Eine komplizierte Saison und die zu ziehenden Lehren | Der Betze brennt

Rückblick und Analyse: Die FCK-Saison 2023/24

Eine komplizierte Saison und die zu ziehenden Lehren

Eine komplizierte Saison und die zu ziehenden Lehren


Das Pokalfinale erreicht, fast abgestiegen, die Mannschaft für viel Geld auf links gedreht, drei Trainer verschlissen. Was lief schief beim 1. FC Kaiserslautern? Eine DBB-Analyse von Jürgen Kind und Thomas Hilmes.

Das ursprüngliche Saisonziel: Etablieren und Mittelfeldplatz

Man sagt, dass die zweite Saison eines Aufsteigers oftmals die schwierigere im Vergleich zur ersten ist. Beim FCK bestätigte sich dies. Nach dem souveränen Klassenerhalt 2022/23 wurde 2023/24 erst am 33. Spieltag das Minimalziel geschafft - vorzeitig nur dank Schützenhilfe aus Braunschweig. Dabei schien der Kader gut gerüstet zu sein zumindest für einen Platz im gesicherten Mittelfeld, wenn nicht sogar für mehr. Das war schließlich das offiziell erklärte Saisonziel, auch wenn es während des nervenaufreibenden Abstiegskampfs in Vergessenheit geraten ist: "Den FCK weiter etablieren und einen Mittelfeldplatz schaffen."

Was lief schief?

Zu Saisonbeginn war noch Dirk Schuster als Cheftrainer im Amt. Nach zwei Niederlagen zum Auftakt gegen vermeintliche (Schalke 04) und tatsächliche Liga-Schwergewichte (FC St. Pauli) stabilisierte sich der FCK auf hohem Niveau und lag Mitte Oktober 2023 auf einem höchst beachtlichen dritten Tabellenplatz. Dann kam das Auswärtsspiel in Düsseldorf. Die Roten Teufel führten vor 52.000 Zuschauern mit 3:0, unterlagen aber noch mit 3:4, nachdem ein Flaschenwurf und späterer Bänderriss bei Ragnar Ache die ganze Mannschaft aus dem Konzept brachten. Aber warum verlor man danach völlig den Faden und setzte zu einer unfassbaren Niederlagenserie an? Bis Weihnachten wurde noch genau ein einziger Punkt aus sieben verbleibenden Liga-Spielen erkämpft. Die Tabelle wies zur Winterpause einen gewaltigen Absturz bis auf Platz 15 aus.

Schließlich wurde Dirk Schuster entlassen und nach turbulent wirkender, aber am Ende doch nur zwei Tage dauernder Trainersuche durch den einstigen FCK-Spieler und Schalke-Trainer Dimitrios Grammozis ersetzt. Dieser schaffte den Turnaround jedoch nicht. Zwei der sieben Niederlagen zwischen dem 10. und dem 17. Spieltag gingen bereits auf sein Konto. Allerdings fuhr der 45-jährige Deutsch-Grieche wie Schuster auch zwei Siege im DFB-Pokal ein, ein Wettbewerb, in dem der FCK in der Saison 2023/24 erstaunlicherweise immer funktionierte.

Nach der chaotischen Winter-Transferperiode - dazu später mehr - war es vor allem die Hoffnung, die die FCK-Fans an eine Besserung glauben ließ. Doch die Niederlagenserie ging auch im neuen Jahr weiter, sodass Grammozis nach fünf Pleiten in sechs Liga-Partien bereits Mitte Februar 2024 wieder entlassen und durch den Routinier Friedhelm Funkel ersetzt wurde. Der Druck aus dem Fan-Umfeld sowie auch vom mächtigen FCK-Beirat war inzwischen so groß geworden, dass ein erneutes Experiment mit einem jungen Trainer wie Grammozis nicht noch einmal akzeptiert worden wäre. Der aus der Fußball-Rente zurückgeholte, gerade 70 Jahre alt gewordene Funkel, der einst mit Beiratsmitglied Hans-Peter Briegel selbst den Platz auf dem Betze umpflügte, zeigte sich sofort optimistisch. Das neue Ziel Klassenerhalt sei noch zu schaffen, predigte er selbst in den größten Krisenmomenten gebetsmühlenartig. Und trotz weiterhin auftretender Leistungsschwankungen schaffte er es schließlich auch.

