Til Schweiger

Das Leben ist eben kein Wunschkonzert.

Til Schweiger über brutale Videospiele, den Film "Far Cry", persönliche Film-Tabus und warum er sich mit Regisseur Uwe Boll solidarisiert

Til Schweiger

© Chris Helcermanas-Benge/20th Century Fox

Herr Schweiger, „Far Cry“ ist die Verfilmung des gleichnamigen Computerspiels, ein so genannter „Ego-Shooter“. Haben Sie den zur Vorbereitung auf die Dreharbeiten mal gespielt?
Schweiger: Zur Vorbereitung nicht, weil ich eine Figur spiele, die es eigentlich nicht gibt. Die „Far Cry“-Figur ist ja bei jedem Spieler, der das spielt, im Kopf, weil auf dem Bildschirm siehst du nur dessen Perspektive, über den Waffenlauf.
Ich habe das Spiel dann mal während der Dreharbeiten gespielt. Aber nicht lange, ich war auch viel zu schlecht.

Dass die Originalversion des Spiels in Deutschland indiziert wurde, hat Sie das gekümmert?
Schweiger: Das wusste ich gar nicht.

Das Spiel musste entschärft werden, aufgrund einiger zu brutaler Darstellungen.
Schweiger: Ich habe jetzt schon in mehrere Egoshooter-Spiele reingeguckt und „Far Cry“  war eigentlich… – vielleicht habe ich ja die entschärfte Fassung gespielt, das weiß ich nicht. Ich empfand es zumindest als weniger brutal als zum Beispiel „Halo“. Aber ich kenne mich auch nicht gut damit aus, weil ich kein Gamer bin.

Spielen Ihre Kinder?
Schweiger: Ja.

Und haben Sie da ein Auge drauf?
Schweiger: Meine Frau hat ein Auge da drauf. Ich habe meinen Sohn auch schon beim Egoshooter-Spielen erwischt und habe mit ihm darüber gesprochen, ich habe ihm gesagt, dass ich davon eigentlich nichts halte. Du kannst das einem 13-jährigen aber auch nicht komplett verbieten. Das ist auf dem Schulhof und überall.

Aber Befürchtungen haben Sie schon, dass es Konsequenzen haben kann bei den Menschen, die diese Spiele zu viel konsumieren?
Schweiger: Es gab in der Geschichte ein paar, wo es wohl schlechte Auswirkungen hatte. Man weiß ja auch von einigen Amokläufern, dass sie sich sehr mit solchen Spielen beschäftigt haben. Wobei man jetzt nicht sagen kann, ob die nicht auch ohne die Spiele Amok gelaufen wären. Es gibt auf der anderen Seite auch hunderte Millionen, die spielen und nichts passiert.

Wie ist das bei Action-Filmen? Glauben Sie, dass die ähnliche Konsequenzen haben können? Da gab es auch schon Fälle, die kolportiert wurden, bei „Natural Born Killers“ beispielsweise.
Schweiger: Es gab so einen Fall auch bei Scorseses „Taxi Driver“. Aber nee, ich glaube das nicht. Bei einem Film wie „Far Cry“ sehe ich keine Gefahr für die Gesellschaft. Dann schon eher bei einem Film wie „Saw“ oder „Hostel“, wo es nur darum geht, Menschen zu Tode zu foltern. Das sehe ich schon sehr viel kritischer.

Was hat Sie dazu animiert, in einem Film von Uwe Boll mitzuspielen?
Schweiger: Ich hatte Lust drauf. Uwe hat mich gefragt, ich hatte ihn vorher getroffen, mochte ihn sofort und ich hatte auch einen Film von ihm gesehen, „Postal“. Den fand ich streckenweise überragend, streckenweise auch ein bisschen over the top, aber insgesamt habe ich darin ein ganz großes Talent gesehen. Ich wusste natürlich um seinen Ruf. Witzigerweise haben auch ganz viele Freunde zu mir gesagt: „Uwe Boll, wie kannst du das machen, bist du wahnsinnig?“ Und ich fragte zurück: „Hast du denn einen Film von dem gesehen?“ Die Antwort war: „Nö.“
Boll hat halt diesen Ruf, der kommt ursprünglich aus der Game-Community und ist irgendwie rübergeschwappt in die Filmindustrie. Mittlerweile habe ich ein paar Filme von ihm gesehen, davon finde ich ein paar gelungener und ein paar weniger gelungen.

Bei „Keinohrhasen“ haben Sie selbst Regie geführt, konnten Sie sich bei diesem Film ein bisschen mit Boll ergänzen oder haben Sie sich komplett rausgehalten?
Schweiger: Ich habe schon die eine oder andere Idee beigesteuert. Einige hat er genommen, einige verworfen. Das war für mich ja auch einer der Gründe mitzumachen, dass man sich nach dieser Mehrfachbelastung auch einfach mal gehen lässt, in die Hände von jemand anders begibt, keine Verantwortung hat und jede Menge Spaß.

