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Zine el Abidine Ben Ali: Vom Reformer zum Verjagten
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Mit Zine el Abidine Ben Ali verbanden die Tunesier in frühen Jahren die Hoffnung auf Freiheit und Wohlstand. Diese erfüllte sich allerdings nicht ausreichend. Der Präsident regierte mit harter Hand, wie sich vor allem in den letzten Wochen zeigte.

Als Zine el Abidine Ben Ali im November 1987 in den tunesischen Präsidentenpalast einzog, bedeutete er für die Menschen in dem nordafrikanischen Land die Aussicht auf mehr Demokratie und Freiheit. Sein Vorgänger, der despotisch regierende Habib Bourguiba, hatte sich auf Lebenszeit zum Präsidenten ernennen lassen. Ben Ali setzte den senilen Vater der tunesischen Unabhängigkeit ab und strich die lebenslange Amtszeit des Staatschefs umgehend aus der Verfassung – im Laufe seiner Präsidentschaft konnte aber auch er selbst immer weniger von der Macht lassen. Am Freitag floh der 74-Jährige nach wochenlangen Unruhen aus seiner Heimat.

Ben Ali wurde in der östlichen Stadt Hammam-Sousse in eine bescheidene Familie geboren, als Tunesien noch ein französisches Protektorat war. Bei der Unabhängigkeit im Jahr 1956 war er 19 Jahre alt und strebte eine Karriere im der Armee an. Nach seiner Militärausbildung in Frankreich und den USA wechselte er zum tunesischen Armeegeheimdienst. 1985 zum Minister für nationale Sicherheit ernannt, wurde er 1986 Innenminister und Anfang 1987 Regierungschef – ehe er den kranken Bourguiba mit einem Putsch von der Staatsspitze verdrängte. Dies geschah auch unter Beifall aus dem Ausland. In seiner Antrittsrede versprach er Demokratie und soziale Gerechtigkeit.

Kampf gegen Armut und für Emanzipation


In den ersten Jahren seiner Amtszeit trieb er tatsächlich die Modernisierung Tunesiens voran, für die sein Vorgänger bereits die Grundlagen gelegt hatte. Ben Ali schuf ein Sozialversicherungssystem und bekämpfte die Armut, setzte sich für die Emanzipation der Frauen ein und baute das Bildungswesen aus. Ben Ali regierte dabei allerdings mit eiserner Hand.

Menschenrechtsorganisationen bemängeln seit Jahren Einschnitte bei Presse- und Meinungsfreiheit sowie Repressalien gegen Oppositionelle und starke staatliche Überwachung. Die Rede ist von Folter politischer Gefangener und fortgesetzter Isolationshaft. Der Westen kritisierte regelmäßig die Lage der Menschenrechte in Tunesien, doch wegen seines entschlossenen Vorgehens gegen Islamisten galt Ben Ali als wichtiger Partner. Auch angesichts wirtschaftlicher Erfolge und der Millionen Touristen, die das Land jedes Jahr aufsuchen, sahen die westlichen Regierungen in dem tunesischen Staatschef kein größeres Problem.

Ben Ali mit „eigenem Rhythmus“


Im Jahr 2002 änderte Ben Ali mit einer Volksabstimmung die Verfassung, die dem Präsidenten maximal drei Amtszeiten erlaubte. Im Oktober 2009 gewann Ben Ali sein fünftes Präsidentschaftsmandat in Folge, allerdings erstmals mit weniger als 90 Prozent der Stimmen. Seine Partei, die Konstitutionelle Demokratische Versammlung (RCD), die Tunesien seit 1956 regiert, verfügt im Parlament über eine überwältigende Mehrheit der Sitze.

Ben Ali hatte stets bestritten, ein autokratischer Staatschef zu sein. Stattdessen erklärte er, in Sachen Demokratisierung folge Tunesien seinem „eigenen Rhythmus“ und habe „von niemandem eine Lektion erteilt zu bekommen“. Dieser Rhythmus scheint der Bevölkerung zuletzt nicht mehr ausgereicht zu haben. Wochenlang gingen Demonstranten auf die Straße, protestierten gegen die hohe Arbeitslosigkeit, teure Preise und die fehlende Freiheit. Dutzende Menschen starben, weil die Sicherheitskräfte auf Regierungskritiker schossen.

Am Donnerstagabend versprach Ben Ali in einer Rede an die Nation Reformen, er kündigte ein Ende der Zensur an und seinen Verzicht auf eine weitere Amtszeit. Die Zugeständnisse kamen zu spät. Während in der Hauptstadt Tunis die Proteste eskalierten, verließ Ben Ali am Freitag Hals über Kopf das Land.

Ben Alis Frau sehr unbeliebt


Über das Privatleben des in Hammam Sousse an der Ostküste geborenen Präsidenten ist wenig bekannt. Ben Ali gilt als computer- und technikbegeistert, färbt sich augenscheinlich die Haare und wirkt somit deutlich jünger als 74 Jahre. Gerüchte über eine zurückliegende Krebserkrankung wurden nie bestätigt. Zusammen mit seiner zweiten Frau hat er sechs Kinder.

Leila Ben Ali wurde zuletzt zu einer starken Belastung für den Präsidenten. Die 63-Jährige ist in weiten Teilen der Bevölkerung als rücksichtslos und habgierig verschrien. Ihrer Familie, dem Trabelsi-Clan, werden Korruption und hemmungslose Bereicherung vorgeworfen.
stj/AFP/dpa
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