Charlie und die Schokoladenfabrik | Kritik | Film | critic.de

Charlie und die Schokoladenfabrik – Kritik

In dieser Kinderbuchadaption nach Roald Dahl brilliert Johnny Depp als merkwürdiger Schokoladenfabrikant Willy Wonka, der fünf Kindern, darunter dem gutherzigen Charlie, Einblick in seine Fabrikgeheimnisse gewährt.

Charlie und die Schokoladenfabrik

Die ersten Bilder in Tim Burtons neuem Film, der Kinderbuchadaption Charlie und die Schokoladenfabrik, sind graue Schornsteine, aus denen Rauch hervorkommt. Schnee umweht die Umrisse der kalten Fabrik. Auch das Eintauchen ins Innere dieser – wie sich herausstellt – Schokoladenfabrik wirkt nicht einladend. Kein einziges menschliches Wesen ist zu sehen, nur eine Hand in einem lila Handschuh, die goldene Karten auf fünf der Tafeln verteilt. Die Hand gehört Willy Wonka und die Karten sind die Eintrittsbillette, die die fünf Finder dazu berechtigt, einen Tag die von der Außenwelt völlig abgeschlossene Fabrik des berühmten Chocolatiers zu besichtigen.

Tim Burton ist ein Regisseur, dessen Werk sich im Besonderen durch kreative, phantasievolle, verspielte Ideen auszeichnet. In seinem letzten Film Big Fish (2003) hat er dieses Eindringen der Phantasie in die Realität, die Bedeutung der magischen Zweitwelt thematisiert. Da sah man Ewan McGregors Charakter neben Riesen laufen, mit einem Werwolf im Zirkus leben, das perfekte Dorf und die große Liebe in bonbonbunten Farben finden.

Charlie und die Schokoladenfabrik

Mit Charlie und die Schokoladenfabrik erzählt Burton nun wieder eine märchenhafte Parabel, ohne allerdings den expliziten Verweis auf die Realität, einen nicht nur für Kinder gedachten Kinderfilm. Dass ihm dieser Spagat gelingen kann, hat er bereits bewiesen, zum Beispiel bei Edward mit den Scherenhänden (Edward Scissorhands,1990), wo Johnny Depp, einer von Burtons bevorzugten Schauspielern, als gutherziges Frankensteinmonster brilliert, das trotz seiner gefährlichen Scherenhände die Nachbarschaft mit kunstvollen Heckenschnitten verzaubert. Die Grenzen seiner Eingliederung in die Gesellschaft spürt er schmerzhaft, als er sich in die junge Kim (Winona Ryder) verliebt.

Ähnliche Außenseiterfiguren finden sich in fast allen Burton-Filmen. In Charlie und die Schokoladenfabrik ist es Willy Wonka: als Kind von seinem Vater streng und zum Verzicht auf Süßigkeiten erzogen, entscheidet er sich für den Beruf des Süßwarenfabrikanten und bringt es zu einzigartiger Meisterschaft. Betrogen von Spionen unter den eigenen Arbeitern, kündigt er allen Angestellten und lebt fortan alleine in seiner Fabrik – ein später Edward, der die Grausamkeit der Gesellschaft bereits erfahren hat. Johnny Depp spielt diesen Willy Wonka als kauzigen, antisozialen Dandy, ein Mann, der so lange ohne menschliche Gesellschaft auskommen musste, dass er die einfachsten Umgangsformen verlernt hat.

Charlie und die Schokoladenfabrik

Obwohl der Titel suggeriert, dass der kleine Charlie (Freddie Highmore) im Mittelpunkt der Handlung steht, ist es eigentlich die Figur Wonkas. Charlie ist ein durchschnittliches, liebevolles Kind. Er bleibt blass, auch im Vergleich zu den anderen Kindern, die zwar egoistisch und zickig, dennoch um einiges präsenter sind. In der Adaption Willy Wonka und die Schokoladenfabrik (Willy Wonka and the Chocolate Factory) aus dem Jahre 1971 ist es gerade umgekehrt: Hier steht Charlie im Mittelpunkt. Der Film bemüht sich trotz der Hollywood-Musicaleinlagen um einen gewissen Wiedererkennungswert durch Realitätsnähe. So ist Charlies Mutter allein erziehend und arbeitet in einer Wäscherei und Charlie selbst muss zur Schule gehen.

