Die Lehre der Apostel – Jakobus Sohn des Alphäus
Jakobus Sohn des Alphäus

Es gibt im Neuen Testament drei geschichtsträchtige Männer namens Jakobus. Zwei sind Apostel und ein dritter Autor vom Jakobusbrief. Auf den ersten Blick kann man sie miteinander verwechseln.

Auf dem zweiten Blick erkennt man dann aber doch klare Unterschiede. Die frühen Christen kannten sehr genau alle drei Männer und konnten sie gut unterscheiden. Allein schon, weil sie wussten, wie sie unterschiedlich aussahen, sprachen, sich bewegten und auch lebten und starben. Alle drei waren für die frühe Kirche von Bedeutung. Erst Jahrhunderte nach ihrem Tod begannen Verwirrungen rund um die Identitäten der drei doch sehr unterschiedlichen Männer. Woher kam die Verwirrung? War es Unwissenheit, die im Laufe der Jahrhunderte das Wissen ersetzte? Nein! Es war ein künstlicher Einschnitt in die Kirchengeschichte, der die Biographien und Lehre der Aposteln nachhaltig brutal verändern sollte, bis heute. Anhand von Jakobus dem Jüngeren kann man das sehr gut zeigen und das werde ich hier in aller Deutlichkeit und Kürze versuchen.

Zuvor noch kurz erklärt, woher der Beiname „der Jüngere“ kommt: er stammt aus der Bibel! Genau genommen aus dem Markusevangelium:

„Es sahen aber auch Frauen von ferne zu, unter ihnen waren auch Maria Magdalena und Maria, die Mutter des jüngeren Jakobus und des Joses, sowie Salome,...“ (Mk 15,40)

In anderen Bibelübersetzungen heißt es an der Stelle „Jakobus des Kleinen“, weshalb je nach Übersetzung sein Beiname „der Jüngere“ oder „der Kleine“ ist. Beide Beinamen haben sich in der Kirchengeschichte alternativ bis heute erhalten.

Der oben erwähnte, alles ändernde Einschnitt in die Kirchengeschichte war die Konstantinische Wende. Kaiser Konstantin wurde Christ und bekannte das öffentlich und erwies sich als mächtiger Förderer des Christentums. Damit änderte sich schlagartig alles für die Christen: aus einer verfolgten, armen, Untergrundkirche wurden sie zu einer kaiserlich anerkannten und geförderten Staatskirche. Aus Hausgemeinden wurden in kürzester Zeit große Kirchengemeinden, die sich in eigens für sie errichteten Prunkgebäuden, Kathedralen und Domen versammelten. Aus mittellosen Bischöfen, wurden gut bezahlte Staatsbeamte in Palästen. Statt Griechisch wurde Latein zur neuen Kirchensprache erkoren und die Lehre der Apostel, die von Lehrer zu Schüler weitergegeben wurde, verwarf man und stellte die Lehre der neuen „Römisch-Katholischen“ Staatskirche auf zeitgemäße Beine, nämlich auf eine Art Demokratie unter dem Sitz des Kaisers. Die Vorgaben für diese neue Lehre sollten Konzile festlegen. Diese neue Glaubensvorschriften, die auf den Konzilen unter dem Vorsitz des Kaisers von Rom (also einem eigentlich weltlichen Herrscher) von einer ausgewählten Gruppe von geladenen Bischöfen demokratisch beschlossen wurden, nannte man Dogmen und wurden im ganzen Christentum verbreitet. Jeder Christ musste diese Dogmen glauben. Wer sich diesen Dogmen widersetzte, wurde bestraft. In der Regel mit Exkommunikation aber auch hin und wieder mit Todesstrafe, denn jedes Dogma endet mit den Worten „wer das nicht glaubt, sei verdammt“, was so viel bedeutet, wie „der schmore für immer in der Hölle“. Seit der Konstantinischen Wende herrschen also die Dogmen mehr oder weniger insgeheim über die Römisch-Katholische Kirche und bestimmen sowohl deren Lehre als auch Geschichtsschreibung. 

