Bis heute streiten sich die Historiker, ob Catherine Howard eine Vorstellung davon hatte, worauf sie sich einließ, als sie 1540 Heinrich VIII. von England heiratete. Als Mitglied des Hauses Howard in eine der ältesten Familien des Königreichs geboren hätte ihr ein gewisses Maß an Überlebensinstinkt angeboren sein müssen. Zumal ihre Cousine Anne Boleyn sieben Jahre zuvor Heinrich das Jawort gegeben hatte, was diese indes nicht vor ihrer Hinrichtung bewahrte. Andererseits war Catherine Howard bei der Hochzeit höchstens 16 Jahre alt. Und ihre Erziehung im Haushalt einer ebenso vermögenden wie nachsichtigen Tante soll nicht ausgereicht haben, ihr die moralischen Ansprüche zu vermitteln, die bei Hofe erwartet wurden.
Diese waren im Übrigen höchst ambivalent. König Heinrich VIII. (1491–1547), der Vater von Elisabeth I., war ein Schwerenöter, der für seine Passion den Bruch mit der Römischen Kirche gewagt hatte und auch im Alter ungern ohne eine Frau ins Bett ging. Auch herrschte am Hof in Whitehall sicherlich eine gewisse Libertinage, die allerdings da ihre Grenzen hatte, wo das Jagdgebiet des Monarchen begann. Als Catherine Howard dieses ungeschriebene Gesetz überschritt, unterschrieb sie ihr Todesurteil. Es wurde am 13. Februar 1542 in London vollstreckt.
Als zehntes Kind eines nachgeborenen (und daher nicht erbberechtigten) Howard-Sprösslings konnte Catherine außer ihrer vielgerühmten Schönheit nur das Renommee und die Kontakte ihrer Familie als Mitgift in eine lukrative Hochzeit mitbringen. Nicht einmal ihr genaues Geburtsdatum ist bekannt. Wenn es stimmt, dass sie erst 15 war, als Heinrich 1540 auf sie aufmerksam wurde, dürfte sie 1524/25 zur Welt gekommen sein.
Sie wuchs bei ihrer Stiefgroßmutter Agnes Tilney auf, die von ihrem Mann ein großes Vermögen geerbt hatte und einen entsprechend großen Haushalt führte. Da die Hausherrin häufig am königlichen Hof weilte, übernahmen ältere Damen die Aufsicht über die zahlreichen jungen Frauen, die auf Schloss Lambeth aufwuchsen. Die sahen sich offenbar außerstande, die Heranwachsenden gegen männliche Besuche abzuschirmen, sodass Catherine neben dem Lesen und Schreiben auch früh mit außerehelichem Sex konfrontiert wurde.
Ihre ersten erotischen Erfahrungen soll sie als 12-Jährige mit einem gewissen Henry Manox gemacht haben, der als ihr Musiklehrer fungierte. Während dieser noch glaubhaft machen konnte, keine tieferen Bindungen mit seiner Schülerin eingegangen zu sein, traf das auf Francis Dereham nicht zu. Dieser verarmte Gentleman hatte 1538 eine Affäre mit Catherine.
1539/40 ging das Heiratskalkül des Howard-Clans auf, denn Catherine wurde als Hofdame der Anna von Kleve, Heinrichs vierter Ehefrau, an den königlichen Hof berufen. Damit eröffnete sich ihr ein glänzender Heiratsmarkt, der allerdings bald wieder geschlossen wurde. „Seine Hoheit der König fasste eine Neigung zu Catherine Howard beim ersten Mal, da er sie sah“, berichtete Agnes Tilney.
Heinrich, der von Anna von Kleve bereits vor der Hochzeit enttäuscht war, ließ diese Ehe nach einem halben Jahr als nicht vollzogen annullieren. Drei Wochen später, im Juli 1540, heiratete er Catherine, die sich im Gegenzug verpflichtete, ihm „frisch und munter im Bett und bei Tisch zu sein“.
Doch als Basis für eine glückliche Ehe reichte das nicht aus. Zwar soll Heinrich seine „Rose ohne Dornen“ mit Geschenken überhäuft haben. Aber die Schwangerschaft mit dem sehnlichst erhofften Thronfolger blieb aus. Viele Autoren begründen dies mit der Syphilisinfektion, die sich zunehmend beim König auszuwirken begann, während Catherine ihre Nächte lieber auf Festen vertrieb.
Dabei dürfte ihr Auge auf Thomas Culpeper gefallen sein. Dieser war ebenfalls ein Mitglied des weitverzweigten Howard-Clans. Gutes Aussehen, gepaart mit moralischer Skrupellosigkeit, hatten ihm den Posten eines „Gentleman to the King’s Privy Chamber“ verschafft. Während einer Reise Heinrichs in den Norden, auf der Catherine und Culpeper ihn im Frühjahr 1541 begleiteten, kamen beide sich näher. Dabei leistete ein weiteres Familienmitglied tatkräftige Hilfe: Jane Boleyn, geborene Parker, war die Schwägerin der unglücklichen Anne Boleyn, Heinrichs zweiter Frau, die 1536 hingerichtet worden war. Als Hofdame fungierte Jane als Kurier zwischen den Liebenden.
Im Gegensatz zum König erkannten Rivalen am Hofe schnell die Situation. Auf eine Denunziation hin begann der Erzbischof von Canterbury, das Vorleben Catherines unter die Lupe zu nehmen. Als dann auch der Verdacht des Ehebruchs zur Sprache kam, ließ Heinrich im November 1541 alle Beteiligten verhaften. Den Rest besorgte die Folter.
Dereham gab den Geschlechtsverkehr zu, verneinte aber ein Eheversprechen. Dem Leugnen Catherines und Culpepers wurde durch einen Brief der Königin an ihren Geliebten der Boden entzogen. Darin schrieb sie: „Wenn ich wieder daran denke, dass du von mir gehen wirst, stirbt mein Herz.“ Entscheidend wurde wohl die Aussage von Jane Boleyn, die zahlreiche belastende Details preisgab. Aus Rache, hat man vermutet, schließlich hatte Jane wohl mit dem König das Bett geteilt, als dieser noch mit der ungeliebten Anna von Kleve verheiratet gewesen war.
Alle vier wurden zum Tode verurteilt. Dereham erhielt die übliche Strafe für Hochverrat – Hängen, Ausweiden und Vierteilen – , während Culpeper zur Enthauptung verurteilt wurde, was einer Begnadigung gleichkam. Auch Catherine und Jane wurden für den Tod durch das Schwert bestimmt. Im Tower von London soll Catherine ihre Exekution auf dem hölzernen Richtblock geübt haben, um dem Henker einen sicheren Schlag zu ermöglichen. Auch Janes Kopf soll mit dem ersten Streich gefallen sein.
Heinrich VIII. brauchte fast eineinhalb Jahre, um erneut eine Ehe einzugehen. Diesmal traf es die fast 30-Jährige Catherine Parr. Die zweifache Witwe brachte das Kunststück fertig, dem siechenden König bis zu seinem Tod 1547 eine vertraute Gefährtin zu sein.
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