„Maischberger“: Ex-Bundespräsident Gauck glaubt an Scholz‘ Merkel-Fähigkeiten
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„Maischberger“: Ex-Bundespräsident Gauck glaubt an Scholz‘ Merkel-Fähigkeiten

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Joachim Gauck warnt bei Sandra Maischberger (ARD) vor Spaltung.
Joachim Gauck warnt bei Sandra Maischberger (ARD) vor Spaltung. © Screenshot: ARD/„Maischberger“

Maischberger beleuchtet die aktuelle Impfpflicht-Lage und redet in sehr unterschiedlichen Gesprächen mit Ex-Bundespräsidenten Gauck und dem NRW-Ministerpräsidenten. 

Berlin - Auch wenn die Inzidenzwerte die letzten Tage leicht zurückgingen, die Lage bleibt kritisch. Einziger Ausweg scheinen derzeit Impfungen zu sein. Demnächst soll im Bundestag über die Einführung einer Corona-Impfpflicht abgestimmt werden. Bei „Maischberger. Die Woche“ klopft die Moderatorin die Stimmung ab.

Sachlich verläuft das Gespräch mit dem neuen NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst. Der Laschet-Nachfolger hakt die Fragen der Moderatorin sauber mit förmlichen Antworten ab. Als Maischberger Bilder voller Fußballstadien aus seinem Bundesland in Köln und auf Schalke einspielen lässt - die meisten der Fans ohne Maske - gibt Wüst zu: „Es war falsch, das zuzulassen.“ Es sei nicht umgesetzt worden, was vereinbart gewesen war.

Zum Thema Impfpflicht sagt Wüst: „Ich bin sicher, die kommt.“ Einen generellen Lockdown hält der Ministerpräsident dagegen für unwahrscheinlich. „Ich glaube nicht, dass jemand den Handel schließen will.“ Vielmehr ginge es um die flächendeckende Einführung von 2G und 2G plus.

„Maischberger. Die Woche“ - diese Gäste diskutierten mit:

  • Hendrik Wüst (CDU) - NRW-Ministerpräsident
  • Joachim Gauck - Bundespräsident a.D.
  • Anna Planken - ARD-Moderatorin, u.a. Morgenmagazin
  • Dr. Christina Berndt - Wissenschaftsjournalistin der Süddeutschen Zeitung
  • Wolfram Weimer - Publizist, Gründer der Weimer Media Group

Ganz und gar nicht sachlich, sondern warmherzig und menschenzugewandt, ist die Stimmung im Gespräch mit dem 81-jährigen ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck. Emotional führt Maischberger in das Interview mit Gauck ein und zeigt die Bilder von dessen Verabschiedung 2017 beim Zapfenstreich zu seinen Ehren: Gauck ringt um Fassung als die Bundeswehrkappelle zu „Sieben Brücken“ der DDR-Band Karat anstimmt.

Zu DDR-Zeiten sei dies ein Song gewesen, bei dem „die Ohnmächtigen“ in der DDR geträumt hätten, nicht mehr ohnmächtig zu sein. Wie es am Ende auch mit dem Sturz des SED-Regimes gekommen sei.

Gauck warnt bei Maischberger mit Merkels Musikwunsch für den Zapfenstreich nicht warm

Mit Angela Merkels Musikwunsch für ihren aktuell anstehenden Zapfenstreich - die scheidende Kanzlerin hat sich ebenfalls einen DDR-Titel gewünscht, Nina Hagens Bürgersatire „Du hast den Farbfilm vergessen“ - wird Gauck nicht warm: „Diese Fröhlichkeit passte überhaupt nicht zum Regime.“ Er vermutet, hier habe „eine reife Frau eine Huldigung für eine junge Frau platziert“.