Uwe Boll sagte uns in einem Interview, er lehnt Tabus grundsätzlich ab. Gehen Sie da mit? Oder gibt es für Sie im Film Tabus, wo Sie sagen: „Das möchte ich nicht zeigen, das möchte ich nicht spielen“?
Schweiger: Absolut. Tabu Nummer Eins ist für mich, einen Nazi zu spielen. Wobei es genug Schauspieler gibt, die sagen, das man auch Nazis spielen muss, um zu zeigen, wie schlimm die waren und so weiter.
Tabu Nummer Zwei ist Gewalt gegen Kinder. Oder solche Foltermovies wie „Saw“. Der Uwe hat auch so einen Film gemacht, „Seed“, den konnte ich mir nur zehn Minuten angucken. Das ist einfach so unfassbar brutal, dass ich sage: „Was für ein Scheiß, was machst der denn da?“
Ein Tabu wäre für mich auch ein Film wie „Der freie Wille“ mit Jürgen Vogel, wo das Innenleben eines Vergewaltigers gezeigt wird. Das interessiert mich nicht. Also, es gibt schon einige Tabus für mich.

Aber den Nazi, wieso würden Sie den nicht spielen wollen?
Schweiger: Because I hate Nazis.

Zitiert

Tabu Nummer Eins ist für mich, einen Nazi zu spielen.

Til Schweiger

Das ist leicht gesagt, aber es gibt doch bestimmt auch andere Rollen, die Sie nicht mögen, aber trotzdem spielen.
Schweiger: Eine Rolle, die ich überhaupt nicht mag, würde ich nicht spielen.

Und in Quentin Tarantinos neuem Film…
Schweiger: Da spiele ich jemand, der Nazis jagt.

Wie sehen Sie zukünftig das Zusammenspiel von Videospielen und Filmen? Es hat ja ursprünglich damit angefangen, dass aus Filmen im Nachhinein Spiele gemacht wurden. Heute werden die Videospiele verfilmt.
Schweiger: Ich denke, das wird es weiterhin geben. Der Industrie in Hollywood fällt ja auch nicht mehr so viel ein. Deswegen gibt es eigentlich auch nur noch Sequels. Die versuchen ihr Risiko zu minimieren. Und der Gedanke dabei ist halt: „Wenn es ein erfolgreiches Spiel ist, dann machen wir einen Film draus. Erfolgreicher Marvel-Comic – da, machen wir einen Film draus.“ Weil man dann schon ein Publikum dafür hat, zumindest hoffen die da drauf.

Ist ein Computerspiel für einen Schauspieler als Grundlage überhaupt attraktiv? Ist das nicht zu einfältig?
Schweiger: Natürlich ist das einfältig. Das ganze Spiel ist einfältig, da ist keine Intelligenz drin. Wenn ich vor dem Computer sitze und irgendwelchen Leuten den Kopf wegschieße, das ist total stumpfsinnig. Im Gegensatz zum Spiel macht der Film aber irgendwo noch Spaß. Manche Leute sagen, es ist Trash. Ich persönlich finde aber, dass es wirklich witzige Szenen in dem Film gibt. Es ist ein B-Movie, der Film kann nicht konkurrieren mit Filmen wie „Three Kings“. Den Anspruch erhebt aber auch keiner. Hey, ich bin Schauspieler, ich verdiene damit mein Geld.

Also lag der Reiz für Sie eher darin, mit Uwe Boll zusammenzuarbeiten?
Schweiger: Ja, auch weil ich mir denke: Der Boll kriegt es so auf die Fresse gehauen, das ist nicht gerechtfertigt. Da mache ich mir jetzt mal mein eigenes Urteil. Und ich kann über Uwe nur das Beste sagen. Es muss ihm erstmal jemand nachmachen, wie er seinen Weg geht, wie er seine Filme macht, die ihr Geld ja auch einspielen. Sonst würde ihm ja keiner mehr Geld geben. Er finanziert seine Filme nicht über die Förderung oder irgendwelche Filmpreise, sondern aus der Privatwirtschaft heraus. Und die Privatwirtschaft investiert nur Geld in Unternehmungen, womit sie mehr Geld mit verdienen kann.
Die einfachste Möglichkeit auf der Welt, um Geld zu verlieren, ist, das Geld in einen Film zu investieren. Weil das so unwägbar ist, mit so einem hohen Risiko verbunden. Boll zieht das durch und hat Erfolg dabei. Aber es schlägt ihm so eine Welle von Hass und Antipathie entgegen, wo ich dann sage: Mit dem solidarisiere ich mich jetzt mal.