Und da wären wir schon bei Jakobus dem Jüngeren. Seine Biographie wurde durch eine äußerst wichtige Dogmenserie verändert, nämlich durch die Mariendogmen! Und hier war konkret eines der vier Mariendogmen entscheidend. Jenes, das am 5. allgemeinen Konzil 533 erlassen wurde: die immerwährende Jungfräulichkeit Marias auch nach der Geburt ihres erstgeborenen Sohnes Jesus. Damit wird festgelegt, dass Maria nie wieder weitere Kinder geboren hat. Jeder Katholik muss das glauben. Das ist ein für alle Zeit festgeschriebener Glaubenssatz. Was hat das aber mit Jakobus Sohn des Alphäus zu tun? War er etwa ein Kind von Maria, der Mutter Jesu? Nein! Aber er wurde mit einem anderen Jakobus, der sehr wohl Sohn der Mutter Jesu war, verschmolzen, nämlich mit Jakobus, dem Herrenbruder, der auch den Beinamen „der Gerechte“ erhielt. Dieser durfte ab diesem Konzil nicht mehr existieren! In der Bibel steht an mehreren Stellen aber, dass Jesus Brüder hatte und an einer stehen sogar deren Namen:

„Ist dieser nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria, der Bruder von Jakobus und Joses und Judas und Simon? Und sind nicht seine Schwestern hier bei uns? Und sie nahmen Anstoß an ihm.“ (Mk 6,3)

Zwei dieser Brüder Jesu sollten sich erst nach seiner Auferstehung zu ihm bekehren und wichtige Säulen der Urgmeinde werden. Beide schrieben Briefe, die uns unter ihrem Namen in der Bibel erhalten sind. Ich habe sie hier fett hervorgehoben. Jetzt soll es uns nur um den ersten gehen, um Jakobus, den Bruder des Herrn Jesus. Ihm wurde mit dem Dogma der immerwährenden Jungfrauenschaft Marias die Existenz abgesprochen, etwa 5 Jahrhunderte nach seinem Tod. Er durfte nicht mehr als Sohn der Maria und damit als leiblicher Bruder Jesu fortbestehen in der Erzählung der Kirchengeschichte der Römisch-Katholischen Kirche, deren Historiker und Gelehrte sich etwas einfallen lassen mussten, um das zu bereinigen. Und so erzählten sie, dass das Wort „Bruder“ angeblich im Griechischen auch Cousin heißen könne und machten den Herrenbruder zum Herrencousin Jakobus. Da es aber schon einen Cousin von Jesus mit Namen Jakobus gab, nämlich Jakobus den Jüngeren, wurden diese zwei zuvor verschiedenen Männer einfach miteinander verschmolzen. Aus 2 mach 1! Hier sieht man schön, wie ein religiöses Dogma die Geschichte rückwirkend umschreibt, sie also revidiert, damit sie in das Dogma der Kirche passt. Die historische Wahrheit wird der Theologie gefällig gemacht und zurechtgebogen. Ein typisches Dilemma der Römisch-Katholischen Kirche, das sich schön zeigt anhand von Jakobus dem Jüngeren, der gewaltsam zu Jakobus dem Gerechten gemacht wurde. Alle Geschichten und Ereignisse, insbesondere das Amt und Martyrium, die bis dahin Jakobus dem Gerechten zugeschrieben wurden, galten ab dem Moment als Geschichte des Jakobus des Jüngeren, der sogar den Titel „der Gerechte“ übertragen bekam und somit war die Verwirrung komplett. So gilt nun für die RKK Jakobus Sohn des Alphäus als erster Bischof von Jerusalem und er bekam als Attribut die Tuchwalkerstange übertragen, weil er angeblich mit dieser erschlagen worden war, nachdem man ihn von den Zinnen des Tempels gestoßen hatte. Doch das geschah alles nicht ihm, sondern Jakobus, dem Herrenbruder, dem Gerechten, der wirklich der erste Bischof von Jerusalem war und dessen Martyrium vom bedeutenden antiken Kirchenhistoriker Eusebius von Cäseräa und auch anderen gut überliefert wurde. Siehe mehr dazu beim Eintrag von Jakobus dem Gerechten.