Achterbahnfahrt zwischen großer Bühne und täglich Brot

Parallel zu den extrem schwankenden Leistungen in der Liga gab es einen erstaunlichen Durchmarsch im DFB-Pokal. Hier zeigten die Roten Teufel durchgehend ordentliche bis überzeugende Spiele und krönten die Cup-Saison mit dem Einzug ins Finale. Natürlich hatte der FCK auch ein gewisses Losglück, ehe nun nächste Woche in Berlin die Übermannschaft Leverkusen wartet. Aber alle Partien wurden verdient gewonnen und der Endspiel-Einzug ist damit gar nicht mehr so überraschend.

Warum spielten die Männer in Rot in diesem Wettbewerb gut, streckenweise souverän und mit Selbstvertrauen behaftet, in der Liga aber so oft nicht? Die große Bühne unter Flutlicht trieb die FCK-Spieler oft zu Höchstleistungen, aber beim täglich Brot um 13:00 Uhr in der Zweiten Liga fehlte häufig der Biss.

Zu klären ist also, warum der Kader, der trotz mancher Fehlverpflichtung doch deutlich stärker als aktuell Platz 15 mit mageren 36 Punkten eingestuft wurde, nie zu einer positiven Konstanz finden konnte? Der Saisonausklang lieferte hierfür weitere Nachweise. Einer enttäuschenden Leistung vor allem in der zweiten Halbzeit gegen den SV Wehen Wiesbaden (1:1) folgten bärenstarke Auftritte beim Tabellenführer und späteren Aufsteiger Holstein Kiel (3:1) sowie zu Hause gegen den 1. FC Magdeburg (4:1), ehe man bei der Hertha SC wieder in alte Muster verfiel und vollkommen verdient mit 1:3 verlor.

Ob wiederkehrende Einbrüche in der zweiten Halbzeit mit mangelnder Kondition oder mentalen Problemen zu erklären sind - wahrscheinlich ist es sogar eine Mischung aus beidem -, muss nun die interne Analyse klären, die in der dringend nötigen Intensität erfolgen sollte.

Geschäftsführer Thomas Hengen kritisierte zuletzt die Mannschaft mehrfach öffentlich, beispielsweise für "Hosenscheißer-Fußball" (nach dem Wehen-Spiel) oder zu viel "ich, ich, ich" (nach dem Hertha-Spiel). In dieselbe Richtung stieß auch Friedhelm Funkel nach dem Klassenerhalt mit seiner Aussage: "Der FCK braucht Spieler, die ihr Herz auf dem Platz lassen und keine Selbstdarsteller sind." Es wird auch zu besprechen sein, warum der FCK drei Trainer benötigte, um das absolute Minimalziel zu erreichen. Von denen keiner die zweitschlechteste Defensive der Liga dicht bekam. Pikant: Sowohl Schuster als auch Grammozis hatten intern nach zusätzlichen Abwehrspielern verlangt, bekamen aber fast nur Neuzugänge für die Offensive und hier hauptsächlich für die Flügelpositionen.

Aufgrund offensichtlicher Mentalitätsmängel bei manchen Profis braucht es wieder eine höhere Anzahl von "Betze-Spielern", die Trainer-Veteran Funkel immerhin hier und da (wieder)gefunden hat. Wer sich vorzustellen vermag, dass es großartig sein könnte, regelmäßig vor 40.000 Zuschauern und mehr sein Herz auf dem Platz zu lassen - und zwar eben auch samstags um 13:00 Uhr -, der ist herzlich willkommen. Spieler, denen alles egal zu sein scheint und die nur Dienst nach Vorschrift schieben, will hingegen niemand mehr im Fritz-Walter-Stadion sehen.

Die Akte Hajri: Ist er wirklich der Hauptschuldige am Chaos in Lautern?

Einen zweiten Geschäftsführer neben Thomas Hengen zu installieren, um diesen zugunsten des sportlichen Bereichs zu entlasten, wurde Anfang 2023 im hierfür zuständigen FCK-Beirat diskutiert. Stattdessen wurde eine neue Ebene unterhalb von Hengen geschaffen, die mittlerweile drei Direktoren ausfüllen: Enis Hajri als Technischer Direktor (faktisch: Sportdirektor und Kaderplaner), Saskia Bugera als Kaufmännische Direktorin und seit einigen Wochen neu der intern beförderte Marcus Böse als Direktor für Kundenpflege & Digitales.

