„Herr Lenz reist in den Frühling“: Der homophobe deutsche Spießer wird erleuchtet - WELT
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Kultur Tukur in Thailand

Erleuchtung für den homophoben deutschen Spießer

Redakteur Feuilleton
ARD HERR LENZ REIST IN DEN FRÜHLING, Deutschland 2015, Regie Andreas Kleinert, am Mittwoch (20.07.16) um 20:15 Uhr und um 00:20 Uhr im Ersten. Von seiner Reise gezeichnet: Das Leben von Holger (Ulrich Tukur) gerät aus der Bahn. © ARD Degeto/Christoph Demel Osterloh, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter Degeto-Sendung und bei Nennung "Bild: ARD Degeto/Christoph Demel Osterloh" (S2). ARD Degeto/Programmplanung und Presse, Tel: 069/1509-335, degeto-presse@degeto.de, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter Degeto-Sendung und bei Nennung "Bild: © ARD Degeto/Christoph Demel Osterloh, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter Degeto-Sendung und bei Nennung "Bild: ARD Degeto/Christoph Demel Osterloh" (S2). ARD Degeto/Programmplanung und Presse, Tel: 069/1509-335, degeto-presse@degeto.de" (S2). ARD Degeto/Programmplanung und Presse, Tel: 069/1509-335, degeto-presse@degeto.de ARD HERR LENZ REIST IN DEN FRÜHLING, Deutschland 2015, Regie Andreas Kleinert, am Mittwoch (20.07.16) um 20:15 Uhr und um 00:20 Uhr im Ersten. Von seiner Reise gezeichnet: Das Leben von Holger (Ulrich Tukur) gerät aus der Bahn. © ARD Degeto/Christoph Demel Osterloh, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter Degeto-Sendung und bei Nennung "Bild: ARD Degeto/Christoph Demel Osterloh" (S2). ARD Degeto/Programmplanung und Presse, Tel: 069/1509-335, degeto-presse@degeto.de, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter Degeto-Sendung und bei Nennung "Bild: © ARD Degeto/Christoph Demel Osterloh, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter Degeto-Sendung und bei Nennung "Bild: ARD Degeto/Christoph Demel Osterloh" (S2). ARD Degeto/Programmplanung und Presse, Tel: 069/1509-335, degeto-presse@degeto.de" (S2). ARD Degeto/Programmplanung und Presse, Tel: 069/1509-335, degeto-presse@degeto.de
An der Schwelle zur Erleuchtung: Ulrich Tukur als deutscher Spießer Holger Lenz vor einem thailändischen Tempel
Quelle: © ARD Degeto/Christoph Osterloh
Bester Best-Ager-Film des Jahres: Ulrich Tukur wird in der ARD über die neuen Mauern des deutschen Bürgertums geschleudert. Nach Thailand. Der Titel des Films sollte keinen vom Einschalten abhalten.

Der deutsche Mann gibt sich ja gern der Lächerlichkeit preis. Jedenfalls wenn man glaubt, was im Fernsehspiel zu sehen ist, spiegele tatsächlich den deutschen Mann in seiner ganzen Schönheit. Ab einem gewissen Alter ist mit ihm einfach nichts mehr los.

Und dann taugt er nur noch für ziemlich lustige Trauer- oder ziemlich traurige Lustspiele. Was streng genommen eigentlich genau dasselbe ist, wie man an Andreas Kleinerts Fernsehspiel sehen kann, das den eher traurigen Titel „Herr Lenz reist in den Frühling“ trägt.

Leider ist da ein Hang zu untersubtilen Assoziationsketten

Der Titel möge bitte niemanden vom Anschalten abhalten – er repräsentiert nur den nicht ganz unausgeprägten Hang von Karl-Heinz Käfers Drehbuch zu durchaus untersubtilen Anspielungsketten. Also, Herr Lenz: Der wird von Ulrich Tukur gespielt, der wiederum eigentlich allein schon deswegen selten lächerlich ist, weil er sich der Lächerlichkeit durch unterkühlte Distanz zur Figur, die er begleitet, meistens vollkommen entzieht.

Herr Lenz hockt nun in der Blüte seiner Jahre im Berliner Townhouse und in seinem Traum. Frau hat er und Sohn und Hund (Herr Schmidt) und Karriere und großen Audi – alles gut. Ist es natürlich nicht. Die Frau will raus, der Sohn ist für alle – nur nicht für Holger Lenz – offensichtlich schwul, Herr Schmidt kann ihn nicht leiden, mit der Karriere ist es vorbei, der Audi gehört der Firma wie das Haus der Bank. So übel spielt das Leben dem deutschen Mann mit im deutschen Fernsehspiel.

