Wer nur einen Blick für den Mainstream hat, bekommt von spannenden, in einer Nische angesiedelten Innovationen und Dingen nichts mit. Wenn Sie diesen Artikel lesen, ist das hinsichtlich des Ausstreckens Ihrer Technikfühler schon mal gut, denn dies bezeugt Ihr Interesse an Linux. Es handelt sich um eine Alternative zu Windows, die auf Desktop-Computern und Notebooks weit weniger verbreitet ist als Microsofts Betriebssystemlinie. Das Linux-Spektrum wiederum lässt sich noch einmal unterteilen in Bezug auf Popularität: Manche Ausprägungen des Linux-Kernels, genannt Distributionen, sind bekannter und öfter auf Geräten installiert als andere.
Ein Gradmesser ist an dieser Stelle das stetig aktualisierte Ranking der Linux-Informationsseite Distrowatch: Deren Top 100 von Distributionen sollten Linux-Interessierte im Blick behalten; ebenso wie die dort veröffentlichten News zu jüngst aktualisierten Systemen. KaOS ist auf Distrowatch im Mittelfeld auf Platz 54 gelistet. Das OS erscheint also hinreichend relevant – hinzu kommt, dass die Macher im April 2023 in einem Newsbeitrag verkündeten, dass KaOS im April 2013 startete. Als schöne Möglichkeit, das zehnjährige Bestehen von KaOS zu feiern, sehen sie den Release der Version 2023.04.
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2013 war Windows 8 aktuell. Manche Linux-Distributionen haben in ihrer Laufbahn übrigens die Segel gestrichen, sie laufen auf moderner Hardware nicht und strotzen aktuell vor Sicherheitslücken.

KaOS: Review – was bietet das Betriebssystem (nicht)?

Linux KaOS: Review der KDE-Linux-Distribution mit Rolling-Release-Modell
Das Startmenü von KaOS ist KDE-typisch. Dass es rechts aufpoppt, ist es weniger.
Foto: COMPUTER BILD
Mit KaOS stürzen Sie Ihren PC nicht ins Chaos (die Linux-Distribution lässt sich wie dieses Wort lesen), vielmehr erhalten Sie bedientechnisch solide Kost: Das Betriebssystem setzt die KDE-Desktop-Umgebung ein. Damit hebt sie sich von Linux Ubuntu ab, das auf einem modifizierten GNOME aufbaut.
An GNOME ist lästig, dass es ab Werk keine Desktop-Symbole anzeigt. Davon Geplagte haben die Möglichkeit, deren Einblenden per Installation einer Gnome-Shell-Extension nachzurüsten. Die Ubuntu-Macher schaffen es, diesen Schritt überflüssig zu machen, indem sie ihr für Linux-Verhältnisse populäres OS mit der oft erwünschten Icons-Ausgabe bestücken. KDE-Distributionen zeigen in der Regel ohne einen Extraschritt Desktop-Symbole an und sind auch in anderer Usability-Hinsicht Linux-Systemen mit GNOME vorzuziehen. Grafische Effekte hat sowohl die Designsprache und Bedienkonvention GNOME als auch der Konkurrent KDE inne. Wie die zahlreichen, sie aufgreifenden Linux-Distributionen die Möglichkeiten dieser GUIs (Graphical User Interfaces, grafische Benutzeroberflächen) konkret ausschöpfen, bleibt indes ihren Anbietern (Distributoren) überlassen.
Da KDE im Bereich der Handhabung nahe an Windows herankommt, empfehlen wir, KDE-Systemen gegenüber GNOME-Pendants den Vorzug zu geben. Ubuntu mit relativ guter GNOME-Bedienung stellt eine Ausnahme dar; andere GNOME-basierte OS sind jedoch für Windows-Umsteiger gewöhnungsbedürftig. Allenfalls wer etwas radikal Neues wagen will, dem legen wir GNOME ans Herz. Eine Installation ist bei vielen Linux-(GNOME-/-KDE-)Systemen nicht nötig: Daher können Sie sie mithilfe von Rufus auf einen USB-Stick schreiben. Danach probieren Sie sie vom externen Device Setup-frei im Live-Modus komplett im RAM (Random Access Memory, Arbeitsspeicher) Ihres Computers aus. An der Partitionierung der internen Harddisk respektive SSD ändern Sie hierbei nichts.
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Bei Linux-Distributionen klappt es oft, im Nachhinein eine andere Desktop-Umgebung zu installieren. Wer etwa Bodhi Linux, das ein rasantes, jedoch gewöhnungsbedürftiges System darstellt (GNOME ist dagegen Gold), mit KDE bestückt, macht das Handling deutlich einfacher. In dem Fall könnten Sie aber auch gleich zu einer "KDE ab Werk"-Distribution greifen – das ist pragmatischer. Ein anderes Beispiel ist Ubuntu: Sie wechseln durch die Installation von KDE zu selbigem, doch warum nicht einfach Kubuntu aufspielen? Letzteres KDE-Shootingstar-OS ist top und trotz geringerer Publicity als bei Ubuntu diesem teils überlegen. Wenn Sie Kubuntu kennen und mögen, sollten Sie weitere KDE-Distributionen wie KaOS auf dem Zettel haben und sich Ihren Favoriten unter diesen Systemen herauspicken. Mehr zu Kubuntu erfahren Sie im Artikel "Kubuntu vs. Ubuntu: Review von Kubuntu – wer braucht das Linux-OS?".
Ubuntu
Linux-Distributionen: Kostenlose Windows-Alternativen
Lästig an KaOS: Auf dem Desktop finden sich keine Symbole. Speichern Sie dort etwa mit LibreOffice Writer eine ODT-Datei, erscheint sie an der Stelle nicht. Dort vorhanden ist das Element trotzdem und lässt sich per Anwendungs-Öffnen-Dialog später wieder einlesen. Das ist für KDE ungewöhnlich. Ubuntu ist angenehmer; die restliche Usability mag bei KaOS dank KDE statt GNOME-Elementen wie bei Ubuntu sympathischer sein.

