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Die wahre Evelyn Hamann kannte kaum einer

Redaktionsleiter Hamburg und NRW
Evelyn Hamann ist tot Evelyn Hamann ist tot
Schrieb Fernsehgeschichte: Evelyn Hamann starb im Alter von 65 Jahren
Quelle: DDP
Frau Hoppenstedt! Jodeldiplom! Die Schauspielerin wurde an der Seite von Loriot zur Spezialistin für Spießbürgerinnen am Rande des Nervenzusammenbruchs. Evelyn Hamann war einer der scheusten Stars Deutschlands. Ihre Sprüche kennt fast jeder, die Frau dahinter nicht.

Einer der schönsten Sätze von Loriot lautet: „Frauen haben auch ihr Gutes“. Und für keine andere Frau galt dieser Satz – zumindest, was den Beruf angeht, und zumindest, was Loriot angeht – wohl so trefflich wie für Evelyn Hamann. Vielleicht wäre die Karriere des Großhumoristen ganz anders verlaufen, wenn er nicht diese eine Frau getroffen hätte und es ihm gelungen wäre, das Gute in ihr zu fördern. Die besten Sketche Loriots leben bis heute von beiden, von ihm und ihr: „Bitte sagen Sie jetzt nichts, Hildegard!“.

In jedem Fall war die Laufbahn der Hamburger Schauspielerin Evelyn Hamann ohne Loriot nicht denkbar; dass es ihr trotzdem gelungen ist, durch zahlreiche andere Rollen in der Zeit nach den großen Sketchen, die auch in der Tausendsten Wiederholung nie abgenudelt wirken, kann vielleicht sogar als die größere Lebensleistung gelten. In der Nacht zu Montag ist sie nach längerer schwerer Krankheit im Alter von 65 Jahren in einem Hamburger Krankenhaus gestorben.

Tochter eines Musiker-Ehepaars

Die Hansestadt war der Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens, auch wenn ihr der große Durchbruch im Alter von 34 Jahren in der benachbarten kleineren Hansestadt Bremen gelang. Dorthin war die Tochter eines Musiker-Ehepaars – Vater Bernhard hatte es bis zum Konzertmeister des NDR-Sinfonieorchesters gebracht, die Mutter war Sängerin – nach einer Schauspielausbildung und ersten Rollen am Thalia Theater gekommen.

In einem ihrer wenigen Interviews sagte sie über diese Zeit, dass ihr „Charaktergesicht“ manches Engagement verhindert habe. „Ich war nun mal nicht der Prototyp des Gretchen, nicht im Mindesten hold und lieblich. Ich suchte verzweifelt nach Rollen.“ Am Bremer Goethetheater, in den frühen siebziger Jahren mit einer Neuausrichtung des Regietheaters eines der führenden Häuser der Republik, kam sie schließlich unter. Und weil am Stadtrand, in den Studios von Radio Bremen, seinerzeit ebenso kreativ über die Zukunft des Fernsehens nachgedacht wurde – und das auch noch von Vicco von Bülow – kam die eine zum anderen.

Zu den wenigen Anekdoten, die Hamann aus dieser Zeit öffentlich erzählte, zählt genau dieser erste gemeinsame Moment mit Loriot. Dieser hatte für seine neue Sketchreihe eigentlich den Typus einer kleinen, rundlichen, blonden Hausfrau gesucht. Evelyn Hamann war nichts von alledem, aber immerhin war eine blonde Perücke griffbereit. „Ich spielte ihm tapfer etwas vor. Und dann fragte er mich: ‚Liebe Frau Hamann, wenn Sie auf unsere Kosten mehrere Wochen täglich Schweinshaxen essen, meinen Sie, Sie werden dann fülliger?“ Doch die Unsinnigkeit dieser Idee sei ihm dann auch schnell klar geworden: „Gut, dann eben nicht pummelig“.

„Sie war tatsächlich fabelhaft“

Und schon kam der Vertrag, der das deutsche Fernsehen um ein unverwechselbares Gesicht bereichern sollte. Und um das Jodeldiplom, die korrekte Aussprache der englischen Vorsilbe „th“, Frau Hoppenstedt und Sekretärin Renate, die sich ihrem ungeschickten Chef vergeblich hinzugeben versucht. Die kleinen Stücke über die Absurdität des Normalen leben von der Exaktheit der Dialoge, aber auch von der punktgenauen und im besten Wortsinn pointierten Mimik Hamanns, die das schmale Schnittfeld zwischen Komödie und Tragödie, zwischen Lachen und Weinen, ausleuchtet.

Sie konnte glaubwürdig zornig quer durch die Kulisse donnern, um im nächsten Moment versöhnlich die Augenbrauen hochzuziehen und in schallendes Gelächter zu verfallen, sie konnte das tägliche Ringen um die Contenance in einem Strudel der Absurditäten in jede Richtung lenken – ihr Gesicht, das sie nicht in die Nähe der klassischen Schönen des deutschen Fernsehens wie Iris Berben oder Hannelore Elsner rückte, machte einfach alles mit. Wandelbar, nennen das die Besetzungsleiter der Fernsehproduktionen.

„Sie war tatsächlich fabelhaft“, fasste es kürzlich Loriot zusammen, als er eine neue DVD-Sammlung der Humorreihe, aus der schließlich mit „Ödipussi“ und „Papa ante portas“ auch zwei Kinofilme hervorgingen, vorstellte.