Ist Ihnen die Arbeit an einem Film wichtiger als das Resultat?
Schweiger: Nein, natürlich ist der Idealfall, dass du eine tolle Zeit hast und anschließend einen tollen Film in den Händen. Aber dann habe ich zum Beispiel „Tomb Raider 2“ gemacht, mit Angelina Jolie, mit 140 Millionen Dollar Budget – das ist in meinen Augen kein guter Film. Der ist kein bisschen besser als Far Cry. Null. Obwohl die 140 Millionen Dollar hatten. Und dann sitze ich da und denke mir: „Dafür war ich jetzt sechs Monate meines Lebens gefangen?“ Oder „King Arthur“, 130 Millionen Budget, das Drehbuch hat David Franzoni geschrieben, der hat für „Gladiator“ einen Oscar gekriegt hat – da frage ich mich bis heute, was an dem Drehbuch so toll ist.
Für die zwei Filme habe ich jeweils ein halbes Jahr meines Lebens geopfert. Jetzt mache ich „Far Cry“ und der Uwe dreht den in sechs Wochen. Das Ergebnis ist nicht der Traumidealfall, aber das Leben ist eben kein Wunschkonzert. Und, wie viele tolle Filme gibt’s denn? Es gibt tolle Filme, aber leider ist es dann so, dass dich keiner fragt, ob du mitspielen willst.

Bei welchem aktuellen Film hätten Sie denn gerne mitgespielt?
Schweiger: Da habe ich mir noch nie Gedanken drüber gemacht. Wenn ich einen tollen Film sehe, denke ich nicht: „Die Rolle von John Travolta, da wäre ich jetzt aber besser drin gewesen.“

Es klang nur gerade so, als ob Sie es bedauern würden, dass Sie nicht gefragt werden.
Schweiger: Natürlich gibt es bestimmte Filme, wo es schön gewesen wäre, wenn man mitgespielt hätte. Aber ich sitze dann nicht da und denke: „Scheiße, warum hat mich keiner gefragt?“
Ich habe ja den großen Vorteil, dass ich auch meine eigenen Filme mache. Da hole ich mir meine ganze Glückseligkeit und meinen ganzen Spaß an der Freude raus.

Sie sagten vorhin, in Hollywood gäbe es keine Ideen mehr. Woher nehmen Sie die Ideen für Ihre Filme?
Schweiger: Meine Ideen hole ich mir – wenn ich nicht stimuliert werde, durch ein Drehbuch, was jemand anders geschrieben hat, wenn ich meine eigenen Geschichten schreibe – aus meinem Leben.

Und wie wird aus den Ideen ein guter Film?
Schweiger: Das liegt an mir, wie gut es mir gelingt, einen Film zu entwickeln, den die Leute sehen wollen. Wenn du drei Filme machst, die keine Sau sehen will, dann kriegst du ganz schnell auch kein Geld mehr zusammen, um deine Filme zu machen. Da kann man nur hoffen. Denn beeinflussen kann man das nicht. Du kannst dich nicht hinsetzen und sagen: „Ich schreibe jetzt einen Hit.“
In Amerika gibt es Wissenschaftler, die versuchen über Softwares das Rezept für einen garantierten Hit zu entwickeln. Und es gibt mittlerweile sogar Studioleute, die dieses Konzept anwenden. Die sagen zu ihren Autoren: „Du brauchst so und so viel Sex, beim ersten Plot Point muss dies und jenes passieren…“

…und du brauchst prominente Schauspieler.
Schweiger: Ja, das auch. Wenn du ein durchschnittliches Buch hast, aber aus irgendwelchen Gründen Brad Pitt davon überzeugen kannst, das zu spielen, dann hast du deinen Film ruckzuck finanziert.
Und es ist nicht so, dass es in Amerika keine Ideen mehr gibt. Das Problem ist, dass wir die besten Filme, die dort gemacht werden, gar nicht mehr sehen, weil die nicht mehr ins Kino kommen. Die Studios wollen wirklich nur Formelprodukte haben, weil sonst das Risiko für sie zu hoch ist.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie eine Vorliebe für Filme haben, die Sie stimulieren, in welche Richtung auch immer. Welcher Film hat Sie in Ihrem Leben bisher am meisten stimuliert?
Schweiger: „Midnight Run“ von Martin Brest mit Robert De Niro und Charles Grodin. Das ist der perfekte Film. Das ist der Film, der mich am meisten beeinflusst hat in meinem Leben.

Wie oft gucken Sie den?
Schweiger: Ich hab den neulich gerade wieder gesehen, insgesamt bestimmt schon 50 Mal.

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