Corona und der Schutz des Lebens
Welche Pflichten erlegen die Grundsätze einer liberalen Verfassung der Regierung in Pandemiezeiten auf und welche Handlungsspielräume haben sie dabei gegenüber ihren Bürgern?
Jürgen Habermas, geb. 1929 in Düsseldorf, Dr. phil., Philosoph und Sozialwissenschaftler, Professor em. für Philosophie an der Universität Frankfurt a. M., Mitherausgeber der »Blätter«.
Im Folgenden finden Sie sämtliche »Blätter«-Beiträge von Jürgen Habermas.
Welche Pflichten erlegen die Grundsätze einer liberalen Verfassung der Regierung in Pandemiezeiten auf und welche Handlungsspielräume haben sie dabei gegenüber ihren Bürgern?
Wie kommunizierende Röhren vollzogen sich nach dem Mauerfall die deutsche und die europäische Einigung – und beide gerieten durch den Aufstieg des Rechtspopulismus in eine fundamentale Krise. Doch die EU-Politik infolge der Coronakrise hat beiden Prozessen eine zweite und vielleicht letzte Chance beschert.
Ich bin eingeladen, über „Neue Perspektiven für Europa“ zu sprechen; aber neue habe ich nicht, und der trumpistische Zerfall, in dem sich heute selbst der Kern Europas befindet, lässt mich zum ersten Mal ernsthaft an der Bodenhaftung meiner bisher unverdrossen wiederholten alten Perspektiven zweifeln.
In meinem Abiturzeugnis ist als Berufswunsch vermerkt: Habermas will Journalist werden. Allerdings ist mir, seitdem ich damit in der Gummersbacher Lokalredaktion des „Kölner Stadt-Anzeigers“ angefangen und dann bei Adolf Frisé für das Feuilleton des „Handelsblatts“ geschrieben habe, immer wieder bedeutet worden, dass ich zu schwierig schreibe.
Jürgen Habermas: Mir wurde das Privileg übertragen, mit ein paar Worten einzuleiten in das Thema des Gesprächs zwischen unserem prominenten Gast Emmanuel Macron und Sigmar Gabriel, unserem jüngst wie ein Phönix aus der Asche emporgestiegenen Außenminister. Beide Namen verbinden sich mit mutigen Reaktionen auf eine herausfordernde Situation.
Blätter-Redaktion: Nach 1989 war vom „Ende der Geschichte“ in Demokratie und Marktwirtschaft die Rede, heute erleben wir das Aufziehen eines neuen Phänomens autoritär-populistischer Führerschaft, von Putin über Erdogan bis zu Donald Trump.
Am 2. Februar d. J. referierte Jürgen Habermas auf Einladung des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel während der Klausurtagung der SPD-Spitze aus Parteivorstand, Bundesregierung und Ministerpräsidenten in Berlin-Hermannswerder.
In seinem Buch über die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus[1] entwickelt Wolfgang Streeck eine schonungslose Analyse der Entstehungsgeschichte der gegenwärtigen, auf die Realwirtschaft durchschlagenden Banken- und Schuldenkrise.
In der Debatte über Auswege aus der aktuellen Banken-, Schulden- und Währungskrise geraten jene Argumente aus dem Blick, die daran erinnern, dass Europa ein politisches Projekt ist.
Spätestens seit der Schuldenkrise Griechenlands und der anschließenden Eurokrise steht das Projekt der Europäischen Union am Scheideweg.
Die finanztechnische Frage, ob der in Brüssel vereinbarte Stabilitätsmechanismus, der den im Mai 2010 vereinbarten Rettungsfonds im Jahre 2013 ablöst, die Spekulation gegen den Euro beenden wird, lasse ich dahingestellt.
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die die Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 verabschiedet haben, beginnt in Artikel 1 mit dem Satz: „Alle Menschen sind gleich an Würde und Rechten geboren“. Auch die Präambel nennt Menschenwürde und Menschenrechte im selben Atemzug.
