Die Klasse von '99 – Schule war gestern – Leben ist jetzt (D 2003) : KRITIK : artechock

Die Klasse von '99 – Schule war gestern – Leben ist jetzt

Deutschland 200394 min. � FSK: ab 12
Regie: Marco Petry
Drehbuch:
Kamera: Axel Block
Darsteller: Matthias Schweigh�fer, Tim Sander, Anna Bertheau, Axel Stein u.a.
Das Leben nach der Schule
  • Kritik von R�diger Suchsland
  • Kritik von Felicitas Darschin

�Hey Bulle!�, �Hey Verbre�cher!� – schon die Art, wie sich die beiden alten Freunde am Bahnhof begr��en, skizziert ihre zuk�nf�tigen Rollen. Drei Jahre ist es her, seit Felix (Matthias Schweig�h�fer) aus dem Kaff gezogen ist, in dem beide aufwuchsen, und seinen besten Freund Soeren (Tim Sander) zuletzt gesehen hat.

Jetzt ist er zur�ck�ge�kommen, das Studium hat er geschmissen und ist zur nahe gelegenen Poli�zei�schule gegangen. Doch die Zeit ist nicht stehen�ge�blieben, und Felix' Hoffnung, einfach an das alte Leben der letzten Schul�jahre ankn�pfen zu k�nnen, erweisen sich schnell als Trug�schlu�. Denn Soeren hat sich ver�ndert: Aus dem netten Jungen von Nebenan ist ein Provinz�schn�sel geworden, dem Geld�ver�dienen viel wichtiger ist, als Freund�schaften.

Felix braucht eine Weile, um sich die Distanz einzu�ge�stehen, die zwischen ihm und Soeren entstanden ist. Eine Menge mit der zu tun hat auch Simona (Anna Bertheau), in die sich Felix einst verguckt hat, und die jetzt die Freundin von Soeren ist, auch wenn der sie mit ziem�li�cher Gleich�g�l�tig�keit behandelt.

Das sonstige Leben ist typisch f�r die Tristesse der Provinz: Im Ford Escort brettert man �ber die Land�stra�e, am Sams�tag�abend l�sst man �die Sau raus�, die Zeit dazwi�schen wird mit Kiffen, Bier�trinken und vielen Erin�ne�rungen an die �gute alte Zeit� vor drei Jahren �ber�br�ckt. Die Provinz, das Dasein junger Leute zwischen Aufbruchs�willen und zielloser Suche, sind das Thema des 28j�hrigen Marco Petry. Schon mit seinem Deb�t Schule hat Petry vor drei Jahren angenehm �ber�rascht: Ein sensibles St�ck �ber einen Abijahr�gang sahen �ber eine Million Zuschauer. Und Petry zeigte sich als einer der ganz wenigen Begabten seiner Gene�ra�tion: Sensibel in der Schau�spiel�f�h�rung, klug in der Insze�nie�rung, diffe�ren�ziert in den von ihm selbst geschrie�benen Geschichten – und �berdies mit einem N�schen f�rs Publikum. Alle diese Tugenden zeichnen auch Die Klasse von �99 – Schule war gestern – Leben ist jetzt aus, seinen zweiten Spielfilm, der jetzt ins Kino kommt.

Eine Geschichte �ber Jugend und Verschwen�dung, �ber das Erwach�sen�werden, das m�hsam ist, und Opfer kostet. Petry hat sie genau und realis�tisch, stimmig und mit viel Sympathie f�r seine Figuren insze�niert. Von kleineren, unwich�tigen Unge�nau�ig�keiten abgesehen, ist Die Klasse von �99 – Schule war gestern – Leben ist jetzt ein ganz erwach�sener, ein sch�ner Film geworden.

Nach einem Film �ber die Schule (Petry�s Spielfilm-Deb�t 1999) und all ihre Puber�t�ts�n�te eine Geschichte �ber das �wahre Leben� danach zu erz�hlen, war die Idee. Daraus geworden ist ein z�rt�li�cher Abgesang �ber die Unbe�schwert�heit der Jugend und zugleich ein Appel, sich ihr zu rechten Zeit zu entziehen.

