Klein im blauen Kostüm.
Joost Kleins Finalauftritt ist abgesagt.
AP/Martin Meissner

Malmö – Der niederländische Teilnehmer Joost Klein wird am Samstagabend (21 Uhr, live auf ORFeins) nicht beim Finale des Eurovision Song Contests mitmachen. Das gab die Europäische Rundfunkunion (EBU) mittags bekannt.

Zuvor hatte die schwedische Polizei bestätigt, dass gegen den Sänger eine Anzeige eingebracht wurde. Dabei soll es um mutmaßliche Drohungen gehen. Angezeigt wurde er von einer Mitarbeiterin des Fernsehens. Klein wurde demnach am Freitagabend verhört. Der Fall wurde an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Ermittlungen könnten wochenlang dauern, heißt es in mehreren Medienberichten. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Während eines laufendes Verfahrens sei eine weitere ESC-Teilnahme unangebracht, teilte die EBU mit. "Wir verfolgen eine Null-Toleranz-Politik gegenüber unangemessenem Verhalten bei unserer Veranstaltung und sind bestrebt, allen Mitarbeitern des Wettbewerbs ein sicheres Arbeitsumfeld zu bieten. Vor diesem Hintergrund wird das Verhalten von Joost Klein gegenüber einem Teammitglied als Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln gewertet", hieß es weiter.

Die EBU möchte "klarstellen, dass im Gegensatz zu einigen Medienberichten und Spekulationen in den sozialen Medien in diesen Vorfall keine anderen Künstler oder Delegationsmitglieder verwickelt waren." Damit trat die EBU anderslautenden Berichten entgegen, die einen Zusammenhang mit der israelischen Delegation vermutet hatten.

Das ESC-Finale findet damit mit 25 statt 26 Teilnehmern und Teilnehmerinnen statt. Diese behalten ihre ursprüngliche Startnummer, Österreichs Kaleen wird mit Startnummer 26 den Schlusspunkt setzen. Kleins Nummer fünf wird ausgelassen. In den Jurypunkten, die bereits nach der Show am Freitag vergeben wurden, wird auch die Niederlande rausgerechnet.

Niederländischer Sender stellt sich hinter Klein

Die niederländische Rundfunkanstalt AVROTROS zeigte sich in einer ersten Reaktion "schockiert" über die EBU-Entscheidung. Man betrachte die Disqualifizierung als unangemessen. Klein habe die Kamerafrau nicht angegriffen, sondern lediglich eine Geste in die Kamera gemacht. Der Sänger sei beim Abgang von der Bühne in Malmö gegen seinen Willen gefilmt worden. Die Kamerafrau habe nicht auf seinen Wunsch reagiert. "Dies führte zu einer drohenden Bewegung von Joost in Richtung Kamera. Joost berührte die Kamerafrau nicht", so der Sender in seiner Aussendung.

Verschiedene Lösungsoptionen, die man der Rundfunkunion (EBU) vorgeschlagen habe, seien nicht aufgegriffen worden. Die EBU habe ausschließlich die Disqualifikation gewollt. "Avrotros findet die Maßnahme sehr schwerwiegend und unverhältnismäßig", macht man deutlich: "Was Joost den Niederlanden und Europa gegeben hat, hätte nicht so enden dürfen." Die betroffene Kamerafrau habe allerdings jeden Kontakt abgelehnt.

"Hat nichts mit Israel zu tun"

Am Freitag hatte sich die EBU noch bedeckt gehalten. "Wir untersuchen derzeit einen Vorfall, der uns zugetragen wurde und den niederländischen Künstler betrifft. Er wird vorerst nicht weiter proben", hieß es zunächst am Nachmittag. Gegen 21 Uhr wurde dann kommuniziert, dass Klein nicht bei einer für die internationalen Fachjurys abgehaltenen Show auftreten dürfe. Es wurde stattdessen sein Auftritt beim zweiten Halbfinale eingespielt.

