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Fernsehen "Schwer verliebt"

Wie Sat.1 mit infantilen Dicken Quote machen will

Manch ein Kandidat von "Schwer verliebt" braucht womöglich eher ärztliche Hilfe als einen Partner. Sat.1 stellt sie für die Quote aber trotzdem gern zur Schau.

Sat.1 schafft das Unmögliche und unterbietet alles bei RTL je Dagewesene: Die neue Kuppelshow „Schwer verliebt“ ist so gruselig, sie führt beim Zuschauer unweigerlich zu Gesichtsentgleisungen. Die Penis-Pianisten bei „Supertalent“, der schwitzende Schäfer Heinrich bei „Bauer sucht Frau“ oder die C-Promis, die im Dschungelcamp Ochsen-Schwänze und Maden schlucken – alles harmlos im Vergleich zu den karikaturistisch dargestellten Teilnehmern der Kuppelshow mit Britt Hagedorn.

Da wäre zum Beispiel Sarah. Die 27-Jährige, die von Sat.1 als „romantische Regalservicekraft“ angepriesen wird, wiegt rund zwei Zentner und spielt gerne versaute Spiele mit Puppen. 160 Barbies nennt sie ihr Eigen – jede davon hat einen Namen, eine eigene Vita und ein hoch aktives Sexualleben.

Allen voran ihre schwulen Lieblingsbarbies, Franz-Josef und Ludwig. Der arme Ludwig hatte erst einen Seitensprung seiner Barbie Jasmin zu verkraften, ehe er sich einer gleichgeschlechtlichen Puppe zuwandte, erzählt Sarah in der Show, in der sich jeweils zwei Kandidaten um die Gunst eines übergewichtigen Liebeswilligen bemühen.

Seither lebten die beiden Kens aber „sehr glücklich“ in ihrem Regal im Hünsrück, wo die mollige Sarah mit ihren Eltern wohnt. Dirk ist beeindruckt. Er ist einer der beiden jungen Männer, die um die romantische Regalservicekraft buhlen: „Das wusste ich vorher auch nicht, dass Barbies schwul sein können, so wie echte Menschen“, erklärt der 1,68 Meter kleine Gärtner.

Fast alle Kandidaten haben eine Schwäche für Spielzeug

Sein Konkurrent misst 2,05 Meter. Bernd ist ebenfalls Feuer und Flamme - nicht nur für Sarah, sondern auch ihre „Sammelleidenschaft“, wie der Rettungssanitäter sagt. Immerhin besäße er selbst eine große Kollektion von Lego-Technik. Und damit sich zusammen besser spielen lässt, hat er einen kleinen Bagger mitgebracht. „Ich würd’ dich einhaken und zu meiner Sammlung abschleppen“, sagt er Sarah vor dem ersten Treffen via Videobotschaft.

Die Leidenschaft für Puppen, Gummi-Tiere und Plastik-Spielzeug ist etwas, was fast alle Kandidaten bei „Schwer verliebt“ verbindet. So sieht man den 29-jährigen „fröhlichen Flötenspieler“ Andreas aus dem Odenwald mit Badeentchen in der viel zu engen Wanne plantschen und Kuss-Szenen nachstellen.

Mariam (47) bastelt „gerne Fingerpüppchen“ und flechtet ihren Damenbart zu Zöpfen. „Der gehört zu meinem Körper wie alles andere“, sagt die eigens ernannte „Hand- und Aura-Leserin“, die in einem Camper lebt.

Auch bei Erik läuft nichts ohne PS. Der 47-jährige 110-Kilo-Mann mit Glatze und Schnappatmung wohnt noch bei seiner Mutter in einem „kleinen idyllischen badischen Dorf“, wie Britt Hagedorn aus dem Off erklärt. Mama Christa (76) ist davon nicht all zu begeistert: „Jeder Topf hat seinen Deckel. Egal, wie alt er ist“, ermuntert sie ihren kurzatmigen Knaben, sich bei der Suche um eine Frau an seiner Seite besonders gut anzustellen.

Erik liebt Feinripp und Frauen mit Führerschein

Nur will ihr Sohn Erik gar keinen Deckel, sondern ein Auto. Genauer gesagt eine Frau mit Führerschein und Auto. „Als ich gehört habe, dass beide kein Auto und keinen Führerschein haben, da bin ich schon traurig und nachdenklich geworden", sagt er über Silvia und Gabriele, die sich auf den streng gläubigen Gärtner einlassen wollen, obwohl er höchst unerotische weiße Feinripp-Unterwäsche trägt.