Der Bischof von Canterbury empfiehlt dem britischen Gesetzgeber, für die einheimischen Muslime Teile des Familienrechts der Scharia zu übernehmen; Präsident Sarkozy schickt 4000 zusätzliche Polizisten in die berüchtigten, von Krawallen algerischer Jugendlicher heimgesuchten Banlieues von Paris; ein Brand in Ludwigshafen, bei dem neun Türken, darunter vier Kinder, u
Ob Kopftuch oder Karikaturen, Integrationskonferenz oder Moscheenbau – kaum eine Frage erhitzt seit geraumer Zeit die Gemüter in Deutschland so sehr wie jene nach der Rolle des Islam.
Als vor 50 Jahren die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft feierlich beschlossen wurde, stand die innenpolitische Frage der atomaren Ausrüstung der Bundeswehr weit mehr im Zentrum nicht nur meiner Aufmerksamkeit.
Als Student habe ich oft vom anderen Rheinufer aus nach hier, auf den Sitz der vier Hohen Kommissare, hinübergeschaut. Heute betrete ich den Petersberg zum ersten Mal. Die historische Umgebung erinnert an die tiefen Wurzeln, die die alte Bundesrepublik in der Landschaft von Rhein und Ruhr geschlagen hat.
Als mir der Direktor des Karl-Renner-Instituts die erfreuliche Mitteilung machte, dass mir die Jury in diesem Jahr den Bruno-Kreisky-Preis verleihen wolle, hatte ich nicht nur Anlass, über den irritierenden Aspekt der glücklichen Situation nachzudenken, nach Jahrzehnten der Auseinandersetzung und des Genusses eines eher kontroversen Rufes nun soviel unverdiente Anerkennung zu finden.
In diesem Februar jährt sich der Todestag Immanuel Kants zum 200. Mal. Für die amerikanischen "Neokonservativen", die starken Einfluss auf die Bush- Administration ausüben, firmiert Kant als der idealistische Urvater eines europäischen Paradieses vom Ewigen Frieden, das jedoch stets von der Hobbesianischen Machtpolitik der amerikanischen Supermacht profitiere.
Die Europa-Initiative, die Jürgen Habermas am 31. Mai d.J. gemeinsam mit Jacques Derrida, Umberto Eco, Adolf Muschg, Fernando Savater, Richard Rorty und Gianni Vattimo startete, "ist heftig, manchmal auch hämisch, bestritten worden, vor allem, soweit ich sehen kann, in Deutschland".
In einer von Jürgen Habermas initiierten konzertierten Aktion plädierten am 31.
Die Fragen, die Jürgen Habermas im folgenden beantwortet, formulierte Giovanna Borradori. Sie ist italienischer Herkunft, lebt in New York City und lehrt als Professorin für Philosophie am Vassar College. Sie hat einen bekannten, in mehrere Sprachen übersetzten Interview-Band „The American Philosopher“ herausgegeben.
In der Einleitung zu einem Band über "Globale Dynamik und lokale Lebenswelten" heißt es: "Die alles beherrschende Frage ist heute, ob jenseits der Nationalstaaten auf supranationaler und globaler Ebene sowohl die ökologische als auch die soziale und kulturelle Sprengkraft des weltweiten Kapitalismus neu unter Kontrolle gebracht werden kann." 1) Die Ent
Gelegentlich hört und liest man Klagen über die großen deutschen Intellektuellen und ihr Verhältnis zur Politik: Sie äußerten sich mittlerweile "zu allem möglichen", nur nicht zu den drängenden Fragen der Zeit. Es wird schon etwas daran sein, einerlei ob das an den Intellektuellen liegt oder an der Politik.
Der Demokratiepreis, den zuletzt 1990 Bärbel Bohley und Wolfgang Ullmann für die Bürgerrechtler der DDR entgegengenommen haben, geht an den diesjährigen Preisträger mit der folgenden Begründung: Daniel Goldhagen habe "aufgrund der Eindringlichkeit und der moralischen Kraft seiner Darstellung dem öffentlichen Bewußtsein in der Bundesrepublik wesentli