Literatur NS-Zeit
Otto Basil schickt seinen Protagonisten auf eine finstere, schwarzhumorige Reise in die Apokalypse.
ÖNB Milena Verlag

Zuletzt hörte man einen ähnlich blauäugigen Satz in einem Zug Richtung Kärnten: "Wonn des da Dogta Haider wissat, dann dat er aufräumen mit dem Gsindl." Gesprochen wurde er bezüglich etwaiger Missstände in einer Gesinnungsgemeinschaft, die ihre Wurzeln in jenem korrupten Feuchtbiotop angesiedelt hat, das auch die Grundlage des Romans Wenn das der Führer wüsste von Otto Basil bildet. Die, wie man so schön sagt, beißende Satire mit fantastischen Elementen stammt erstaunlicherweise aus dem Jahr 1966.

Sie ist einerseits ein einzigartiges historisches Zeugnis der Aufarbeitung der Schrecken und vor allem des Irrsinns des Nationalsozialsmus. Andererseits reflektierte Otto Basil in den 1960er-Jahren die Bedrohungen des Kalten Kriegs. Trotz beachtlicher Verkaufszahlen und einer Erstauflage von auch heute noch erstaunlichen 25.000 Stück geriet das Buch in Folge bald wieder in Vergessenheit. Seither wird Wenn das der Führer wüsste alle heiligen Zeiten wieder neu aufgelegt, zuletzt 2010 vom Wiener Milena-Verlag, der auch für die neue Ausgabe verantwortlich zeichnet.

Ausschließlich negative Figuren

Otto Basil (1901–1983), ein Germanist und Autor mit illustrer Biografie (er war unter anderem auch als Journalist, Verlagslektor oder Barpianist tätig), ist in der österreichischen Literaturgeschichte in den Nachkriegsjahren vor allem dank seiner Zeitschrift Plan bekannt geworden. In ihr förderte er nach dem Krieg junge zeitgenössische Schriftsteller, Autorinnen wie Ilse Aichinger, Friederike Mayröcker, Paul Celan oder Erich Fried. Vielleicht auch deshalb sind seine eigenen literarischen Arbeiten in den Hintergrund gerückt.

Basil merkt im kurzen Prolog von Wenn das der Führer wüsste an, dass es sich bei den fiktiven Personen im Roman ausschließlich um "negative Figuren" handeln würde. Im Zentrum des in den 1960er-Jahren spielenden Geschehens steht der aus der "Ostmark" stammende linientreue Pendler, Erdstrahlungsaufspürer und bald dem Tod geweihte Nazi Albin Totila Höllriegl. Der wird auf eine Reise durch eine bizarre Welt geschickt, die man heutzutage wohl als ziemlich grimmiges und nachtschwarzes Road-Movie lesen würde.

Die Ausgangslage ist bedrückend: Adolf Hitler hat den Krieg gewonnen. Das "Germanische Weltreich" ist errichtet, konkurriert nur von Japan als Kontrahenten im asiatischen Raum. Die Atombombe fiel nicht auf Hiroshima, sondern auf London. Stadl-Paura wurde von Hitler zur Hauptstadt der Ostmark erhoben. Das Reich spannt sich von Irland bis zum Ural und weiter nach Sibirien und Tibet, aber auch hin zu den "Vereinigten Gefolgschaften von Amerika".

Darin findet man neben Führerkult und Rassenwahn in "SS-Ordensburgen" und "Zuchtmutterklöstern" die "Walhallen der Ariosophen" und die "Untermenschenlager". Der Dalai Lama wie auch der Papst als politische Gegner der germanischen Todesreligion werden in einer Kölner neurochirurgischen Klinik festgehalten. Die "Untermenschen" sollen mittels neurologischer Experimente zu willigen Sklaven oder auf allen vieren kriechenden Nutztieren umprogrammiert werden. Dann stirbt Hitler und steigt zur gottgleichen Lichtgestalt auf. Sein Nachfolger ist der aus Kroatien stammende Parteifunktionär Ivo Köpfler. Der aus dem neuen Machtblock der "Werwölfe" kommende Führer erweist sich selbst noch gegenüber dem Führer als ungleich unerbittlicherer Hardliner: "Heil Köpfler!"

Atomkrieg

Während es im Reich aufgrund interner Machtkämpfe bald zum Bürgerkrieg kommt und Japan das Chaos nutzt, um einen Atomkrieg zu starten, bekommt Strahlungsspürer Höllriegl aus der Reichsmetropole Berlin einen Spezialauftrag, der ihn durch das zerfallende Reich führen wird.

Bei dieser Reise in die Finsternis und hin zum drohenden Weltuntergang spielt Otto Basil alle Register des schwarzen Humors. Man begegnet nicht besonders gut getarnten historischen Figuren wie dem treudeutschen Döblinger Dichter Arbogast von Schwerdtfeger, dem Höllriegl das Arbeitszimmer auspendelt und die Möbel umstellt, damit eine Ladehemmung bezüglich Musenkusses beseitigt werde – eine Spitze gegen Otto Basils früheren Freund Heimito von Doderer. Wir begegnen etwa auch dem in der Einschicht wohnenden deutschen Philosophen und Wurzelsepp Gundlfinger, der es nicht nur rein äußerlich, sondern auch sprachlich-verquast auf der Suche nach einem Gottesbeweis mit einer realen historischen Person, NSDAP-Mitglied Martin Heidegger, aufnimmt.

 Antarktisroute schließen

Der drohende Weltuntergang führt den Leser und die Leserin schließlich in die Antarktis als letzten Fluchtpunkt der Menschheit. Dort aber ist das Boot schon voll, und die bereits dorthin Geflüchteten brauchen nicht noch mehr Herrenmenschen auf der Tacke. Deshalb muss die Antarktisroute geschlossen werden. Das alles macht einem die Lektüre nicht leicht. Die Parallelen zum Heute sind oft erschreckend. Otto Basil ist immer wieder eine Entdeckung wert. (Christian Schachinger, 14.5.2024)