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Das Fremdschämen potenziert sich weiter, als der kleine Mann ohne Haare auf dem Kopf nicht merkt, dass seine behaarte Brust aus dem knappen Unterhemd hängt und als Mutter Christa ihm die letzten Strähnen auf dem Haupt von der linken zur rechten Schläfe bürstet.

Auch Sarah bekommt Hilfe von ihrer Mutter – beim Kuchenbacken, was sie, wie sie selbst sagt, anlässlich des Männerbesuchs zum ersten Mal versucht. Was dann aber weiter im Hause der romantischen Regalservicekraft geschieht, ist sehr viel mehr besorgniserregend, als witzig und lässt eine geistige Reife erkennen, die womöglich eher psychologisch behandelt werden müsste, als im Fernsehen zur Schau gestellt: Beim Backen bekommt Sarah schon über die Tatsache, ein Ei in der Hand zu halten, einen Lachkrampf, der jedes normale Maß an Backfreude übersteigt.

Das Gegröhle lässt nur vermuten, welche anrüchigen Assoziation die Barbie-Puppen-Spielerin dabei wieder hat. Das Ganze gipfelt, als sie ihre selbst angefertigten Zeichnungen präsentiert: Sie hat ihre Barbies beim Sex gemalt. Ken liegt, Barbie sitzt rückwärts auf ihm drauf. „Ich würde das gerne auch mal so machen. Mit Dirk oder Bernd, wenn die denn Lust haben“, erklärt Sarah.

Sarah malt ihre Barbies beim Sex

Sarah meint das genau so, wie sie es sagt. Das ist das Besorgniserregende – mag man als Zuschauer meinen. Sat.1 sieht das anders: „Wir begleiten die Protagonisten auf der Suche nach einem neuen Partner. Wir zeigen Persönlichkeiten, die mitten im Leben stehen und ihren Alltag meistern“, sagt Sender-Sprecherin Diana Schardt.

Auf die Frage, ob die Kandidaten vor Beginn der Show ärztlich untersucht worden seien, geht sie nicht ein. „Die Kandidaten von ’Schwer verliebt’, die wir mit Hilfe unserer Produktionsfirma Ufa Entertainment gecastet haben, sind allesamt mollig und auf Partnersuche. Für uns war wichtig, dass sie authentisch sind – und die Hoffnung auf eine neue Liebe noch nicht aufgegeben haben“, heißt es stattdessen.

Nur wirken die Anforderungen, die diese vor laufender Kamera aneinander stellen, dermaßen lächerlich, dass es Sat.1 nicht all zu ernst mit ihnen meinen kann: Marion, die sich um den bayerischen Busfahrer Michael bemüht, spricht gerne „Elbisch, wie in ‚Herr der Ringe’“.

Ihre Konkurrentin Steffi indes kann am Gesicht eines Hundes erkennen, ob er weiblich oder männlich ist. Marion ist ernsthaft erstaunt. Auch, weil Michael sich offensichtlich mehr für die junge rassige Steffi mit karibischer Herkunft interessiert. „Ich mag sehr gern ausländische Frauen“, sagt er und nennt als Beispiel „die aus Tschechien, Polen, Rumänien, Ungarn und Russland.“

Der Zuschauer bleibt zurück gelassen zwischen völliger Verwunderung und Mitleid. Und offenbar auch die unbedarften Akteure, die sich in der neuen Sat.1-Kuppelshow um Kopf und Kragen reden. „Schwer verliebt“ führt Menschen vor. Das ganze Land weiß nun, dass Sarah nicht prüde und hinsichtlich der Partnerwahl bei der Umsetzung ihrer Fantasien wohl auch nicht gerade wählerisch ist. Bleibt ihr nur zu wünschen, dass sie ihren „Ken“ findet, der sie nicht nur trotz ihres Gewichts, sondern auch trotz dieser perfiden Vorführung bei Sat.1 als Mensch achtet und liebt – Und Fernsehdeutschland, dass mit „Schwer verliebt“ nun wirklich die aller unterste Schublade der Kuppelshow-Formate aufgemacht wurde.

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