Streit ums Grab des Altzkanzlers
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Familienfehde ums Grab des Altkanzlers Kohl

Speyer / Lesedauer: 8 min

Seit 2017 ruht Altkanzler Helmut Kohl am Rande des Adenauer-Parks in Speyer. Bis heute streiten seine Söhne und Witwe Maike Richter Kohl um die Grabstelle.
Veröffentlicht:11.01.2024, 18:00

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Es ist ein Park mit Geschichte, zum Flanieren und Ausruhen. Gerade mal etwa 1,5 Hektar groß ist das Kleinod unweit des Speyerer Bahnhofs, seit 1967 heißt es Adenauerpark. Im Sommer 2017 entstand am Parkrand eine verlassene und einsam wirkende Grabstätte - für Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl. Die bis heute nicht fertig ist. Über eine schier unendliche Geschichte, um die sich Schlagzeilen und Familienfehden ranken.

Gewohnt hatte der 1930 in Ludwigshafen geborene Kohl zeitlebens im 25 Kilometer entfernten pfälzischen Oggersheim, ein Stadtteil von Ludwigshafen. Dort hätten ihn im Familiengrab auch gerne die beiden Söhne Peter und Walter beigesetzt gesehen. Doch Speyer strahlte für den einstiger CDU-Langzeitkanzler aus der Pfalz einen ganz besonderen Glanz aus. Hier empfing er Staatsgäste wie den französischen Präsidenten François Mitterrand, den letzten sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow oder US-Präsident George Bush senior. Meist als Abschluss einer Rundreise durch Kohls Heimat, die Pfalz, die im Gourmet-Restaurant im nahen 4000-Einwohner-Winzerdorf Deidesheim begann, und beim Rundgang im „Kaiserdom zu Speyer“ endete. „Pfälzische Saumagen-Diplomatie“, hieß das zuweilen.

Letzte Reise auf dem Rhein

In der Bistumsstadt Speyer endete auch Kohls allerletzte Reise, mit einem Trauergottesdienst in dem rund 1000 Jahre alten romanischen Dom, der mitunter als „die größte Kirche des Abendlandes“ bezeichnet wird. Hier legte am 1. Juli 2017 das Schiff an, auf dem der Sarg mit den sterblichen Überresten des Alt-Kanzlers anlegte. Am Vormittag des gleichen Tages war in Straßburg ein „Europäischer Staatsakt“ für Kohl angesetzt. Nach der Trauerfeier im Dom fand die Beisetzung am gleichen Abend in Speyer im engsten Bekannten- und Freundeskreis statt - im Adenauerpark.

Manchen hatte damals das Begräbnis in Speyer statt An seinem langjährigen Wohnort Ludwigshafen überrascht. Und doch scheint die letzte Ruhestätte in dem kleinen Park sinnig. Das wird der engen Beziehung zwischen Kohl und der Dom- und Bistumsstadt Speyer gerecht. Nach allem was bekannt ist, hatte der Alt-Kanzler die letzte Ruhestätte gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau geplant, ohne Einbindung der beiden leiblichen Söhne. Kohl war wiederholt gewürdigt worden als Gönner des Speyerer Doms - und liegt nun doch rund einen Kilometer entfernt davon.

Lebensthema Europa

Der Adenauerpark wurde als der ehemalige Speyerer „Alter Friedhof“ zwischen 1502 und 1881 genutzt. Zahlreiche prominente Speyerer Bürger lagen hier begraben. Heute ist es eine Ruhezone, mit Seerosenteich und altem Baumbestand. Auf dem ehemals katholischen Teil des Friedhofs früherer Jahrhunderte entstand 1953/54 die Friedenskirche St. Bernhard. Die Kirche wurde von Franzosen und Deutschen als „Symbol für Friede und Aussöhnung“ gebaut. Bei der Grundsteinlegung 1953 waren Deutschlands erster Bundeskanzler Konrad Adenauer und der frühere französische Ministerpräsident und Außenminister Robert Schumann dabei. Schumann war Vorreiter der europäischen Einigung. Diese war ein Lebensthema, auch für Helmut Kohl.

