Nikola Poitzmann | Melanie Weiser
Methodenkoffer gegen Einsamkeit
Erfahrungen mit Einsamkeit sind bei Jugendlichen weit verbreitet. Mit der Open-Source-Publikation „Methodenkoffer gegen Einsamkeit“ für Pädagog:innen will das Progressive Zentrum Berlin einen Beitrag leisten, um den Umgang mit Einsamkeit und prodemokratischen Haltungen zu stärken.
Das 21. Jahrhundert zeichnet sich durch eine Vielzahl von Krisen aus. Dazu gehören die Coronapandemie, der Krieg in der Ukraine im Jahr 2022, der zu einer Inflations- und Energiekrise führte, der Aufstieg des Populismus in demokratischen Staaten, die Situation in Israel und Gaza im Jahr 2023 und vor allem die sich verschärfende Klimakrise. Angesichts dieser sich überschneidenden Ereignisse fällt es schwer, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Besonders junge Menschen, die noch ihr ganzes Leben vor sich haben, haben damit zu kämpfen. Diese düstere Aussicht beeinträchtigt auch ihr Vertrauen in die Politik (Storks et al. 2023). Tatsächlich vertrauen weniger als sieben Prozent der 15- und 16-Jährigen den politischen Parteien in Deutschland (Bächtiger et al. 2022).
Raum für Jugendliche schrumpft
Es könnte angenommen werden, dass angesichts dieser beunruhigenden Lage insbesondere Kinder und Jugendliche in den Fokus fördernder politischer Maßnahmen rücken. Dies ist jedoch nicht der Fall. Ein Grund dafür liegt in der demografischen Entwicklung Deutschlands und den begrenzten Möglichkeiten politischer Einflussnahme junger Menschen. Während bei der Bundestagswahl 2021 knapp zwei Millionen 18- bis 20-Jährige wahlberechtigt waren, bildete die Gruppe der Wähler:innen im Alter von über 69 Jahren mit 12,8 Millionen die stärkste Bevölkerungsgruppe (Deutscher Bundestag 2021). Ältere Generationen entscheiden somit über die Zukunft junger Generationen.
Seit dem Ausbruch der Coronapandemie ist der Raum für Jugendliche immer enger geworden. Schulen, Freizeitzentren und Treffpunkte wurden teilweise dauerhaft geschlossen. Dies hat nicht nur politische Auswirkungen, sondern auch gesellschaftliche. Die Forderung nach Solidarität gegenüber älteren Generationen sowie wirtschaftliche Probleme, bedingt durch ausbleibende Hilfszahlungen, haben diesen Raum weiter eingeschränkt. Selbst in den folgenden Jahren sind kaum Fortschritte zu verzeichnen, da die Haushaltskürzungen für die Förderung von Kindern und Jugendlichen zunehmen.
Jugendliche fühlen sich immer machtloser
Infolgedessen erleben Jugendliche zunehmend ein Gefühl der Machtlosigkeit und eine wachsende politische Ohnmacht. Doch Demokratie gedeiht durch die aktive Beteiligung aller Gesellschaftsschichten und den Glauben an die Gestaltung einer besseren Zukunft. Kurz gesagt: Erfahrungen mit Einsamkeit, schrumpfende Räume und politische Ohnmacht sorgen für das anwachsende Gefühl einer geringen Selbstwirksamkeit bei jungen Menschen. Die damit verbundene Vereinsamung Jugendlicher, ob physisch oder psychisch, hat nicht nur gesundheitliche und ökonomische Folgen für das Individuum – sie bedroht auch die demokratische Gesellschaft. Denn Einsamkeit kann demokratieferne Einstellungen und somit auch den Anschluss an extremistische Gruppen begünstigen, wie die Studie „Extrem einsam“ (https://www.demokratie-leben.de/magazin/magazin-details/studie-extrem-einsam-166) gezeigt hat. Einsamkeit hängt demnach signifikant mit Verschwörungsmentalität, der Billigung politischer Gewalt und autoritären Einstellungen…