Die jugend�li�chen Prot�ago�nisten Felix, S�ren, Schmidt und Hauss�schild sind erwachsen geworden – zumindest scheint das Leben ihnen eben das jetzt uner�bitt�lich abfordern zu wollen. Sie wehren sich tapfer, indem sich jeder an den andern klammert: auf die Clique ist Verlass! Und gemeinsam �auf Tour gehen� ist immer noch das Gr��te. Warum kann nicht einfach Alles so weiter�gehen wie bisher? Nachdem Felix als Einziger der Clique die Stadt verlassen hatte, kehrt er von Heimweh geplagt zur�ck ins warme Nest, um seine Poli�zei�aus�bil�dung fort�zu�setzen. Alles scheint beim Alten, sein bester Kumpel S�ren (Tim Sander) f�hrt ihn schnell wieder ins dumpfe Sauf-, Rauf- und Party�leben ein. Aber Felix bleibt immer ein kleines bi�chen au�en vor. Es dauert eine Weile, bis er das selbst merkt. Und es liegt nicht nur daran, da� S�ren inzwi�schen mit Felix� gro�er Liebe Simona (Anna Bertheau) liiert ist, es steht noch mehr zwischen den Freunden: Zeit. Beide wollen erstmal nicht wahrhaben, da� ihre Welt�an�schau�ungen ausein�an�der�ge�driftet sind.

Matthias Schweig�h�fer schafft den Spagat, Felix� emotio�nale Zwie�sp�l�tig�keit �ber�zeu�gend sp�rbar zu machen. Er verk�r�pert einen z�ger�li�cher Charakter: intel�li�gent, zur�ck�hal�tend, ernsthaft. Eigent�lich will es Felix seinen Freunden immer recht machen, sich anpassen. Stellt dann aber doch fest, da� er sich im Gegensatz zu den anderen ein St�ck weiter entwi�ckelt hat. Der Weg zur�ck in die Unbe�schwert�heit scheint verbaut. Felix hat ein Gewissen entwi�ckelt, da� ihn immer wieder ermahnt: mach was aus Deinem Leben – und – vor allem nicht Alles mit! S�ren n�mlich hat f�r sich den Drogen�schmuggel �ber die holl�n�di�sche Grenze als lukrative Einnah�me�quelle entdeckt. Als ein Helfer ausf�llt, soll ausge�rechnet Poli�zei�sch�ler Felix S�ren helfen. Und Felix hilft, trotz mora�li�scher Konflikte, schlie߭lich ist S�ren sein – ehemals – bester Freund. Bei ihren n�cht�li�chen Touren, dem Unfalltod des eigen�wil�ligen Schmidt (Axel Stein) und nicht zu letzt beim Jahr�gangs�treffen der �Klasse von 99� wird Felix immer klarer, da� er nicht mehr in diese Welt passt, sie ist f�r ihn zu klein geworden. Auch wenn er selbst nicht wei�, wie sein Leben in Zukunft aussehen soll, es hat auf jeden Fall nichts mehr mit der Vergan�gen�heit zu tun!

�hnlich wie seine Haupt�figur Felix, n�mlich ein bi�chen unent�schlossen aber einf�hlsam, ja beinahe z�rtlich, stellt sich Regisseur Marco Petry mit Die Klasse von �99 – Schule war gestern – Leben ist jetzt dem Thema Erwach�sen�werden. Er liefert keine glatte Moral�pre�digt �ber die Werte�sys�teme der Jugend, die im sp�teren Leben ihre Bedeutung verlieren, sondern versucht sich mit diesen Werte�sys�temen ausein�ander zu setzen. Freund�schaft, Lebens�l�gen und Selbst�fin�dung spielen darin die Haupt�rolle. Felix� Weg ist keine Anleitung, wie man richtig erwachsen wird, er ist einfach nur ein weiterer Beweis daf�r, da� jeder eine Entwick�lung durch�ma�chen und diese zulassen mu�, um seinen eigenen Weg im Leben zu finden. Es geht nicht darum, zu erkl�ren, wie man etwas tun soll, sondern ein Gesp�r daf�r zu entwi�ckeln, was man selbst f�r richtig h�lt. Alle Unsi�cher�heiten und Zweifel geh�ren dazu. Die Riege der Nach�wuchs�dar�steller �berzeugt. Ein Film der leisen Tonart, der auch die Frage zul�sst, ob es eben nur in der Jugend so richtig knallt und das Leben sp�ter eigent�lich nichts zu bieten hat, au�er der Erkenntnis, da� es so nicht weiter gehen kann Viel�leicht w�re es am Ende doch ganz sch�n gewesen mit Felix gemeinsam heraus�zu�finden, was hinter all dem liegen wird. Seine Ziele bleiben unkonkret. Hier ist viel�leicht auch Regisseur Petry ein bi�chen ausge�wi�chen.