„Frau Schelewa sagt nicht die Wahrheit“ – Euractiv DE

„Frau Schelewa sagt nicht die Wahrheit“

"Das sind völlig unbegründete Beschuldigungen", so Rumjana Schelewa zum Vorwurf, ihre Beteiligung an einem Beratungsunternehmen verschwiegen zu haben. Foto: EC.

Das Kreuzverhör der designierten bulgarischen EU-Kommissarin Rumjana Schelewa sollte sich eigentlich um ihr Ressort „Internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe“ drehen. Stattdessen überschatteten die angeblichen Mafiakontakte ihres Mannes und angebliche Falschangaben die Anhörung. „Die anderen Fraktionen haben Blut gewittert“, so ein konservativer Abgeordneter.

Wegen unklarer Finanzverhältnisse und Mafiagerüchte gibt es im Europaparlament Widerstand gegen die Ernennung der Bulgarin Rumjana Schelewa (in anderer Schreibweise: Jeleva) zur EU-Kommissarin für internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe. Die konservative Politikerin (40) bestritt, in ihrem offiziellen Lebenslauf unwahre Angaben über ihre geschäftlichen Interessen gemacht zu haben. Zu "Gerüchten", wonach ihr Ehemann Mafiakontakte habe, sagte sie: "All diese Beschuldigungen gegen meinen Mann oder mich sind völlig unbegründet."

Die liberale bulgarische Europaabgeordnete Antonyia Parvanova widersprach heftig: "Frau Schelewa sagt nicht die Wahrheit." "Wir reden hier nicht über Gerüchte", sagte auch die Vorsitzende des Anhörungsausschusses, die französische Grüne Eva Joly. Das Parlament werde den juristischen Dienst der Kommission bitten, sämtliche Unterlagen über die finanziellen Verhältnisse der designierten Kommissarin zu übersenden. Die Koordinatoren der parlamentarischen Gruppen wurden beauftragt, sich über das weitere Vorgehen zu verständigen. Joly wendete mit dieser Entscheidung die aus dem Plenum vorgeschlagene sofortige Vertagung der Anhörung ab.

Die Fraktionen forderten EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso nach der Anhörung Schelewas auf, alle offenen Fragen hinsichtlich der privaten Geschäfte der designierten Kommissarin für internationale Zusammenarbeit und humanitäre Hilfe zu beantworten. Erst nach Barrosos Antwort werde das Parlament entscheiden, ob es Schelewa als Kommissarin akzeptiere. Verweigern die Abgeordneten die Zustimmung, muss Bulgarien einen neuen Kommissar nominieren. Vermutlich kann das Parlament dann nicht wie geplant am 26. Januar über die gesamte Kommission abstimmen.

Die offizielle Zusammenfassung des Parlaments finden Sie hier.

Hinweis
Die Anhörungen der designierten EU-Kommissare werden von Europarl TV live übertragen und sind als Podcast abrufbar.

Almunia will bei Landesbanken hart durchgreifen

Der designierte EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia (Spanien) sagte, die neue Kommission werde bei den angeschlagenen deutschen Landesbanken weiter hart durchgreifen. Entscheidend werde dabei sein, ob die Bank gut gewirtschaftet und investiert habe und dass die staatlichen Hilfen nicht den Wettbewerb verzerrten.

Die Vergrößerung der Europäischen Union muss nach Ansicht des designierten neuen EU-Erweiterungskommissars Stefan Füle (47) wie bisher vorangehen. Trotz Demokratiedefiziten in der Türkei sollten die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fortgesetzt werden, sagte Füle (Tschechien) bei seiner Anhörung im Europaparlament. Siehe hierzu auch den Diskussionsblog zur EU-Erweiterung: Nachbar.

Karel De Gucht hofft auf Welthandelsrunde

Die designierte Justizkommissarin Viviane Reding (Luxemburg) forderte bei ihrer Befragung scharfe Auflagen für den Einsatz von Körperscannern auf Flughäfen (Siehe hierzu EURACTIV.de vom 12. Januar 2010). Der Handelskommissar Karel De Gucht (Belgien) zeigte sich optimistisch, dass die Welthandelsrunde zur weiteren Öffnung der Märkte spätestens kommendes Jahr beendet werden könne.

Sollte das Europaparlament der Berufung Schelewas nicht zustimmen, so müsste es die gesamte Kommission unter der Leitung von Präsident José Manuel Barroso ablehnen. Die Abstimmung ist für 26. Januar geplant. Ein ablehnendes Votum könnte Barroso abzuwenden versuchen, indem er die bulgarische Regierung bittet, einen anderen Kommissar vorzuschlagen.

Geheimnisse der Rumanja Schelewa?