Im Rückblick darf vor allem die Entscheidung für Hajri, der die meisten sportlichen Aufgaben wie Kaderplanung und Trainerfindung von Hengen übernahm, als gescheitert angesehen werden. Der Sportdirektor wurde zunächst von Dirk Schuster sozusagen an der kurzen Leine und so weit wie möglich von der Mannschaftskabine fern gehalten. Nachdem Schuster im November entlassen wurde, brachen alle Dämme. Mit Dimitrios Grammozis wurde ein schwacher Trainer als Nachfolger eingestellt, im Winter dann die Teamhierarchie komplett zerstört. Mit Andreas Luthe, Erik Durm und Terrence Boyd wurden drei trotz teilweiser Ersatzrolle etablierte Persönlichkeiten abgegeben. Alle drei wären auch sportlich aufgrund von Verletzungsproblemen auf ihren Positionen in der Rückrunde noch wertvoll gewesen. Dafür kamen sechs Neue, von denen außer Filip Kaloc - dem Wunschspieler von Grammozis - kein einziger Leistung brachte. Die beiden Leihspieler Filip Stojilkovic und Chance Simakala gelten auch intern als Stinkstiefel und schafften es zuletzt ebenso wie der verletzungsanfällige Frank Ronstadt gar nicht mehr in den Kader. Für den bisher nur minutenweise eingesetzten Dickson Abiama - den siebten Flügelstürmer im Team - wurde eine Ablösesumme geleistet, obwohl er im Sommer ohne Zuzahlung zu haben gewesen wäre. Und Torhüter Robin Himmelmann machte zwar keine entscheidenden Fehler, aber strahlte doch manche Unsicherheit auf seine Vorderleute aus, als er einige Wochen lang Julian Krahl ersetzen musste.

Vordergründig gute Transfers wie etwa der von Torjäger Ragnar Ache werden außerdem von zwischenmenschlichen Vorwürfen gegen Hajri überlagert. Der Sportdirektor ging nicht sorgsam mit seiner neu erhaltenen Machtfülle um und trug durch überflüssiges Machtgehabe und unsensible Kommunikation zur Spaltung in verschiedenen Bereichen des Vereins und damit auch in der Mannschaft bei. Dabei war in den letzten Jahren vor allem die Geschlossenheit das Erfolgsgeheimnis des FCK. Ein neuer Teamarzt wurde eingestellt, zwei langjährige Physiotherapeuten schmissen mitten in der Saison hin, die Nachfolger sind unerfahren und müssen sich das Vertrauen erst erarbeiten. Am NLZ kursiert die auch nach DBB-Informationen zutreffende Geschichte, dass Hajri während eines Auswärtsspiels dem überraschten Torwart eine Anweisung entgegen der Vorgabe des Trainers gegeben habe: Lieber den Ball nach vorne schlagen statt geordnet hintenraus spielen. Zurück in Lautern soll es dafür heiße Ohren von Gerry Ehrmann gegeben haben.

Friedhelm Funkel hatte Hajri schon im März von der Bank auf die Tribüne verbannt und sollte dem Beirat seine Einschätzung über den Sportdirektor geben, die nicht gerade positiv ausfiel. Funkel stoppte den Sturzflug ohne Fallschirm mit acht Niederlagen aus neun Liga-Spielen bei seiner Ankunft, sortierte die aus seiner Sicht charakterlich nicht passenden Spieler aus und setzte verstärkt auf fast schon Abgeschriebene wie Kenny Redondo, Kevin Kraus, Daniel Hanslik oder Ben Zolinski - und führte die inhomogene Mannschaft mit Ach und Krach zum Klassenerhalt. Danach fällte er bei "SWR Sport" ein oberflächlich diplomatisch klingendes, im Subtext aber ziemlich vernichtendes Urteil über Hajri: "Ich habe als ich gekommen bin gemerkt, dass eine gewisse Unruhe in der Kabine und auf der Trainerbank war. Enis ist seit einem Jahr in dem Geschäft, also ein sehr junger Sportdirektor, der sehr emotional ist. Und diese Emotionalität konnten wir in dem Moment wirklich nicht gebrauchen, weil wir Ruhe in der Kabine und auf der Bank hineinbringen mussten. In zwei, drei, vier Jahren hat er das vielleicht auch gelernt, dass er sich da ein bisschen mehr zurücknehmen sollte, weil das in solchen Situationen ganz wichtig ist: Ruhe auszustrahlen." Das Thema Ruhe griff heute auch Hengen auf, in der Pressemitteilung zum Abschied von Trainer Funkel: "Er hat eine unglaubliche Ruhe in den Verein gebracht, die extrem wichtig für das Erreichen unserer Ziele war."