Doch immer wieder sorgt die letzte Ruhestätte des einstigen Kanzlers, Amtszeit 1982 bis 1998, für Medienrummel. Die Grabstelle misst eine Fläche von etwa acht auf zehn Meter. Anfangs war diese von einer Sperrholzplatte abgedeckt, jetzt ist sie eingefasst von Sandstein. Kohl selbst war ein stattlicher Hüne: 1,93 Meter groß, und mit der fortschreitenden Amtszeit auch von zunehmender Leibesfülle. Bis zu 170 Kilogramm soll der „schwarze Riese“ zeitweilig gewogen haben. Nach der Beisetzung Juli 2017 hatte die Witwe, Kohls zweite Ehefrau Maike Kohl-Richter, eine Umzäunung an der Grabstelle anbringen lassen - und eine Video-Kamera zur Überwachung.

Kohls Witwe lässt Grab per Videokamera überwachen

Mutmaßlich um die Grabesruhe zu wahren und mögliche Vandalen abzuhalten. Beides war der Stadt Speyer seit jeher ein Dorn im Auge. Die Video-Kamera wurde von der Stadt Ende November 2022 schließlich abgebaut. Nachdem sich Kohls Witwe auch auf Mahnungen hin nicht äußerte, wurde ihr die Kamera per Post nach Oggersheim geschickt. „Diverse Bemühungen um eine einvernehmliche Lösung sowie die konkrete Aufforderung an die Witwe, die Kamera selbst abzubauen, blieben zuletzt leider unbeantwortet, sodass die Stadt nun selbst tätig wurde“, ließ die Stadt 2022 wissen.

Seit Anfang Juli 2017 ist das Grab öffentlich zugänglich. Nachdem der frühere Bundeskanzler vor sechseinhalb Jahren im Alter von 87 Jahren starb, pilgerten anfangs Menschenmassen in den Adenauerpark. Das hat merklich nachgelassen. Vandalismus gab es bislang nicht. Die Stadt drängte lange darauf, auch den Zaun zu entfernen. 2022 hatte die amtierende Oberbürgermeisterin der Stadt Speyer, Stefanie Seiler, bei der Witwe Kohl-Richter die „zeitnahe Herstellung des finalen Grabzustandes“ angemahnt. Getan hat sich wenig.

Finale Grabgestaltung bleibt umstritten

Ein schlichtes, zeitweise von Sträuchern umwachsenes Holzkreuz mit der Inschrift „Helmut Kohl 3.4.1930 - 16.6.2017“ erinnert an den Kanzler der deutschen Einheit, links daneben steht ein eher putzig wirkendes Vogelhäuschen. Ein Grabstein fehlt bis heute. Auch am Zaun hat sich nichts mehr verändert. Seit einiger Zeit gibt es an den Zugängen zum Adenauerpark neue Schilder, die auf die Grabstelle hinweisen.

Eine Sprecherin der Stadt sagt jetzt auf Anfrage: „Die Stadtverwaltung Speyer befindet sich auf einem guten Weg, um die finale Grabgestaltung mit Frau Dr. Kohl-Richter und dem Bistum abzustimmen“. Aufs Tempo drücken will die Stadt offenbar nicht mehr. Das Finden einer einvernehmlichen Lösung habe Priorität und erfordere Geduld, „die die Stadtverwaltung gerne aufbringe“, so die Sprecherin. Die Stadt befand sich 2023 „im Dialog mit dem Anwalt von Frau Dr. Kohl-Richter“.

Spekulationen um Entscheidung gegen Familiengrab der Kohls

Als anmaßend empfand die Witwe Kohl-Richter die Kritik von Medien sowie von Bürgern, die den Ort der Begräbnisstätte und ihren seit 2017 provisorischen Zustand „als unwürdig für einen verdienten Staatsmann“ erachten. Den Umgang mit „dem Mann, der so vieles für dieses Land geleistet hat“, sei Respekt- und würdelos, ließ Kohl-Richter etwa 2019 den „Evangelischer Pressedienst“ wissen. In der Vergangenheit war in Medien viel darüber spekuliert worden, warum der Altkanzler nicht an der Seite seiner verstorbenen ersten Ehefrau Hannelore (1933 bis 2001) im Ludwigshafener Familiengrab beerdigt wurde. Hannelore hatte 2001 Suizid begangen - ihr hatte die CDU-Spendenaffäre 1999 sichtlich zugesetzt. Zudem litt sie an einer Lichtallergie.