Adelheid fand alle Mörder

Über dieses so schwierige Genre Humor hatte Evelyn Hamann in der Zeit mit Loriot so viel gelernt, dass sie auch in den 80er-Jahren an ihre frühen Erfolge anknüpfen konnte. „Mir geht es doch wie so wie allen anderen“, sagt sie. „Ich tue mich mit irgend etwas furchtbar schwer, es misslingt mir total, und Tage später schlage ich die Hände über dem Kopf zusammen und finde es urkomisch, wie dusselig ich mich angestellt habe. Komiker müssen die kleinen Katastrophen des Alltags erkennen und zuspitzen. Das hat mit Intelligenz und Genauigkeit zu tun.“

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Diese Einsichten trugen die leidenschaftliche Hobby-Pianistin durch die weiteren Jahre und mehr als 200 Rollen an Theater und Fernsehen. In der „Schwarzwaldklinik“ war sie die Haushälterin Professor Brinkmanns, in „Geschichten aus dem Leben“ bot sie eine ganze Reihe an Frauenfiguren an, die im Grunde alle für eine bessere Welt kämpfen und am Ende zumindest Teilerfolge erzielen.

Als einfallsreiche Mutter, die bei der Postenvergabe benachteiligt wird, erscheint sie in „Wut im Bauch“ (1998), in „Ehemänner und andere Lügner“ (2000) spielt sie eine betrogene Ehe- und Hausfrau, die jegliche Zurückhaltung ablegt und zu großer Form aufläuft. Zu einer für sie besonders prägenden Rolle entwickelt sich der ARD-Quotenrenner „Adelheid und ihre Mörder“, in der sie mit dem Satz „Ich glaube, ich kenne den Mörder“ jeden Fall zu einer Lösung führt. Bei ihren Rollen kam es Evelyn Hamann nach eigenen Worten darauf an, auf glaubwürdige Weise normale Menschen darzustellen. „Für mich ist wichtig, dass sich der Zuschauer denkt: Ja, so eine Frau kenne ich wirklich.“

Sie sprach Tschechow und Patricia Highsmith

In ihrem Privatleben gab sich Hamann selbst für eine Hamburgerin ungewohnt hanseatisch-zurückhaltend. Die vielen Partys der Stadt, bei denen sich die Sternchen und Stars mit warmen Mahlzeiten versorgen, mied sie, aber nicht nur das: Öffentliche Auftritte gab es bei ihr generell kaum. Journalisten gehörten nicht zu ihren Freunden. So viel ist dennoch bekannt: Sie war einmal kurz verheiratet, liebte Katzen und Wagner-Musik und wenn sie sich entspannen wollte, malte sie. Kollegen können auch von der sperrigen Grandezza Hamanns erzählen, die sich auch an den Drehorten zuweilen scheu gab. Oft übernachtete sie in anderen Hotels als das übrige Team. Auch ihr Verhältnis zu Loriot galt zuletzt als unterkühlt, wenngleich sie die gemeinsame Zeit immer wieder als „Geschenk ihres Lebens“ bezeichnete.

Der Bühne blieb Hamann auch parallel zu ihrer Fernsehkarriere treu. Außer in Theaterstücken machte sie sich dabei zunehmend einen Namen als Sprecherin und mit Solo-Auftritten bei Lesungen. Als Sprecherin produzierte sie eine Reihe von Hörbüchern, unter anderem von der Krimiautorin Patricia Highsmith oder von Anton Tschechow. In diesem Jahr wollte Hamann eigentlich mit einer Lesung weihnachtlicher Stücke auf Tournee gehen.

Doch nach dem Abschluss ihrer letzten Tournee Ende 2006 sei es ihr nicht mehr möglich gewesen, neue Projekte anzugehen, sagte ihr Manager Hans Dieter Weverinck. Es habe Hamann durch ihre Krankheit bedingt schlicht die Kraft gefehlt. Zwischen Weihnachten und Neujahr 2006 musste Hamann nach den Worten ihres Managers erkennen, dass sie unheilbar an Krebs erkrankt war. Hamann verbrachte ihre letzten Monate mit ihrem Lebensgefährten, zu ihrem 65. Geburtstag im August dieses Jahres gab sie vor, zu verreisen – tatsächlich blieb sie in Hamburg.

Würdigungen und Preise

An Würdigungen fehlte es am Montag nicht. Kulturstaatsminister Bernd Neumann sagte, Hamann habe an der Seite Loriots Fernsehgeschichte geschrieben. „Wie kaum eine andere vermochte sie es, die Gefährdungen durch Alltag und Mitmenschen in den komischsten Farben zu zeichnen.“ Auch wenn sie dank ihrer Wandlungsfähigkeit ebenso in ernsten Rollen zu überzeugen vermocht habe, „werden uns besonders ihr unvergleichlicher Witz und ihr subtiler Humor fehlen.“

ARD-Programmdirektor Günter Struve würdigte Hamann als „brillante Schauspielerin“. Ihr Markenzeichen sei ihr „hanseatisch-trockener Humor und ihr spröder Witz“ gewesen. Und Ole von Beust, Bürgermeister ihrer Heimatstadt Hamburg, sagte: „Unvergessen wird mir Evelyn Hamann als unerreichte Darstellerin an der Seite von Loriot bleiben. Es sind Sternstunden der deutschen Fernseh-Geschichte, die unvergänglich bleiben werden.“

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Hamann wurde für ihre Leistungen mehrfach ausgezeichnet. Allein die Goldene Kamera der Illustrierten „Hörzu“ erhielt sie drei Mal im Zehn-Jahres-Rhythmus: 1977, 1987 und 1997. Außerdem ehrte sie RTL 1997 mit dem Goldenen Löwen. Im gleichen Jahr bekam Hamann den Bayerischen Fernsehpreis für die beste Seriendarstellerin – als Sekretärin Möbius in „Adelheid und ihre Mörder“.

Das Erfolgsrezept ihrer Arbeit fasste Hamann selbstbewusst zusammen: „Ohne das nötige Talent geht es nicht.“

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