Dusty Springfield: Die weiße Frau mit der schwärzesten Stimme - WELT
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DIE WELT Dusty Springfield

Die weiße Frau mit der schwärzesten Stimme

Zum Tod der Soul-Sängerin Dusty Springfield

Von Michael Pilz


Zeit ihres Lebens riefen sie ihr nach, daß ihre Stimme eine schwarze Seele bewohne. Der Soul, wie er im Süden und später in Detroit gedieh.Es war das gewöhnliche Lob, das alle weißen Briten ereilt, denen formvollendet ihr Rhythm & Blues aus der Kehle kommt. Eric Clapton, Eric Burdon, van Morrison haben Lieder davon gesungen. Dusty Springfield trug dem staunenden Jerry Wexler, dem Produzenten von Aretha Franklin, 1968 im Memphis ihren "Song of a Preacher Man" vor mit einer tiefen Sehnsucht im Hals. Sie hatte keine Ahnung von Gospel und Gottesdient. Wußte nichts von den Mythen und Klischees des Soul. Doch sie kannte diese Schallplatten, die Race-Music, die sie als Händlerin ihren Kunden in Hampstead empfahl. Das war in den fünfziger Jahren, bevor sie zu den "Lana Sisters" stieß und dann mit ihrem Bruder und den "Springfields" aufbrach, den Engländern amerikanische Lieder zu singen im rüschigen Baumwollkleid. - Und nie kam diese Klage des "Son of a Preacher Man" der üblichen Vorstellung von Soul näher als bei Dusty Springfield.Sie haben es mit den schwarzen Sängern und Sängerinnen bei Motown versucht und später mit den Königinnen des Disco-Pop. Denn man muß den Blues nicht gelebt haben wie die Schwarzen in Chicago oder Memphis.Es gibt einen britischen Blues mit seiner eigenen Tragik: Als Dusty Springfield im April 1940 unter dem Namen Mary Isobel Catherine O'Brian in einem Londoner Hinterhaus zur Welt kam, lag diese Welt im Krieg. Sie hatte Sorgen zu Hause und in der Schule und später als Verkäuferin im Geschäft, als sie von den Schallplatten zu den Haushaltswaren wechseln mußte. Dann begannen die Briten viele ihrer Singles zu kaufen, doch sie erntete den Spott der Kritik für ihr Bemühen, auf schwarze Art zu singen.In der Kinosatire "Casino Royal", einer Parodie auf James Bond, den Nationalhelden, sang sie den Hit "The Look of Love" wie eine Nummer im Nachtklub. Also wiesen sie ihr den Platz auf der Bar-Bühne und trieben Dusty Springfield in den Erfolg nach Amerika. Nach "Son of a Preacher Man" kehrte sie heim nach London, wo ihr Publikum wartete und ihre Kritiker den Weltstar in Empfang nahmen. Cliff Richard soll über sie gesagt haben, sie habe die schwärzeste Stimme, die er bei einer weißen Frau gehört habe. Selbst gefällige Vorlagen lasse sie melodramatisch wie Autounfälle klingen, schrieb die "Stereo Review".In dieser sonderbaren Symbiose ging der Ruhm der Dusty Springfield in den Siebzigern dahin. Mit wachsender Häme wurden ihre Auftritte zu Tragödien, die sie in opulenten Kostümen hinter sich brachte. Unter Masken aus Make-ups und fingerlangen Wimpern, unter barocken Perücken begrub sie die Soulsängerin der sechziger Jahre.Und feierte Auferstehung in den späten Achtzigern als Botin einer Zeit, in der die Musik noch voller Unschuld schien. Als Idol und Ikone. Neil Tennant und Chris Lowe, die Pet Shop Boys, nahmen sie für ihr Lied "What Have I Done To Deserve This" in ihre Mitte und brachten sie zurück an die Rampe, ohne daß sie Schaden nahm."A Very Fine Love" hieß ihr letztes Album vor fünf Jahren, und der Pop nahm es in achselzuckender Rührung zur Kenntnis. Am Dienstag abend starb Dusty Springfield im Alter von 59 Jahren in ihrem Haus bei London an Krebs.

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