KaOS vs. Kubuntu

KaOS läuft wie (K)Ubuntu in einem Live-Modus, es lässt sich also ohne Installation testen. Wenn Sie die Benutzersitzung mit Windows-L sperren oder über das Startmenü den Stand-by-Modus aktivieren, benötigen Sie zum Weiterarbeiten ein Passwort: Es lautet "live". Der provisorische Live-Modus-Account trägt denselben Namen.
Die Taskleiste prangt im Unterschied zu Windows und Kubuntu am rechten Bildschirmrand; das ist keineswegs Standard. Die erwähnten KaOS-Konkurrenten platzieren das Bedienelement unten. Die rechte Anordnung stellt insbesondere gegenüber Windows 11 etwas Besonderes dar, da dieses kein Verschieben der Taskleiste mehr zulässt (im Unterschied zu Systemen bis einschließlich Windows 10). Die rechtsbündige KaOS-Leisten-Ausrichtung ist jedoch so unpraktisch wie eine obige Windows-Taskleisten-Arretierung: Denn zum Schließen eines Fensters genügt kein Mausklick blind "einfach ganz oben rechts" auf dem Monitor, vielmehr erfordert es genaues Zielen. Eine linke Leistenposition würde dieses Ärgernis nicht aufweisen. Auf Wunsch installieren Sie KaOS – eine Setup-Möglichkeit bieten nicht alle, aber viele Linux-Distributionen; manche sind hier nicht universell, sondern die ISOs dienen entweder dem ausschließlichen Live-Betrieb oder einem Setup.
Linux KaOS: Review der KDE-Linux-Distribution mit Rolling-Release-Modell
Bei KaOS geht es mit dem Chromium-nahen Falkon-Browser ins Internet.
Foto: COMPUTER BILD
Per Klick auf das K-Symbol in der Taskleiste oder mit der Windows-Taste blenden Sie das KaOS-Startmenü ein. Mit dem Hotkey Strg-Escape geht es im Unterschied zu Windows nicht. Hierüber erreichen Sie aber mit "System Activity" eine Art Task-Manager: Mit ihm schießen Sie Programme wie den Webbrowser "Falkon" ab oder rufen über "Tools > Sweeper" (hat nichts mit dem steinalten Windows-Aufräum-Tool "Sweepi" zu tun) ein Tuning-Tool auf, das Clipboard, Thumbnail-Cache und Browser-Daten löscht.
In der KaOS-Taskbar findet sich ein Symbol, das an den Windows-11-Startbutton erinnert. Per Klick darauf rufen Sie einen Willkommensdialog auf, der auch nach dem Booten im Live-Modus automatisch aufpoppt. Der Dialog erinnert an das Begrüßungscenter von Windows Vista (in Windows 7 zu "Erste Schritte" umbenannt – die zugehörige Aufruf-CLSID funktioniert heute nicht mehr); es gibt ein solches Feature in verschiedenen Linux-Distributionen. Hier installieren Sie per Klick KaOS auf Ihrem internen PC-Laufwerk, sehen bei Bedarf das Passwort "live" ein und mehr. Mit Windows-E öffnen Sie ein Fenster des Dateimanagers Dolphin; das erfolgt ebenso wie das Schließen des Fensters und das Ein- sowie Ausblenden des Startmenüs mit einer KDE-typischen angenehmen Animation.