Immer wieder gab es auch Gerüchte darüber, dass Kohl sich nach seinem Tod eine Bestattung im Speyerer Dom selbst, an der Seite der deutschen Kaiser, Könige und Bischöfe früherer Jahrhunderte gewünscht habe. Das Bistum Speyer habe einst ein entsprechendes Anliegen Kohls und seiner zweiten Ehefrau zurückgewiesen, hieß es. Im Dom liegen Könige des frühen Mittelalters und deren Nachfahren begraben, etwa Friedrich Barbarossas zweite Frau Beatrix von Burgund oder der König Rudolf von Habsburg. Dieser hatte 1276 der Stadt Ravensburg das Recht einer Freien Reichsstadt verliehen - und ist bis heute fester Bestandteil des Rutenfestumzugs.

Verhältnis zwischen Witwe und Kohl-Söhnen zerrüttet

Das Verhältnis zwischen der Witwe und den beiden leiblichen Söhnen Kohls gilt seit langem als völlig zerrüttet. Das reicht soweit, dass Helmut Kohls Sohn Walter Kohl im elterlichen Wohnhaus in Oggersheim keinen Zugang erhielt zum Leichnam des Vaters, von dem er kurz nach dem Ableben persönlich Abschied nehmen wollte. Fernsehbilder des Juni 2017 hatten eindrücklich festgehalten, wie er vergeblich an der Tür klingelte. Es wirkt zuweilen fast, als fühlten sich beide Söhne des eigenen Vaters beraubt - im öffentlich ausgelebten Psychodrama, mit Fernsehauftritten und Buchpublikationen.

Der jüngere Sohn Walter Kohl (Jahrgang 1963) hatte sich mehrfach eine Umbettung seines prominenten Vaters gewünscht. Anfang des Jahres 2022 nannte er im SWR - auch im Namen seines älteren Bruders Peter (Jahrgang 1959), „die Grabgestaltung in Speyer als unwürdig“. Ein eingezäuntes Grab mit Videoüberwachung für einen Staatsmann, dessen Wirken stets auf die Überwindung von Mauern ausgerichtet gewesen sei, hielt er für instinktlos. Er besuche die Grabstätte des Vaters zwar regelmäßig, sehe diese aber „als Fremdkörper, als einen Umdeutungsversuch historischer Tatsachen“. Die langjährige Ehefrau Hannelore dürfe „nicht einfach weggekürzt werden“ aus dem Leben von Helmut Kohl. Zudem sei es eine „Schande“, dass das Grab auch nach Jahren „einem lieblosen Provisorium“ gleiche.

Söhne nahmen an Beerdigung nicht teil

An der Beisetzung am Abend des 1. Juli 2017 nahe der Friedenskirche im Speyerer Adenauerpark nahmen die Söhne Peter und Walter Kohl nicht teil. Das war bewusst so entschieden, wie Walter Kohl in einem Interview mit der „Zeit“ bereist vorab klargestellt hatte. Er wolle den Eindruck vermeiden, er würde es gutheißen, dass sein Vater nicht im Familiengrab beerdigt werden solle, hatte Walter als Begründung angeführt. Ganz anders noch bei der Beisetzung der Mutter Hannelore im Jahr 2001. Auch damals fand die Trauerfeier in Speyer statt, beigesetzt wurde Hannelore Kohl aber im Familiengrab in Ludwigshafen-Friesenheim. Damals herrschte noch Zusammenhalt in gemeinsamer Trauer im Hause Kohl - zwischen dem Vater und den beiden Söhnen.

Symbolträchtig ist der Begräbnisort für den überzeugten Europäer Helmut Kohl im Adenauerpark allemal. Nur durch eine Hecke getrennt befindet sich dahinter die katholische Friedenskirche St. Bernhard, ein Symbol der Versöhnung zwischen Deutschen und Franzosen.