Wichtige Entscheidungen auf allen Ebenen stehen bevor

Vor all diesen Hintergründen könnte - und sollte - erneut die Diskussion aus dem Vorjahr aufkommen, ob es nicht sinnvoll wäre, einen zweiten Geschäftsführer einzustellen, um Thomas Hengen wieder mehr Zeit für den sportlichen Bereich zu verschaffen. Gibt es eine Zukunft für Hajri auf dem Betze? Zweifelhaft, aber offenbar noch nicht entschieden.

Wobei es zugegebenermaßen zu kurz gegriffen wäre, Hajri als Alleinschuldigen für diese Saison zu brandmarken, in der sich der seit 2019 mühsam wiederhergestellte FCK beinahe von innen heraus zerstört hätte. Aber dass die pragmatische Art von Hengen dem sportlichen Bereich besser getan hat als die emotionale von Hajri, ist offensichtlich. Wichtige Entscheidungen im Rahmen der Trainersuche und der Kaderreparatur für die Saison 2024/25 stehen in den kommenden Wochen auf der Agenda. Zuvor liegt es jedoch am Beirat - bestehend aus Verwaltungsräten des FCK e.V. und Investoren der SPI GmbH -, hierfür die richtigen strukturellen Weichen zu stellen. Genügend Geld ist dank des Finaleinzugs im DFB-Pokal sowie einer bereits genehmigten Kapitalerhöhung vorhanden. Die Millionen sollten aber nicht noch einmal so verpulvert werden wie in der nun zu Ende gehenden Spielzeit.

Selbstverständlich war aber auch 2023/24 nicht alles schlecht. Der mit rund 44.000 Zuschauern zweithöchste Schnitt in der Geschichte des 1. FC Kaiserslautern ist geradezu sensationell. Auch die Zahl der Auswärtsfahrer blieb konstant hoch, mehr als 4.500 waren es im Schnitt in Liga und Pokal. Die Zahl der Vereinsmitglieder stieg in ungeahnte Höhen und liegt aktuell bei rund 30.000 - vor zwei Jahren waren es "nur" 17.000. Und der Betze sah einige spektakuläre Spiele wie beim 3:3 gegen den HSV, jeweils einem 4:1 gegen Schalke oder Magdeburg oder den 3:2 nach Rückständen gegen Elversberg und Osnabrück. Und natürlich fünf gute bis sehr gute Pokalfights daheim wie auswärts. Die Freude, zum Endspiel gegen Leverkusen nach Berlin fahren zu dürfen, sieht man den FCK-Fans jetzt nach dem gelungenen Klassenerhalt erst so richtig an. Man darf unter dem Strich feststellen, dass der Schwung aus der Aufstiegssaison vor zwei Jahren durchaus noch vorhanden ist, man nun aber zusehen sollte, dieses hohe Ansehen in der Pfalz und weit darüber hinaus nicht wieder zu verspielen. Die Fans haben den Roten Teufeln im Endeffekt viele schwächere Spiele verziehen, auch wenn zwischenzeitlich einige gewaltig knodderten oder sogar trotz der Parole "Lautrer geben niemals auf" die Flinte vorzeitig ins Korn werfen. Insofern sollte man tunlichst die Nerven des Anhangs in der kommenden Saison nicht überstrapazieren. Aber auch die Fans sollten nochmal in sich gehen und aus den Fehlern dieser Saison lernen. Zu erinnern ist hier beispielsweise an die Fake News nach dem Rückrundenauftakt auf St. Pauli, die den Betze nicht nur zum brennen, sondern fast zum explodieren gebracht hätten - eben weil viele Fans sie ernst nahmen ohne nachzudenken.

Quo vadis, FCK? Die Tugenden von 2022 müssen wiederkehren

Das Ziel für die neue Saison kann nur die Rückkehr zur Stabilität im Verein, in der Mannschaft und im Umfeld zu sein. Der Tabellenplatz ist dabei nicht nebensächlich, aber es wird ein guter werden, wenn die FCK-Tugenden von 2022 wieder neu gestärkt statt weiter geschwächt werden. Und wenn das gelebt wird, was Lauterns Retter Friedhelm Funkel in den letzten drei Monaten ausstrahlte: Die Ruhe bewahren und professionell, pragmatisch, aber auch menschlich zusammenarbeiten, angetrieben von den positiven Emotionen der Fans.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas Hilmes, Jürgen Kind

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