Zum Tod der Schauspielerin, Sängerin, Regisseurin und Autorin Ortrud Beginnen: Ihr offenens Geheimnis

Ihr offenens Geheimnis

Ortrud BeginnenFortsetzung von Seite 13---risch war ihr Verhältnis zum Theater. Das Verrückte war bei ihr ganz normal, hinreißend direkt und zugleich ganz besonders. Ihr Spiel war stets ein einmaliges ,Beginnen , nämlich Improvisationskunst auch noch in der hundertsten Vorstellung. In Berlin zu erstem Ruhm gekommen, zog es die gebürtige Hamburgerin im Grunde ihres Herzens nach Wien. Am Staatstheater Stuttgart spielte sie eine ihrer letzten großen Rollen (die Callas in der "Meisterklasse"), mit der Marlene Dietrich in Moritz Rinkes "Der graue Engel" hoffte sie dort ihre schwere Krankheit noch einmal überwinden zu können, aber für Wien (bei den Festwochen und am Burgtheater) erfand sie sich eine Traumrolle, die geheimnisumwitterte Wiedergeburt einer legendären Schauspielerin und Diva als wahre Königin von jenem Österreich, das doch nur auf dem Theater existiert. In ihrem monarchistischen Abend "Ein Zacken aus der Krone" packte Ortrude in Wien nochmals ihren wundersam überquellenden "Katastrophenkoffer" aus und zeigte, daß sie nicht nur "1 000 Jahre deutschen Humor" brillant beherrscht, daß sie nicht nur wie ein richtiges "Mädel singen" kann, sondern, daß sie etwas konnte, was keine sonst kann, nämlich holden Schwachsinn und höheren Blödsinn in Poesie zu verwandeln. Aus der vis comica ihres Gesichts strahlte Schönheit. Zusammen mit James Lyons inszenierte sie in Graz beim Steirischen Herbst 1998 die Uraufführung von Luigi Fortes Lenau-Stück "Störung". Diese Arbeit war ihre letzte Arbeit und galt einem Dichter, einem traurigen, tragischen Dichterschicksal."Jetzt habe ich gelebt" dieses Gefühl wollte Ortrud Beginnen mit ihrer Arbeit den Zuschauern schenken. Wahrlich, Ortrud hat viel zu kurz gelebt, aber sie hat uns herrlich beschenkt mit einer Phantasie, deren Geheimnis und Sehnsucht das Lachen war. Das befreiende Lachen.Hermann Beil ist Kodirektor des Wiener Burgtheaters.