Was ist nun das Fazit? Die Mariendogmen der RKK sind schuld. Denn seit es diese Dogmen gibt, darf niemand in der RKK mehr glauben, dass Jesus leibliche Brüder hatte, obwohl das genauso in der Bibel steht und jahrhundertelang selbstverständlicher Teil der Überlieferung war. Und somit ist die Biographie dieser beiden sehr unterschiedlichen Männer namens Jakobus zusammengelegt und synchronisiert worden im Laufe der Jahrtausende. Heute wissen wir deswegen leider sehr wenig über Jakobus dem Jüngeren, denn fast alles wurde von der Biographie des Jakobus dem Gerechten einfach kopiert.

Ein einzigartiges Detail ist aber dennoch bis heute erhalten geblieben. Jakobus soll seinem Cousin Jesus so ähnlich gesehen haben, dass sie öfters miteinander verwechselt wurden. Das rief den Judaskuss auf den Plan. Denn damit Jesus auch wirklich nicht verwechselt würde mit Jakobus, vereinbarte der Verräter Judas Ischariot als Erkennungszeichen einen Kuss:

„Der ihn aber verriet, hatte ihnen ein Zeichen gegeben und gesagt: Der, den ich küssen werde, der ist’s, den ergreift! Und sogleich trat er zu Jesus und sprach: Sei gegrüßt, Rabbi!, und küsste ihn“ (Mt 26,48+49)

Der Judaskuss ging in die Weltliteratur ein und ist bis heute weltberühmt. Nicht aber der Hintergrund dazu. Denn viele lesen die Stelle heute unverständig in der Bibel und fragen sich, wieso musste Judas den Herrn Jesus als Erkennungszeichen küssen? War er nicht ohnehin deutlich zu erkennen? Nein, war er nicht. Sein Cousin, Jakobus Sohn des Alphäus, war ihm wie aus dem Gesicht gerissen. Deswegen wird Jakobus der Jüngere auf vielen Gemälden mit einem christusähnlichen Gesicht dargestellt (siehe Bild). Warum er auch fälschlicherweise aber auch oft die Tuchwalkerstange als Gegenstand mit sich trägt, habe ich bereits erklärt. 

Erwähnung in der Bibel: Jakobus wird in allen vier Apostellisten (Mt 10,3; Mk 3,18; Lk 6,15; Apg 1,13) der Bibel als „Jakobus, Sohn des Alphäus“ geführt, immer nach seinem Bruder Matthäus. Im Johannesevangelium wird er hingegen nie erwähnt.

In der Kirchengeschichte ist eine Verordnung von Jakobus überliefert:

Ich Jakobus, der Sohn des Alphäus, verordne betreffs der Bekenner (Martyrer):

Ein Bekenner wird nicht geweiht, denn das (Martyrium) ist Sache des freien Willens und der Geduld, er ist aber hoher Ehre würdig als einer, der den Namen Gottes, seines Christus, vor Völkern und Königen bekannt hat. Wenn er aber notwendig ist als Bischof oder Priester oder Diakon, so wird er geweiht. Wenn aber ein nicht geweihter Bekenner unter dem Vorwande seines Bekenntnisses eine derartige Würde an sich reißt, so soll er abgesetzt und ausgestoßen werden. Denn er ist nicht mehr (Bekenner), weil er die Ordnung Christi verleugnet hat: er ist schlimmer als ein Heide. (Das achte Buch der Apostolischen Konstitutionen (BKV), C. Weihen, Verordnungen und Gebete, XXIII. Von den Bekennern).