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Politik Peter Alexander

Der letzte Alleskönner

Peter Alexander ist tot. Er verband Generationen mit Musik, Schauspiel, Tanz

In einer Palme vor seinem Haus saß längere Zeit eine Frau auf einem Ast, die ihrem Star möglichst nahe sein wollte

Nach dreieinhalb Minuten ist alles vorbei. Der letzte Auftritt Peter Alexanders, zu seinem 80. Geburtstag im Wohnzimmer seiner Grinzinger Villa produziert, war als Abschied für immer gedacht. Der ewig juxende Pennäler wollte nach dem Tod seiner Frau im Jahr 2003 endgültig in seinem heimatlichen Gefilde in Ruhe gelassen werden. Samstagnacht ist er gestorben, mit 84 Jahren in Wien. Seine letzten Jahre waren keine glücklichen. Seine Frau Hilde starb am 30. März 2003, kurz nach der Goldenen Hochzeit. Der Weg zum Friedhof wurde sein einziger regelmäßiger Spaziergang. 2009 verunglückte seine Tochter Susanne in Thailand tödlich.

Die Traurigkeit und Einsamkeit seines letzten Lebensabschnittes steht im Gegensatz zu der unverdrossenen Fröhlichkeit, mit der er über Jahrzehnte in der Öffentlichkeit aufgetreten war. Noch in der letzten Video-Botschaft warf er sofort die Zwinkermaschine an, aktivierte sein notorisches Lausbuben-Lächeln und improvisierte dabei ein verjazztes "Dankeschön". Wenn Peter Alexander nicht nur der Superstar, sondern zugleich das Rätsel der deutschen Nachkriegsunterhaltung genannt wird, so meint man damit eine 'Sphinx ohne Geheimnis'. Einen Mann, der eben deswegen den harmlosen Betriebsschreck des Nachkriegsfilms perfekt verkörpern konnte - weil er genau so war.

Der 1926 im Wiener Alsergrund geborene Schauspieler und Sänger hätte immer wieder das Zeug zum Ernsten und vor allem zum internationalen Star gehabt. Nur wollte er nicht. Der ehemalige Wiener Sängerknabe begann seine Theaterkarriere 1948 nirgendwo anders als am Wiener Burgtheater - dort wo andere aufhören. Er wollte es immer eine Nummer kleiner.

Ein Job als Barpianist lenkte in Richtung Schlager. Sein Schallplattendebüt "Die Beine von Dolores" setzte ihn auf die Schmalz-Spur. Prompt verdingte sich Peter Alexander Maximilian Neumayer, wie er damals noch hieß, als Rätselonkel im österreichischen Rundfunk. Nach seinem ersten Film "Königin der Arena" (1952) war es Ehrensache, sich aufs Theater in der Josefstadt und aufs Fernsehgeschäft zu verkleinern. Selbst der Sprung nach Amerika war bereits ausgehandelt, als eine gelegen kommende Krankheit die Weltkarriere vereitelte. Peter Alexander ist die Verkörperung der deutschen Bescheidenheit der 50er Jahre. Er vertrat glaubhaft die Haltung, nicht mehr sein zu wollen als sein Publikum. Das vor allem hat ihn zu einem derartigen Sympathie-Dauerbrenner gemacht.

Viel wurde darüber geschrieben, dass dieser ewige Frauenschwarm in Wirklichkeit von nichts anderem träumte, als auf Weißen Rössl-Terrassen harmlos herumzuflachsen oder die Schule anzuzünden. In Filmkomödien wie "Liebe, Tanz und 1000 Schlager" (1955), "Ich bin kein Casanova" (1959) oder "Die Abenteuer des Grafen Bobby" (1962) verkörperte er das menschgewordene Lustspiel ohne Hintergedanken. Mit "Zum Teufel mit der Penne" (1968) prägte er den deutschen Pauker-Film und wechselte ins Lehrer-Fach, ohne die pathologische Fixierung aufs Nase-Drehen aufzugeben.

