Die Nacht vor der Hochzeit | Kritik | Film | critic.de

Die Nacht vor der Hochzeit – Kritik

Eine perfekte Screwball-Komödie lieferte George Cukor 1940 mit Die Nacht vor der Hochzeit ab. Katharine Hepburn und Cary Grant bestechen darin ebenso wie der noch junge James Stewart.

Zur Zeit seiner „Goldenen Ära“ ließ Hollywood den Kampf der Geschlechter bevorzugt in Screwball-Komödien austragen. Das Subgenre entwickelte sich in den 30er Jahren aus Klassikern wie Frank Capras Es geschah in einer Nacht (It Happened One Night, 1934) und erreichte 1940 seinen Höhepunkt. Gleich zwei Produktionen aus diesem Jahr, beide mit Cary Grant, dem damaligen Frauenschwarm mit dem smarten Lächeln, gelten als unangefochtene Klassiker der Screwball-Komödie: in Howard Hawks’ His Girl Friday fetzen und lieben sich Grant als Zeitungsredakteur Burns und Rosalind Russell als dessen Reporter-Exfrau Hildy; in Die Nacht vor der Hochzeit (The Philadelphia Story) ist Grant als Dexter Haven abermals der schlimmste Alptraum seiner Exfrau, die nun von Katharine Hepburn gespielt wird. Dreist lädt sich Grant in dem Film des Regisseurs George Cukor als trinkfester Gatte Ade von Tracy Lord zu deren Vermählung mit dem Neureichen George Kittredge (John Howard) auf ihr luxuriöses Familienanwesen in Philadelphia ein und hat dazu noch zwei Klatschreporter im Gepäck.

Bereits zum dritten Mal läuft das Duo Hepburn/Grant unter der Regie George Cukors, der bei MGM sein vielseitiges Talent mit Filmen wie Die Frauen (The Women, 1939) und David Copperfield (1934) unter Beweis stellte, zu Höchstform auf. Doch baut The Philadelphia Story nicht ausschließlich auf die bewährte Kombination der beiden Stars. Der damalige Shootingstar James Stewart ergänzt das Ensemble als bodenständiger Reporter Mike Connor vom Spy-Magazine und erhielt prompt einen Oscar für seine Darstellung.

Mike ist in The Philadelphia Story der Katalysator für Tracys Entwicklung, die den Rahmen der Geschichte bildet und ihre Stationen von der unnahbaren Schönheit zur großherzigen Ehefrau nachzeichnet. Dafür stellt Mike zuerst Tracys Weltanschauung auf den Kopf, später gar ihr Liebesleben. Mit dem Eindringen Mikes’ und Liz’ (Ruth Hussey), der Fotografin des Spy-Magazine, in die Welt der Reichen Philadelphias ergänzt Cukor den Kampf der Geschlechter um den Kampf der Klassen. Mit Leichtigkeit gelingt es ihm dabei Humor mit Gesellschaftskritik zu verbinden. Wenn Mike etwa über das protzige Anwesen der Lords nur spotten kann und sich feiste Streiche auf Kosten der feinen Gesellschaft leistet, gehört dies nicht nur zu den humoristischen Glanzlichtern des Films, sondern bildet ebenso die Grundlage für den sich anbahnenden Konflikt zwischen ihm und Tracy, der die gesellschaftlich bedingte Chancenungleichheit widerspiegelt.

Anfangs spielt Tracy noch mit der Voreingenommenheit des Reporters und gibt voller Selbstironie die Rolle der weltfremden Gesellschafterin, die, durch übertriebene Dekadenz, Mikes vermeintlichem Zerrbild ihres Standes zu entsprechen scheint. Später demaskiert sie sich jedoch selbst als naive Privilegierte, die in einer Seifenblase lebt. So stellt sie verblüfft fest, dass es doch ungerecht wäre, dass der verhinderte Lyriker Mike nicht von seiner Prosa leben kann und stattdessen, um Geld zu verdienen, den neuesten Klatschgeschichten nachgehen muss.

Dass sich Mike und Tracy zudem körperlich näher kommen, lässt nicht nur Klassen aufeinanderprallen, sondern sprengt gar den Rahmen der Dreiecksgeschichte dieser Screwball-Komödie. Neben dem devoten Bräutigam George und Dexter, mit dem sich Tracy noch immer auf Augenhöhe befindet, stellt nun auch der trotz seiner Bodenständigkeit doch romantische Mike einen potentiellen Partner für die markante Schönheit dar. Ohne ins Burleskenhafte abzudriften inszeniert Cukor diese unerhörte Vierecksgeschichte und treibt sie auf die Spitze, wenn sich Mike und auch erneut Dexter als künftige Ehemänner aufdrängen.

The Philadelphia Story basiert auf einem gleichnamigen Bühnenstück dessen Spielzeit mit über 400 Aufführungen am Broadway erst im Jahr der Filmpremiere endete. Hepburn, die Tracy schon im Theater verkörperte, besaß die Rechte an dem Stoff des Dramatikers Philip Barry und konnte beim Studio durchsetzen, selbst die Schlüsselbesetzung – vor und hinter der Kamera – zu bestimmen. Mit Cukor wählte sie einen Regisseur, der zwar ursprünglich vom Broadway kam, dessen Arbeit beim Film, etwa Dinner um acht (Dinner at Eight, 1933), jedoch schon früh erkennen ließ, dass er in der Lage ist, viel mehr als nur abgefilmtes Theater zu schaffen. Cukor gelingt es, ein eigenes Tempo für die filmische Erzählung zu finden. Seine Meisterschaft beweist sich darin, dass er auch dialoglastige Passagen in komplexe Szenen auflöst, die sich über verschiedene Spielorte erstrecken und er scheinbar spielerisch miteinander verknüpft.

Hepburn konnte ihre Wunschbesetzung jedoch nicht in allen Punkten durchsetzen. James Stewarts Rolle sollte Spencer Tracy, der mit Hepburn zu diesem Zeitpunkt noch nicht liiert war, übernehmen. Dieser lehnte ab, um anschließend doch mit seiner inzwischen festen Lebenspartnerin in einer ganzen Reihe von Filmen aufzutreten. So entstand in der Kombination Tracy/Hepburn unter anderem Ehekrieg (Adams Rib, 1949), eine der letzten klassischen Screwball-Komödien. Dass es sich hierbei um einen weiteren, herausragenden Vertreter dieses Sub-Genres handelt, ist nicht verwunderlich: George Cukor führte Regie.

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