen. Wie bereits zu Beginn der ersten Staffel der Korrespondent der Bildzeitung Andreas Englisch in der damaligen Serie "Kerner" im ZDF mitteilte, soll die Serie sogar vom Privatsekretär des Papstes Prälat Dr. Georg Gänswein persönlich inauguriert worden sein. Somit gewinnen die Spekulationen über Fiktion und Realitätsgehalt der einzelnen Sendungen zusätzlich an Boden. Mir erscheint dieses Schillern insofern unseriös, als immer wieder Passagen in die Filme eingebaut wurden, die suggerieren sollen, dass es sich tatsächlich um Originalschauplatze, Originalgeschichten und um die Originalpersonen handelt. Wie sonst ist eine Diskussion darüber zu verstehen, ob und inwieweit der Schauspieler Francis Fulton-Smith seinem vermeintlichen Vorbild Georg Gänswein gleicht. Francis Fulton-Smith hat in einigen kürzlich gezeigten Serien gezeigt, dass er sein eigenes Profil als Schauspieler hat und dass er männliche Rollen durchaus charmant und einfühlsam spielt. Genau diese Rollenseite wird in der Serie "Ihr Auftrag, Pater Castell" dem Priester unterlegt, der ja aufgrund seines Versprechens an das Zölibat gebunden ist. Die Filme dieser Reihe strotzen immer wieder von antaxierten Anspielungen an die Männlichkeit des Priesters, vorzugsweise von seiner Partnerin Marie Blank vorgetragen. Dass es auch ganz anders geht, dass eine Filmfigur, die einen Habit trägt, auch konsequent ihrem Gelöbnis entsprechend leben kann, hat die letzte Staffel von "Um Himmels Willen", die vor zwei Tagen wieder einmal - und hoffentlich nicht zum letzen Mal - beendet wurde, gezeigt. Auch hier steht eine religiös verankerte Nonne als Schwester Hanna einem lokalen "Haudegen" wie Bürgermeister Wöller gegenüber. Beide sehen sich sehr häufig in den Serien, beide sehen sich sehr häufig tief in die Augen in den Serien. Aber bei keiner einzigen Szene hatte man den Eindruck als Zuschauer, dass einem hier eine tiefere Leidenschaft signalisiert werden soll, als wie sie einem religiösen Gelöbnis angemessen wäre. Wieso bringen dies die Staffeln von "Ihr Auftrag, Pater Castell" nicht ebenso fertig?
Begleitet wird die Fernsehserien von einer gigantisch aufgebauten Homepage, auf der man schon bei der ersten Serie die einzelnen Filme nachspielen konnte und auf der man beispielsweise üben konnte, genauso schnell zu schießen wie Pater Castell reagieren würde. Solche "Spielchen" im Zusammenhang mit einer Fernsehserie nennt man interaktives Fernsehen und sie sind ziemlich neu. Tatsächlich sollten damit die "Fans" nur noch intensiver an die beiden Hauptpersonen Pater Castell und Marie Blank gebunden werden. Mit Rätseln über die in den Filmen aufgedeckten Geheimnisse sollte die Neugier angespornt werden, ebenso investigativ vorzugehen wie es Pater Castell in den Filmen tat. Der Normalmensch scheitert freilich in der Bewältigung dieser Aufgaben, weil er weder das superschnelle Reaktionsvermögen noch die inquisitorische Tiefenkenntnis hat wie Pater Castell. Priester sind eben die Geheimnisverwalter, das spornt Normalos nur noch mehr an, diese Priester auf ein Podest zu stellen oder hochzuloben. Und genau dies wird mit dieser Serie getan. Die Promotion dieser Serie läuft nicht nur über das Spiel mit Fiktion und Realität, nicht nur über die Spannung von weiblicher Atheistin und männlichem Kleriker, nicht nur über die Spannung zwischen einem schönen Geistlichen und einem durchschnittlichen Zuschauer, sondern auch über die Spannung Geheimwissenträger und ahnungsloser, untrainierter, außer Gefecht gesetzter, erschlaffter Nichtskönner im Fernsehsessel. Kaum eine andere Serie lebt so sehr davon, dass die männliche Hauptperson mit den durchschnittlichen Menschen kaum etwas gemeinsam hat - außer - dass auch diese männliche Hauptperson empfänglich ist für weibliche Komplimente und Anhimmelungen. Liest man manche Rezensionen, so kommt dieser implizite Aspekt der Serie "Ihr Auftrag, Pater Castell" besonders gut herüber. Weibliche Fans verteidigen ihre schwärmerischen Emotionen gegenüber dieser Superserie, gerne auch mit vollen Punktzahlen und Hackenhieben unter dem Tisch. Fast sieht man sich erinnert an die Erfahrung, die der Autor, vormalige Ressortleiter der Welt, Auslandschef beim Focus und Vatikankorrespondent Hanspeter Oschwald in seinem Buch "Im Namen des Heiligen Vaters" auf der Seite 97 beschreibt: "Ich verzichtete darauf, zumal mich schon weibliche Fans von Gänswein mit Vorwürfen belästigt hatten, er sei doch gar kein Hardliner oder gar Betonkopf." Manche emphatische Äußerungen über die Serie "Ihr Auftrag, Pater Castell" scheinen eher der vermeintlich realen Person hinter der Rolle zu gelten. Kritik wird mit allen Mitteln niedergebügelt, Kritiker werden verfehmt, zur Seite gedrängt und ausgeschlossen, wo es nur geht. Auch das ist ein bekanntes Vorgehen in der katholischen Kirche und bei Katholiken. Damit hätte die Serie dann wahrscheinlich ihr Ziel erreicht: Katholische Fans, die gern unbesehen glauben, und zum Enthusiasmus Fähige zu mobilisieren, sich für einen agilen Priester und dessen "Aufklärungsarbeit" zu begeistern, anstatt sich den nicht in 90 Minuten lösbaren Konflikten zu widmen, die die katholische Kirche in den Jahren 2008, 2009 und 2010 umtreiben. Insofern muss eine solche Serie wie diese mit äußerster Skepsis betrachtet werden. Alle Werbemittel, sei es die völlig suggestive Homepage oder die mit viel finanziellen Mitteln gepuschten Werbungen, zu denen auch der Verkauf der DVD-Reihe gehört, müssen hinterfragt werden können, mit welcher Intention und mit welchem Ziel solche Promotion betrieben wird.