Genug Geplänkel zur Einstimmung, Maischberger kommt nun mit den ernsten Fragen. Ob die momentane Krise derzeit die größte der Bundesrepublik sei, möchte die Moderatorin vom betagten Politiker a.D. wissen. Gauck ist skeptisch. Der innerdeutsche Terrorismus der 1970er Jahre sei ein größeres Problem, eine tiefere Spaltung der Gesellschaft gewesen, befindet Gauck.

Impfpflicht könnte momentane Schieflage in der Bevölkerung wieder ins Lot bringen

Doch auch heute ginge ein Teil der Leute schlecht um, „mit einem großen Teil der Bevölkerung“, so Gauck. Es gebe derzeit ein falsches „Freiheitsverständnis, das andere beschädigt“ und nicht berücksichtigt, dass Freiheit nur legitimiert ist, solange sie andere nicht beschädigt. Auf der anderen Seite gebe es viele Menschen - vor allem jene, die wegen ausgesetzter Behandlungen in Sorge um ihre Angehörigen sind -, die tief enttäuscht sind von der Ignoranz ihrer Mitbürger. Eine allgemeine Impfpflicht könne diese Schieflage wieder ins Lot bringen, gibt Gauck zu Bedenken.

Der Kritik steht Gauck gelassen gegenüber: „Wir haben die Erfahrung, dass diese Form des Eingriffs die Rechte der Bürgerinnen und Bürger nicht löst.“ Dennoch mahnt Gauck auch auf der anderen Seite zu mehr Toleranz. Vieles davon sei „geschmacklos“, doch gebe es eben auch das Recht auf „Geschmacklosigkeit“ zu. Der „Rest der Gesellschaft muss das tolerieren“, so der ehemalige Bundespräsident, „tolerieren“ bedeute aber nicht „mögen“.

Es sei aber auch falsch, diese Leute zu „Todfeinden“ zu erklären. Stattdessen sollte die Gesellschaft wieder mehr streiten und das wie einen sportlichen Wettkampf sehen. Gauck: „Wie im Sport, du willst siegen!“ Eine Gesellschaft lebe von Kontroversen, befindet Gauck. Erst wenn „es nicht genug Kontroversen gibt, ist die Gesellschaft krank.“ 

„Wieso gibt es im Osten so viele Impfgegner?“, will Maischberger von Joachim Gauck wissen

Warum es vor allem im Osten so viele Impfgegner gebe, fragt Maischberger. Der ehemalige Pastor erklärt es mit einem Mangel an Erfahrungen von Zivilgesellschaft, Pressefreiheit, eigener Verantwortung oder Vielfalt, die in der DDR eingeschränkt wurde. Es gebe immer noch Menschen, so Gauck, die bis heute mit dem westlichen System nicht vertraut seien.

Stattdessen hätten diese Menschen ein „formiertes Leben“ geführt, dass sich „tief in die Seelen eingegraben“ habe. Bei diesen Menschen gebe es lediglich Schwarz-Weiß-Auseinandersetzungen, sie kennen keine Wahrheitsfindung im Diskurs. Würden sich selbst und „die da oben“ sehen.

Dass bei aller Wichtigkeit zum Debattieren irgendwann Entscheidungen getroffen werden müssten, sieht auch Gauck so: „Irgendwann muss dann einer zeigen, wo der Hammer hängt.“ Gauck hat keinen Zweifel, dass der neue Kanzler dafür geeignet ist: „Scholz wird unterschätzt, das ging Merkel auch so.“

Fazit des „Maischberger. Die Woche“-Talks

Höhepunkt der Sendung war zweifellos das Gauck-Gespräch. Der ehemalige Bundespräsident brachte erhellende Kommentare und strahlte Gelassenheit aus. Mit seinen reflektierten Einblicken in die Seele der Nation könnte Gauck den verstorbenen Helmut Schmidt als weisen Polit-Oldie beerben. Der Rest der Maischberger-Sendung dümpelte dagegen eher ein wenig vor sich hin. (Verena Schulemann)

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