Mehrfach wurde Schelewa zu einem Bericht der "Financial Times Deutschland" (12. Januar 2010) befragt, wonach sie ihre Eigentümerschaft in einem Beratungsunternehmen verschwiegen habe. Laut bulgarischen Gerichtsakten und Handelsregister-Auszügen sei sie von 2006 bis 2009 Geschäftsführerin und Alleingesellschafterin des Beratungsunternehmens "Global Consult Ltd" gewesen, berichtete das Blatt. Den Anteilsbesitz habe sie dem Europaparlament – dem sie von 2007 bis 2009 angehörte – völlig verschwiegen. Auch im Lebenslauf für den Posten der EU-Kommissarin teilte sie lediglich mit, sie sei von 2001 bis 2003 und von 2006 bis 2007 "Führungskraft" des Unternehmens gewesen.

Schelewa: Beschuldigungen "völlig unbegründet"

Parvanova sagte, aus den bulgarischen Unterlagen gehe hervor, dass Schelewa nach wie vor 60 Prozent des mittlerweile umbenannten Unternehmens halte. Sie sei der Pflicht zur Offenlegung ihrer finanziellen Interessen nicht nachgekommen. "Das sind völlig unbegründete Beschuldigungen", sagte Schelewa. "Ich bin nicht Eigentümerin dieses Unternehmens." Die bulgarischen Behörden hätten ihr bescheinigt, dass ihre Angaben der Wahrheit entsprächen. "Wir haben Institutionen in Bulgarien, und die haben das alle geprüft."

Sozialdemokraten und Liberale melden ernste Bedenken an

Von den Sozialdemokraten hieß es, Schelewa habe Bedenken gegen sie nicht ausräumen können. Der liberale Abgeordnete Andrew Duff forderte, die Kommission müsse alle Fakten zu Schelewas Finanzen offen legen, ehe eine Entscheidung möglich sei. "Die Liberalen haben so ernste Zweifel an ihrer Kompetenz, dass eine Zustimmung fraglich ist." Ein konservativer Abgeordneter erklärte, die Vorwürfe hätten nichts mit ihrer fachlichen Eignung zu tun. "Aber die anderen Fraktionen haben Blut gewittert und fordern mehr Antworten." Ein anderer hochrangiger Parlamentarier sagte, die bulgarische Regierung habe bereits einen Ersatzvorschlag für den Fall, dass Schelewa abgelehnt werde.

Nun hänge alles davon ab, ob sich die Vorwürfe gegen Schewela erhärten, hieß es aus der Fraktion der Liberalen. Eine Ablehnung der gesamten Kommission sei momentan angesichts der Mehrheitsverhältnisse sehr unwahrscheinlich.

Barroso musste die Kommission bereits zum Auftakt seiner ersten Amtszeit 2004 auf Druck des Parlaments ummodeln. Die Abgeordneten hatten damals den Italiern Rocco Buttiglione als Justizkommissar abgelehnt, weil er sich abfällig über Homosexualität geäußert hatte.


Reaktionen

Grüne/EFA: Fragen nach "bisanten Details"

Ska Keller, MdEP und Mitglied im Entwicklungsausschuss:

"Frau Jeleva hat es geschafft, mit vielen Worten wenig Konkretes vorzubringen. Nach der Anhörung ist das Parlament auch nicht schlauer als zuvor, was Jelevas Pläne zur Ausgestaltung ihres Amtes angeht."

"Jeleva scheint außerdem dem Parlament und der Öffentlichkeit brisante Details ihrer geschäftlichen Tätigkeiten vorenthalten zu haben. Auszüge aus dem bulgarischen Handelsregister lassen darauf schließen, dass sie während ihrer Zeit als Abgeordnete im Europaparlament – entgegen ihrer finanziellen Erklärung – von 2007 bis 2009 Eigentümerin einer Firma war. Fragen von Mitgliedern des Ausschusses wich sie aus. Unsere Fraktion fordert hier, die Unklarheiten aufzuklären und all ihre Tätigkeiten und Interessen transparent aufzuschlüsseln."


dpa/rtr/awr

Links

EU-Parlament: Webseite zu den Anhörungen der designierten EU-Kommission

EU-Parlament: Lebenslauf von Rumiana Jeleva (Englisch)

EU-Parlament: Hearing of Rumiana Jeleva – International Cooperation, Humanitarian Aid and Crisis Response (12. Januar 2010)

EU-Parlament: Summary of hearing of Algirdas Šemeta – taxation and customs union, audit and anti-fraud (12. Januar 2010)

EU-Parlament: Summary of hearing of Joaquín Almunia – Competition (12. Januar 2010)

EU-Parlament: Summary of hearing of Karel de Gucht – Trade (12. Januar 2010)

EU-Parlament: Summary of the hearing of Catherine Ashton – Foreign Affairs (11. Januar 2010)

EU-Parlament: Summary of hearing of Olli Rehn – Economic and Monetary Affairs (11. Januar 2010)

EU-Parlament: Summary of hearing of Andris Piebalgs – Development (11. Januar 2010)" /

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