Tyrannosaurus rex
Der Tyrannosaurus rex "Trinity" wurde vor einem Jahr in Zürich versteigert. Das vom Auktionshaus Koller angebotene Fossil besteht genau genommen aus drei Individuen und ging für 4,8 Millionen CHF (rund 4,88 Millionen Euro) an einen europäischen Privatsammler.
Foto: EPA/ENNIO LEANZA

Wer sich der Größte und Stärkste in der Nachbarschaft nennen darf, der kommt vermutlich auch ohne viel Gehirnschmalz über die Runden. Ob das auch auf Tyrannosaurus rex zutrifft, ist heiß umstritten. Lange Zeit traute man dem bis zu 13 Meter langen und neun Tonnen schweren Topräuber der ausgehenden Kreidezeit keine herausragende Geistesgröße zu. Doch die inzwischen entdeckten Schädelfossilien, darunter auch von Jungtieren, schienen etwas anderes zu erzählen.

Widerspruch von vielen Seiten

Rekonstruktionen deuteten auf ein verhältnismäßig großes Gehirn hin; besonders weiten Raum nahm dabei das Riechzentrum ein. Auch das Gehör war demnach hochentwickelt. Im Jahr 2023 schließlich legte die US-Neuroanatomin Suzana Herculano-Houzel eine Berechnung vor, die dem Spitzenprädator und ungekrönten König der Dino-Popkultur sogar eine affenartige Intelligenz zuerkannte.

Die Forscherin der Vanderbilt University in Nashville gründet ihre Ergebnisse auf hochskalierte Gehirnzellendaten von Vögeln und Reptilien. Die Studie erntete viel Kritik – und nun hat ein US-Forschungsteam Argumente nachgereicht, die gegen die "Intelligenzbestie" T. rex spricht.

"Die Möglichkeit, dass T. rex so intelligent wie ein Pavian gewesen sein könnte, ist faszinierend und erschreckend und hat das Potenzial, unser Bild von der Vergangenheit zu verändern", erklärte der Paläontologe Darren Naish von der University of Southampton. "Aber unsere Studie zeigt, dass alle Daten, die wir haben, gegen diese Idee sprechen."

Fossilien und Endocasts

Das Team um den Zoologen Kai Caspar von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf untersuchte die Techniken, die zur Vorhersage der Gehirngröße und der Anzahl der Neuronen in Dinosauriergehirnen verwendet werden. Das Ergebnis, kurz zusammengefasst: Die Messungen der Gehirngröße in der Studie aus dem Jahr 2023 sei ungenau, die Annahmen über die Zahl der in den Gehirnen enthaltenen Neuronen seien daher unzulässig.

Die Untersuchung schloss sich jahrzehntelangen Analysen an, in denen Forschende etwas über die Größe und Anatomie von Dinosauriergehirnen herauszufinden versuchten. Grundlage dieser Studien sind meist mineralische Füllungen der Schädelhöhle, den so genannten Endocasts, sowie die Formen der Schädelhöhlen selbst.

Grafik Gehirn- und Körpermasse
Beziehung zwischen Gehirn- und Körpermasse bei Landwirbeltieren: Dinosaurier wie T. rex zeigten ein Gewichtsverhältnis, das dem lebender Reptilien entsprach.
Foto: University of Alberta / Cristián Gutiérrez-Ibáñez

Zehnfach übertrieben

Wie das Forschungsteam im Fachjournal The Anatomical Record berichtet, wurde die Größe des Gehirns und damit auch die Zahl der Neuronen bei T. rex von Suzana Herculano-Houzel um das Zwei- bis Zehnfache überschätzt. Darüber hinaus betonten die Wissenschafter, dass die geschätzte Neuronenzahl kein zuverlässiger Hinweis auf die Intelligenz sei.

Bei Vögeln zum Beispiel wurde ebenfalls lange Zeit angenommen, dass sie aufgrund ihrer geringen Kopfgröße weniger Neuronen haben und daher nicht sehr gescheit sein können. Inzwischen hat sich jedoch herausgestellt, dass die intelligentesten Tiere im Vogelreich zu suchen sind. Manche Krähen schneiden trotz ihrer kleineren Köpfe bei bestimmten kognitiven Aufgaben besser ab als Primaten. Bestimmte strukturelle Eigenschaften wie etwa das Vernetzungsmuster der Nervenzellen spielen demnach eine größere Rolle als Neuronenzahlen oder Gehirnmasse.

Wolle man Biologie und Intelligenz längst ausgestorbener Arten zuverlässig rekonstruieren, brauche es mehr Beweismittel, so die Forschenden. Dazu zählen fossile Fußabdrücke ebenso wie Information über Skelettanatomie, Knochenhistologie und das Verhalten lebender Verwandter. Jüngste fossile Funde eröffneten die Möglichkeit, dass die räuberischen Reptilien sozial waren und vielleicht auch in Rudeln jagten. Aber das allein reicht nicht aus, um auf eine Intelligenz auf Primatenniveau zu schließen.

Reptilien und ihre Gehirne
Unterschiedliche Reptiliengruppen und Vögel in Zusammenhang mit der jeweiligen Gehirnkomplexität. Die Gehirne der Tyrannosauriden gleichen denen von Krokodilen.
Grafik: Caspar et al./The Anatomical Record

Smart wie ein Krokodil

"Um die Intelligenz von Dinosauriern und anderen ausgestorbenen Tieren zu bestimmen, sollte man sich nicht allein auf Schätzungen der Neuronenanzahl verlassen", sagte auch Hady George von der School of Earth Sciences in Bristol, Co-Autor der Studie.

Und wie würde nun das Team Tyrannosaurus rex intelligenzmäßig einschätzen? Zumindest auf Grundlage des Endocasts siedeln Caspar und seine Gruppe den Schrecken der nordamerikanischen Kreidezeit eher bei den Krokodilen an. In vielen relevanten Punkten, so Caspar, gebe es hier Überschneidungen, beispielsweise was die Proportionen der verschiedenen Hirnregionen und das Volumen im Vergleich zur Körpermasse betrifft.

Diese charakteristischen Muster leiten sich von den gemeinsamen Vorfahren der Krokodile und Dinosaurier beziehungsweise Vögel ab, den sehr urtümlichen Archosauriern. In den Entwicklungslinien, die zu den Tyrannosauriern und den modernen Krokodilen führen, hat sich in dieser Hinsicht wenig verändert. Der Saurier von vor über 60 Millionen Jahren besaß also vermutlich eine vergleichbare Neuroanatomie und eine ähnliche Verhaltensflexibilität wie heutige Krokodile. (tberg, red, 11.05.2024)