Taskleisten-Goodies: Notizblock und Taschenrechner

Linux KaOS: Review der KDE-Linux-Distribution mit Rolling-Release-Modell
Windows hat seit Vista die Kurznotizen eingebaut. Linux wartet mit Vergleichbarem auf.
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Kleine, feine Dinge, mit denen Kubuntu nicht aufwartet, sprechen für KaOS: In der Taskbar tauchen Symbole für einen Notizblock und einen Taschenrechner auf. Wer hier klickt, blendet die Arbeitswerkzeuge ein – sie klappen nahe der Taskleiste in Widget-Manier nahtlos auf. Der Clou: Speichern ist nicht erforderlich, in Auto-Save-Manier sehen Sie nach dem Schließen der Utensilien die hineingetippten Inhalte, sobald Sie wieder einen Mausklick auf die zugehörigen Leisten-Embleme tätigen. In der Taskbar finden sich ferner zwei Icons, die Sie zu virtuellen Desktops führen. Microsoft führte derlei mit Windows 10 recht spät ein, Linux hat so etwas schon länger an Bord.
Die Taskleiste am rechten Monitorrand ist das Markenzeichen von KaOS. User sind jedoch nicht an diese Konvention gefesselt, eine Anpassung diesbezüglich ist möglich: Nach einem Rechtsklick auf das Element rufen Sie hierzu im Kontextmenü "Enter Edit Mode" auf. Jetzt gelingt Ihnen das Ziehen der Leiste per Drag & Drop nach oben, links oder unten. Auch bei Kubuntu ist ein Umpositionieren möglich. Gewohnte Bediengepflogenheiten realisieren Sie durch das Annähern an den Windows-Standard, dabei büßt KaOS aber an visueller Exklusivität ein. Oder doch nicht?
Sie haben weitreichendere Individualisierungsmöglichkeiten als etwa unter Windows 10 und Windows 11: So regeln Sie die Taskleisten-Größe sowie jene ihrer Symbole per Zahlenangabe in feinen Etappen. Des Weiteren fügen Sie einen oder zwei sogenannte Spacer ein; das sind leere Flächen, mit denen Sie erzwingen, dass die Taskbar-Icons mittig erscheinen (für User, die bislang nur Windows 10 hatten, ist das ein Novum; Windows-11-User sind dies gewohnt; auch für User von "Zorin OS" ist die Darstellung bekannt, siehe den Artikel "Linux statt Windows 11: Diese Distribution zentriert Startbutton und -Symbole").

Software-Ausstattung und Setup-Individualität

An vorinstallierter Software findet sich bei KaOS der Texteditor Vim, der recht aufwendig bedienbar ist. Ihm haben wir einen ausführlichen Artikel gewidmet: "Vim: Anleitung zum wohl kompliziertesten Texteditor für Windows". Daneben ist das simpler handzuhabende, funktional ungleich mächtigere LibreOffice an Bord. Der Falkon-Webbrowser ist weder direkt Google-Chromium- noch Mozilla-Gecko-basiert, er nutzt als Rendering-Motor die QtWebEngine; diese integriert Chromium (wenngleich nicht alle dessen Teile) ins Qt-Framework. Eingestellt in Falkon ist die datenschutzfreundliche Suchmaschine DuckDuckGo. K3b dient als Brennanwendung und mpv als Media-Player.
Linux KaOS: Review der KDE-Linux-Distribution mit Rolling-Release-Modell
Eine mit Basteltricks einzurichtende Taskleisten-Zentrierung rückt die OS-Optik und -Usability in die Nähe von Windows 11. Über das Startmenü rufen Sie dann ganz wie beim Microsoft-OS Programme auf. Eine Suchfunktion ist in dem Menü selbstverständlich verankert.
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Der KaOS-Installer stellt Linuxer vor die Wahl, ob sie LibreOffice mitinstallieren wollen oder nicht. Bei Windows-Setup-Medien lässt sich so etwas nur mit aufwendigeren Lösungen à la NTLite Free zum Modifizieren der ISO-Daten, die später einmal ein Installationsdatenträger ergeben, regeln. Indes bringt Windows – anders als Linux – keine Bürosuite mit; eine Testversion von MS Office würde kritische Anwendernaturen verärgern, und mit einer (wenngleich nur abgespeckten) Vollversion würde Microsoft einen (Abo-)Erwerb seiner Office-Suite obsolet machen und damit Erlöse hierfür kannibalisieren. Profis haben die Wahl, ob die Technik Pipewire oder PulseAudio zum Einsatz kommen soll. In Sachen Bootloader/-manager schöpfen sie aus drei Offerten: Systemd-boot, Refind und kein Bootloader. Das grüne Maskottchen von KaOS erinnert an ein Wesen aus dem Virtualisierer "MokaFive Player", den es früher für Windows gab.

Linux KaOS im Test: Fazit und Alternativen

KaOS gefällt. Die Taskleiste am rechten Rand etwa ist mal etwas anderes. Aufgetretene Installationsprobleme im Test (Fehlermeldungen beim Einrichtungsvorgang) konnten wir lösen, indem wir mit Rufus das Linux-ISO im DD-Modus auf den fürs Setup designierten Speicher-Stick schrieben; Rufus bietet das an. Die Distribution ist nicht besser oder schlechter als viele andere.
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Groß, aber manchem vielleicht zu langweilig, sind Ubuntu und Kubuntu. Windows-Abtrünnige ohne Linux-Erfahrung sind jedoch zum Beispiel bei Ubuntu besser aufgehoben als bei KaOS, da es zu Ubuntu bei Fragen viele Online-Hilfsressourcen gibt. Als bildhübsche Linux-Distribution dient sich Elementary OS an, eine weitere Alternative.