Superwelt - Film ∣ Kritik ∣ Trailer – Filmdienst

Drama | Österreich 2015 | 120 Minuten

Regie: Karl Markovics

Das Leben einer österreichischen Supermarkt-Kassiererin und Familienmutter gerät aus den Fugen, als sie zur Ansprechpartnerin einer mysteriösen Stimme wird, die sich als Gott entpuppt. Der himmliche Kontakt ist für die einfache Frau eher verstörend als tröstlich, bringt sie gleichwohl dazu, die Gleise ihres Alltags zu verlassen. Ein hervorragend inszeniertes Drama mit tragikomischen Zügen, das zwischen anschaulicher Milieustudie und Übersinnlichem balanciert, wozu die atmosphärische Kameraarbeit sowie die hervorragende Hauptdarstellerin beitragen. Über seine "transzendentale" Handlung zielt der Film aufs konkrete Leben ab und regt dazu an, dessen Sinnhaftigkeit zu überdenken. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
SUPERWELT
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
2015
Produktionsfirma
Epo-Film
Regie
Karl Markovics
Buch
Karl Markovics
Kamera
Michael Bindlechner
Musik
Herbert Tucmandl
Schnitt
Alarich Lenz
Darsteller
Ulrike Beimpold (Gabi Kovanda) · Rainer Wöss (Hannes Kovanda) · Nikolai Gemel (Ronnie Kovanda) · Angelika Strahser (Sabine Kovanda) · Thomas Mraz (Georg)
Länge
120 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
PolarFilm (16:9, 1.78:1, DD2.0 dt.)
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So spektakulär wie weiland der brennende Dornbusch, aus dem Jahwe zum alttestamentarischen Moses sprach, ist die göttliche Kontaktaufnahme nicht, die der Supermarktkassiererin Gabi in Karl Markovics’ zweitem Spielfilm zuteilwird. Zunächst sind es nur kleine Irritations­momente: das Gefühl, dass jemand hinter ihr sei, als sie vom Sportkurs zu ihrem geparkten Auto läuft, Geräusche, die mal aus dem abgeschalteten Fernseher, mal aus dem Kühlschrank zu kommen scheinen.

Diskussion
So spektakulär wie weiland der brennende Dornbusch, aus dem Jahwe zum alttestamentarischen Moses sprach, ist die göttliche Kontaktaufnahme nicht, die der Supermarktkassiererin Gabi in Karl Markovics’ zweitem Spielfilm zuteilwird. Zunächst sind es nur kleine Irritations­momente: das Gefühl, dass jemand hinter ihr sei, als sie vom Sportkurs zu ihrem geparkten Auto läuft, Geräusche, die mal aus dem abgeschalteten Fernseher, mal aus dem Kühlschrank zu kommen scheinen. Daraus werden bald Aussetzer, bei denen Gabi mitten in einer Beschäftigung – beim Einräumen der Regale und beim Abkassieren im Supermarkt, zuhause in der Küche beim Eingießen des Tees – wie erstarrt innehält, um der seltsamen Stimme zu lauschen. Bis Gabi akzeptiert, dass es sich dabei nicht um eine Störung ihres Hörsinns, sondern tatsächlich um die Stimme Gottes handelt, dauert es eine Weile. Und als es soweit ist, ist Gabi alles andere als begeistert. Obwohl Markovics die göttliche Präsenz, die seine Figur wahrnimmt, in seinem Film nicht direkt auftreten lässt – man hört nicht, was Gabi hört, sondern sieht nur ihre Reaktionen darauf – legt seine Inszenierung von Anfang an nahe, dass es hier nicht um eine Figur mit einer psychischen Erkrankung geht, die sich alles nur einbildet, sondern dass dieser Gabi tatsächlich etwas widerfährt, was nicht von dieser Welt ist. Das hängt zum einen mit der von Ulrike Beimpold wunderbar verkörperten Heldin selbst zusammen, die ausführlich als Frau eingeführt wird, die, wie man so schön sagt, »mit beiden Beinen im Leben steht«: eine unprätenziöse Arbeiterin und Familienmutter, die mit bewundernswerter Energie die Gleise ihres Alltags entlangkurvt. Vor allem aber brechen Markovics und sein Kameramann Michael Bindlechner durch die ausdrucksstarke Bildsprache von Anfang an subtil die an sich realistische Schilderung von Gabis Milieu und ihrem Alltag auf und schaffen eine Atmosphäre, durch die das Übernatürliche in die Wirklichkeit hineinschlüpfen kann: z.B. durch extreme Großaufnahmen (wie gleich am Anfang vom nassen Asphalt auf dem Supermarktparkplatz), die Vertrautes fremd machen, durch Szenenwechsel, die einen mit unerwarteten, im ersten Moment irritierenden Bildmotiven konfrontieren, durch ungewöhnliche Perspektiven. Dadurch entsteht eine Stimmung, die vorwegnimmt und begleitet, wie Gabi ihr »Angesprochensein« empfindet: als Verstörung. Wie es in der Bibel von Propheten wie Jona und Jeremiah berichtet wird, lässt auch Markovics seine Figur an der Zumutung des göttlichen Kontakts leiden; sie fängt an, sich mit Fragen an ihr Leben und ans Menschsein generell zu befassen, die sie sich vorher nie gestellt haben, wodurch allmählich ihr Selbstbild und ihre sozialen Beziehungen bröckeln. In einer der stärksten Szenen schreit sie ihren Frust darüber Richtung Himmel – und muss sich damit abfinden, dass Gott die Antwort schuldig bleibt. Markovics beweist in der Ausmalung dieses Konflikts zwischendurch immer wieder einen feinen Sinn für Humor, lässt sich aber im Ganzen mit großer Ernsthaftigkeit auf das »transzendentale« Szenario ein. Worauf er damit abzielt, sind weniger jenseitige Spekulationen als vielmehr ein Auf-den-Prüfstand-Stellen des konkreten Lebens: Gabis Erlebnis wird für sie und in der Folge auch für ihr Umfeld und primär für ihren Mann zum Stolperstein, der dazu bewegt, das gemeinsam eingerichtete Dasein zu überdenken – was schmerzhaft ist, letztendlich aber etwas ungeheuer ­Befreiendes hat.
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