ARD HERR LENZ REIST IN DEN FRÜHLING, Deutschland 2015, Regie Andreas Kleinert, am Mittwoch (20.07.16) um 20:15 Uhr und um 00:20 Uhr im Ersten. Schon am Frühstückstisch gibt es Knatsch zwischen Holger Lenz (Ulrich Tukur) und seinem Sohn Linus (Simon Jensen, re.). Auch Ehefrau Ilona (Steffi Kühnert) ist ihm keine Stütze. © ARD Degeto/Hans-Joachim Pfeiffer, honorarfrei – Verwendung auch bei Social Media gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter Degeto-Sendung bei Nennung "Bild: ARD Degeto/Hans-Joachim Pfeiffer" (S2+). ARD Degeto/Programmplanung und Presse, Tel: 069/1509-335, degeto-presse@degeto.de
Daheim bei Familie Lenz: Der Sohn hat die Haare schön, der Vater die Krawatte, die Mutter denkt über eine späte Karriere nach
Quelle: ARD Degeto/Hans-Joachim Pfeiffer

Soweit ist zumindest die Stofflage von Kleinerts Film ziemlich durchschnittlich. Kleinert hat nun allerdings einen ganz fabelhaften Faible für Südostasien. Und er hat die Fähigkeit, die der Peinlichkeit verdächtigsten Plots in wahre Meisterstücke der Ausbalanciertheit und der Tiefe zu verwandeln.

In „Monsoon Baby“ beispielsweise hat er das geschafft. Im Prinzip eine Vorlage für Themenabende: Deutsches Paar reist nach Indien, damit eine Frau da ihr Kind austrägt, geht natürlich schief, alle gehen durch alle Verzweiflungs- und Erkenntnisschichten, die so eine Geschichte nur haben kann. Und Kleinert hatte alle fade Traumschiff-Exotik herausgehalten, alles schwitzt, alles leidet, alles ist hin- und hergerissen. Alles geht schief. Nur der Film nicht.

Der Papa verschwand nach Vietnam

Herrn Lenz schickt Kleinert nun auch ziemlich weit weg, um sich endlich nahe zu kommen. Holgers Papa, muss man wissen, war mal ein ziemlich strammer Sozialist, damals in der DDR. Hat mit aufgebaut, geträumt vom neuen Menschen, einer, der die Welt verändern wollte. Dann fiel die Mauer und er floh in den Sozialismus nach Vietnam.

Holger, der Sohn, will nichts verändern. Nicht mal den Sitz seiner Krawatte. Dem Punk, der ihm beim Cerealienschaufeln morgens gegenübersitzt, ist er ein Grauen. „Aus dem Tagebuch eines homophoben Spießers“ heißt der Blog, auf dem der Filius die neuesten Peinlichkeiten von Holger ins Netz posaunt, was der dank der Unterstützung der örtlichen Punkszene auch noch mitbekommt.

ARD HERR LENZ REIST IN DEN FRÜHLING, Deutschland 2015, Regie Andreas Kleinert, am Mittwoch (20.07.16) um 20:15 Uhr und um 00:20 Uhr im Ersten. Fernando (Adolfo Assor, li.) bringt Holger (Ulrich Tukur) etwas ins Büro: eine Waschmittelflasche aus Thailand mit der Asche seines Vaters. © ARD Degeto/Hans-Joachim Pfeiffer, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter Degeto-Sendung und bei Nennung "Bild: ARD Degeto/Hans-Joachim Pfeiffer" (S2). ARD Degeto/Programmplanung und Presse, Tel: 069/1509-335, degeto-presse@degeto.de, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter Degeto-Sendung und bei Nennung "Bild: © ARD Degeto/Hans-Joachim Pfeiffer, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter Degeto-Sendung und bei Nennung "Bild: ARD Degeto/Hans-Joachim Pfeiffer" (S2). ARD Degeto/Programmplanung und Presse, Tel: 069/1509-335, degeto-presse@degeto.de" (S2). ARD Degeto/Programmplanung und Presse, Tel: 069/1509-335, degeto-presse@degeto.de
In dieser Flasche ist die Zukunft: Fernando (Adolfo Assor, li.) bringt Holger (Ulrich Tukur) eine Waschmittelflasche aus Thailand mit der Asche seines Vaters
Quelle: ARD Degeto/Hans-Joachim Pfeiffer

Südostasien tritt ins Leben in Form einer gelben Reinigungsmittelplasteflasche, die ein alter Spanier mit einem ziemlich ausgesessenen Gesicht in Holgers Versicherungsfirma trägt. Enthält natürlich kein Ata, sonder Asche. Die Asche von Holgers Vater. In Thailand verstorben, Besitzer eines Appartements in Pattaya, von dessen Verkauf sich Ilona, was Holgers randverlebte Gattin ist (Steffi Kühnert), die Lösung aller Probleme erwartet.