Burton erweckt nicht einmal den Verdacht von Realitätsnähe, bei ihm ist alles Stilisierung: das Haus der Buckets ist völlig schief und verfallen, Düsseldorf liegt in Bayern, Charlies gütige Mutter kocht hingebungsvoll Kohlsuppe, über die sich niemand beschwert, und selbst Charlies langweilig-penetrante Nettigkeit passt in dieses Schema. Charlies Heim ist wärmer gestaltet als die Außenwelt, die in ein kaltes grau-braun getaucht ist. Fröhlich bunt ist es allerdings nicht. So ist das Betreten der nach Außen hin grauen Fabrik wie das Betreten eines Wunderlands oder die andere Welt, zu der Dorothy mittels des Sturms im Zauberer von Oz (The Wizard of Oz, 1939) gelangt: zunächst einmal eine Farbexplosion. Neben grünen Wiesen mit allerlei bunten Früchten befinden sich braune Schokoladenflüsse, auf den Flüssen treiben rosa Bote, die von blau angezogenen Umpa Lumpas gesteuert werden.

Charlie und die Schokoladenfabrik

Die Umpa Lumpas sind kleine Menschen, die für Willy Wonka die Schokoladenherstellung übernehmen. Der Autor des Buches, der Brite Roald Dahl, hat sich für die Beschreibung dieser ursprünglich schwarzen kleinen Menschen, die sich von Wonka mit Kakaobohnen bezahlen lassen, Vorwürfe von Rassismus und Kolonialismus gefallen lassen müssen. Später wurden die Darstellungen revidiert. Bei Burton werden die Umpa Lumpas von einem einzigen Schauspieler gespielt: Deep Roy, der klein und dunkelhäutig ist. Warum Burton sich angesichts der sicherlich berechtigten Kritik an Dahl für ihn entschied, bleibt sein Geheimnis.

Mit Charlie und die Schokoladenfabrik gelingt Tim Burton einmal mehr ein märchenhaftes Gleichnis über die Kraft der Liebe, sei es die zwischen Mann und Frau wie in Big Fish oder, wie im Falle Charlies, die der Familie. Ganz nebenbei inszenierte er dabei großartige visuelle Szenen, wie das Umpa Lumpa-Wasserballett im Schokoladenfluss, und findet eine ganz ungewöhnliche Verwendung für die Titelmusik aus 2001 – Odyssee im Weltraum (1968), Richard Strauss’ Also sprach Zarathustra.

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Kommentare


jeannie19

Ein bezaubernder Film voll Fantasie und fesselnden Bildern, kombiniert mit schaurigen Ideen und einem absolut beeindruckenden Johnny Depp. Seine Rolle gefiel mir von Anfang bis Ende am besten und ich stimme der Kritik zu, dass er der eigentliche Hauptdarsteller dieses Films ist. Der Hintergrund seines Charakters war traurig, aber auch zugleich amüsant gestaltet. Man spürt auch, wie sich Johnny Depp genau wie in seinen anderen fantastischen Rollen, sehr wohl fühlte. Der kleine Charlie, welcher vielleicht durch liebreizendes Verhalten diese Position verdient hätte, wird von den anderen Darstellern jedoch eindeutig an die Wand gespielt, da dessen Rolle durch den Einfallsreichtum der anderen klar übertroffen wird. Jedes Kind birgt eine eigene besondere Boshaftigkeit bzw. Todsünde. Der dicke Junge aus Deutschland brillierte an sich schon wegen dem absolut überzogenen Akzent und das Mädchen, welche den Stolz repräsentierte, eiferte mit ihrer Mutter, die ähnlich aussah und agierte, um die Wette. Veruca Salts überzogenes Lächeln, wenn sie ihren Vater nach Geschenken bettelte, brachte zum Schmunzeln und der Junge, der sich ohne Videospiele eigentlich nicht aus dem Haus trauen könnte, gefiel durch seine gelungene aggressive Mimik. Die Umsetzung der Umpa- Lumpas empfand ich als Augenschmaus für jeden Zuschauer. Die mehrfache Darstellung des einen Schauspielers war sparsam und zugleich aussagekräftig. Auch die treffenden Chansons zu jeder Person, machten den Spaß perfekt. Nach einiger Zeit nahm jedoch die Spannung des Streifens etwas ab, da der Zuschauer nun genau ahnte, was als nächstes kommen könnte. Nichtsdestotrotz ist der Film vollkommen sehenswert und für jeden Johnny Depp- Fan ein absolutes Muss.






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