Wenn man sich vergegenwärtigt, dass diese Filme ohne den mindesten Betrag an Konflikt oder ernsthaftem Gefühl auskamen, so fragt man sich, wie sie überhaupt funktionieren konnten. Die Antwort lag in Peter Alexander selbst. Während er mit Fernseh-Höchstgagen und Personality-Shows die Film-Krise in Deutschland überstand, schob er eine Art Problemunterdruck in seinem künstlerischen Leben erfolgreich vor sich her. So zeichnete sich die späte Verweigerung dieses begnadeten Entertainers ab, an dessen spielerische Professionalität sich seine Produzenten Arthur Brauner und Ralph Siegel mit Staunen zurückerinnern.

Sein Geheimnis: Peter Alexander war bekennend unambitioniert. Die geschäftliche Seite seines Berufs überließ er ganz seiner Frau Hilde, mit der er seit 1952 ein halbes Jahrhundert lang verheiratet war. Er selber ging lieber angeln. Der bekennende Fußball-Narr ließ Kuss-Szenen in seinen Filmen vertraglich verbieten (um seine Ehefrau nicht zu provozieren). Er hasste das Reisen, liebte Kreuzworträtsel und nahm Geburtstagsgeschenke - ein eisernes Ritual - jedes Mal mit ins Bett. Nach seinem Rückzug schaffte er den Konzertflügel zuhause ab, um mehr Platz für die Märklin-Eisenbahn zu haben, die er liebte. Zum 80. Geburtstag gönnte er sich was ganz Besonderes - und kaufte sich eine neue Lok.

Als TV-Abräumer mit Shows wie "P.A. präsentiert Spezialitäten" (1974-78), der großen "Peter Alexander Show" (1987-95), "Ein Herz für Berlin" oder der "Großen Traumschiff-Gala" brachte er es einstweilen zu einer Art Majordomus des deutschen Wohnzimmers. Die Trag-Last all jener "Goldenen Bildschirme", Ehrenringe, Goldenen Kameras und zehn Bambis, die er gewann, würden jeden schwergewichtigen Ringer unter sich zusammenbrechen lassen.

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Allein seine Nr. 1-Schlager liefern ein Kaleidoskop deutscher Nachkriegs-Befindlichkeit. Während "Der Mond hält seine Wacht" (1955) noch den ranzigen Heimat-Muff der Wiederaufbauzeit beschwört, flimmern in "Der letzte Walzer" (1967) schon die Glühbirnen aufkommender Partykeller-Seligkeit. Seine 41 Ton-Ten-Titel - von "Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere" (1952), "Mandolinen und Mondschein" (1959) und "Ich zähle täglich meine Sorgen" (1960) bis zu "Der Badewannentango" (1962) und "Die kleine Kneipe" (1976) - erwecken den Eindruck, als hätten die fähigsten Tränendrüsen-Drücker der Nation eine Summe bundesdeutscher Stimmungen gezogen. In der DDR übrigens ist Peter Alexander - angeblich ohne Vorsatz - nie aufgetreten. Hier wirkte er unerreichbar. Er war aber einer der Ersten, der 1990 den Friedrichstadtpalast zum Kochen brachte und - ähnlich wie Heino - in den neuen Ländern die Zukunft sah.

Er war ein besessener, perfektionistischer Prober, der wenig Verständnis dafür aufbrachte, dass der Erfolg auf seine Feierabendperson projiziert wurde. In einer Palme vor seinem Haus in Lugano saß in den 60er Jahren längere Zeit eine Frau auf einem Ast, die ihrem Star möglichst nahe sein wollte. Das Ehepaar Alexander sah sich das sorgenvoll vom Fenster aus an. Nach zwei Tagen fiel die Frau vom Baum. Auch Peter Alexander scheint eine Rolle, die derlei mit sich brachte, irgendwann nicht mehr ausgehalten zu haben.

Peter Alexander, so könnte man sagen, hat - auf den Spuren von Heinz Rühmann - ein Leben lang "Feuerzangenbowle" gespielt. Wenn es einen Entertainer gab, der die Vorwende-Bundesrepublik repräsentierte, indem er sie vergessen half, dann war es der in diesen Dingen unerreichte Peter Alexander. Für sein diskret vorgeschütztes "Ich tat es alles nur aus Liebe...", für die Fiktion des Sich-Verschenkens also, wurde er zu Recht geliebt. Auch dafür war ihm ein Hit passgenau auf den Leib komponiert worden: "Komm und bedien dich bei mir". Genau darin war er groß.

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