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Holger fliegt hin. Und wird aus allen Gewissheiten geschleudert. Über die Mauer, die er um sich, sein Leben, seine Familie gezogen hat. Die Mauer ist übrigens die zweite untersubtile Assoziationskette. Es wird gern auf dieser Mauer herumgeritten.

Man muss nicht sagen, was man sieht

Ilona und Holger haben sich zum Beispiel beim „The Wall“-Konzert von Pink Floyd kurz nach dem Fall der Mauer kennengelernt. Sehr komisch ist, wenn Anzugträger Holger im Audi „Is There Anybody Out There“ singt. Ja, das hätte man nicht extra betonen müssen, das konnte man sehen. Zum Bildgestalter kommen wir gleich.

Sieben schlafende Schönheiten findet Holger in seinem Appartement, aus allen sexuellen Gewissheiten wird er geworfen, er findet eine Schwester, einen Bruder, endlich auch seinen Sohn, aus weiter Ferne ist der auf einmal sehr nah. Und der Strauß, den er mit seinem Vater ausfechten muss, den ficht er auch noch aus. Er könnte eigentlich sterben, der Holger, aber das Leben geht weiter, fängt neu an.

ARD HERR LENZ REIST IN DEN FRÜHLING, Deutschland 2015, Regie Andreas Kleinert, am Mittwoch (20.07.16) um 20:15 Uhr und um 00:20 Uhr im Ersten. Die Reise von Holger (Ulrich Tukur) wird immer mehr zum Selbstfindungstrip. © ARD Degeto/Christoph Demel Osterloh, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter Degeto-Sendung und bei Nennung "Bild: ARD Degeto/Christoph Demel Osterloh" (S2). ARD Degeto/Programmplanung und Presse, Tel: 069/1509-335, degeto-presse@degeto.de, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter Degeto-Sendung und bei Nennung "Bild: © ARD Degeto/Christoph Demel Osterloh, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im engen inhaltlichen, redaktionellen Zusammenhang mit genannter Degeto-Sendung und bei Nennung "Bild: ARD Degeto/Christoph Demel Osterloh" (S2). ARD Degeto/Programmplanung und Presse, Tel: 069/1509-335, degeto-presse@degeto.de" (S2). ARD Degeto/Programmplanung und Presse, Tel: 069/1509-335, degeto-presse@degeto.de
Er ist dann mal da: Ulrich Tukur als deutscher Mensch am thailändischen Meer
Quelle: © ARD Degeto/Christoph Osterloh

Nichts von schwüler Altmännerfantasie steckt in „Herr Lenz.“ Kleinert unterläuft das alles, weil er die Fallen genau kennt, in denen man unweigerlich landet, wenn man Kulturkrachgeschichten naiv abfotografiert. Davor ist Kleinert schon allein deswegen gefeit, weil Johann Feindt die Bilder gemacht hat. Bilder von berückender Caspar-David-Friedrich-Haftigkeit und trockener Schwüle, die realistisch sind und trotzdem verzaubert.

Das Coming-of-Best-Age eines Versicherungsvertreters

Und Ulrich Tukur läuft durch sie hindurch wie ein alt gewordener Parsifal, ein staunender Spießer, als Melancholiker ein grandioser Spätentwickler. Man möchte ihn, wie übrigens ganz viele Tukur-Figuren, in den Arm nehmen, ahnt aber, dass er dann sofort die Stacheln ausfahren würde, und lässt es dann bleiben.

Und sitzt nur noch und schaut und staunt ein bisschen, dass das auch noch geht. Ein lustiges Trauerspiel? Eher nicht. Ein Kompendium missglückter Kommunikation zwischen Menschen und Kulturen. Das beste Best-Ager-Drama des Jahres.

Herr Lenz reist in den Frühling: ARD, 20. Juli, 20.15 Uhr.

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