Diese Projektion wurde vom Publikum in der Halle demonstrativ gefeiert und beklatscht, während der verantwortliche EBU-Supervisor Martin Österdahl – ansonsten ein Liebling in der ESC-Blase, der mit seinem Kultspruch "You're good to go" die Bekanntgabe der Abstimmungsergebnisse einläutet – ausgebuht wurde. Schließlich ist Joost Klein mit seiner Nummer "Europapa" einer der Publikumslieblinge der heurigen Ausgabe und galt als Fixanwärter auf eine gute Platzierung. Der 26-Jährige ist auch im deutschsprachigen Kulturraum eigentlich bereits eine etablierte Größe. So landete der Musiker, der seine Eltern bereits im Teenageralter verlor, doch im Vorjahr gemeinsam mit dem Rapper Ski Aggu und Otto Waalkes einen Millionenhit mit der Coverversion von "Friesenjung".

Die vagen Informationen führten zu zahlreichen Spekulationen. Zuletzt schien es sich bereits zu verdichten, dass es nicht um einen Konflikt mit der israelischen Delegation gegangen sein dürfte, wie zunächst vermutet. Klein hatte wiederholt Spitzen gegen seine Konkurrentin Eden Golan gesetzt. Der niederländische ESC-Kommentator Cornald Mass bestätigte auf X, vormals Twitter, dann aber: "Der Joost-Vorfall hat nichts mit Israel oder der israelischen Delegation zu tun."

Proteste gegen die Teilnahme Israels gehen weiter

Wegen des Gaza-Kriegs wurden Stimmen laut, dass Israel nicht am Song Contest teilnehmen dürfen sollte. In Finnland haben wenige Stunden vor dem Finale propalästinensische Demonstranten im Eingangsbereich des finnischen TV-Senders Yle einen Boykott der Show gefordert. Etwa 40 Menschen hielten sich mit Protestplakaten und palästinensischen Fahnen in der Lobby auf, wie Yle berichtete. Der Demonstrant Wilhelm Blomberg sagte der Zeitung "Hufvudstadsbladet", sie würden die Beschäftigten nicht an ihrer Arbeit hindern, aber wollten sie auf die Situation im Gazastreifen aufmerksam machen. Israel könne mit dem ESC sein Image verbessern, während der Krieg andauere, so Blomberg laut deutscher Presseagentur.

In der Innenstadt der Ausrichterstadt Malmö ist indes für den Nachmittag abermals eine Großdemonstration gegen Israel angesetzt, bei der erneut Tausende Menschen für einen Protestmarsch erwartet werden. Wie bereits am Donnerstag ist hierfür auch wieder "Friday for Future"-Ikone Greta Thunberg angekündigt.

Golan steht in rundem Tor.
Eden Golan tritt für Israel beim Song Contest an.
AFP/TOBIAS SCHWARZ

Israel-kritische Aktionen rund um letzte Probe

Wenige Stunden vor dem Finale kam es noch zu Israel-kritischen Aktionen von Kandidatinnen und Kandidaten des Song Contests. Der irische Act Bambie Thug war etwa bei der Probe nicht live zu erleben - und äußerte zuvor laut der irischen Fernsehanstalt RTÉ die Erwartung an die EBU, Israel wegen Kommentaren im israelischen Fernsehen auszuschließen. Ein Kommentator im israelischen Sender Kan hatte die Tv-Zuseher vor der Gothic-Performance von Bambie Thug gewarnt, da diese die gruseligste des Abends sei und schwarze Magie und satanische Symbole beinhalte. Auch hatte er darauf verwiesen, dass sich Bambie Thug wiederholt israel-kritisch geäußert habe. "Nun ist noch mehr Ärger und deutlich mehr Antrieb in mir", beschied Bambie Thug gegenüber dem Ausrichtersender RTÉ. Die EBU erklärte, dass man mit dem Sender KAN gesprochen und den respektvollen Umgang mit allen Kandidaten eingemahnt habe.

Der französische Sänger Slimane indes stoppte in der laufenden Probe während seines Liedes und betonte, er sei Musiker geworden, um Menschen in Liebe zusammenzubringen. Und weiters, im Bezug auf das ESC-Motto: "United by Music - aber mit Liebe und in Frieden." (red, APA, 11.5.2024)