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Kunst und Architektur 80. Geburtstag

Yoko Ono, mehr als nur John Lennons Witwe

Sie gilt noch immer als Zerstörerin der „Beatles“. Dabei war und ist Yoko Ono eine überaus interessante Künstlerin. Zum 80. Geburtstag widmet ihr die Frankfurter Schirn eine spannende Retrospektive.

Yoko Ono Superstar! Schon bei der Pressekonferenz ist der Andrang groß. Noch ist der Tisch mit ihrem Namensschild im Foyer der Frankfurter Kunsthalle Schirn leer, da haben sich schon mehr als ein Dutzend Fotografen und einige Fernsehteams vor ihm in Stellung gebracht. Dann erscheint sie. Eine zierliche, zerbrechlich wirkende Person, rabenschwarz gekleidet, mit schwarzer Sonnebrille, ein kleines, ebenfalls schwarzes Hipsterhütchen keck übers rechte Ohr gezogen.

Minutenlang entlädt sich ein Blitzlichtgewitter, begleitet von lauten Rufen „Yoko, Yoko“. So feiern die Medien keine Künstlerin, die in den selten glamourösen Künstlerzirkeln des New Yorks der sechziger und siebziger Jahre mit gewagten Performances, Body-Art und eher spröden konzeptuellen Arbeiten aufgefallen ist – so feiern sie einen Pop-Star.

Jetzt wurde Yoko Ono achtzig Jahre alt. Von Ermüdung oder gar Bitterkeit ist nichts zu merken, obgleich sie vieles zu erdulden hatte, jede Menge Hass auf sich zog, nicht erst nach dem Tod John Lennons, der am 8. Dezember 1980 vor dem Dakota Building am New Yorker Central Park erschossen wurde.

„Give Peace a chance“

Für viele ist sie bis heute nicht mehr und nicht weniger als die Frau und Witwe John Lennons geblieben, mit dem sie einst, beim legendären „Bed-in for Peace“ im März 1969 in einem Amsterdamer Hotelzimmer, „Give Peace a Chance“ gesungen hat, in jenen Tagen voll berauschter Hippieträumereien, Weltverbesserungsfantasien und Spaß am Protest.

Manche behaupten noch immer, sie sei es gewesen, die die Beatles auseinandergebracht habe. Der Legenden und Mythen, die sich um Yoko Ono ranken, sind zahlreich. Was sie gemacht hat, bevor sie zu einem Teil der Popgeschichte wurde, lässt sich nun in der Frankfurter Retrospektive besichtigen, die sie „Half-a-wind Show“ genannt hat.

Kennengelernt hatten sich der Beatle und die Künstlerin in ihrer Ausstellung „Yoko at Indica“ am 7. November 1966 in London. John Lennon kam oft in dem Buchladen mit Galerie vorbei, um mit John Dunbar, dem Direktor, zu plaudern und zu schauen, was ausgestellt wurde.

Ihr „Ceiling Painting“ gefiel John Lennon sofort

Es war der Tag vor der Eröffnung. Yoko Ono war gerade dabei, die Schau einzurichten. Ihr „Ceiling Painting“ gefiel Lennon sofort. Wer es betrachten will, muss auf eine weiße Leiter steigen, um mit einer Lupe auf einem Zettel, der in einem verglasten Rahmen an der Decke hängt, ein einziges Wort lesen zu können: „Yes“.

Eine weitere Arbeit, die in der Indica-Schau zu sehen war und noch heute großen Spaß macht, ist das „White Chess Set“. Alles daran ist weiß – der Tisch, die Stühle, das Brett, die Figuren. Also spielt man, so lange man sich an die Position sämtlicher Figuren erinnern kann. Was ist meines? Was ist deines? Sharon Tate und Roman Polanski – noch so eine Legende – sollen es in der Londoner Ausstellung spät nachts stundenlang gespielt haben.

Yoko Ono bricht in dieser Zeit spielerisch mit bestehenden Konventionen. Marcel Duchamps Lektion, es sei der Betrachter, der das Werk vollende, hat sie früher als andere gelernt. Sie setzt auf Partizipation und Kooperation, befreit Ideen davon, dinghaft erscheinen zu müssen, entwickelt stattdessen fantasievolle Handlungsanweisungen so kurz wie japanische Haikus, um die Vorstellungskraft des Betrachters zu entzünden wie das Streichholz in einem ihrer frühestens Werke, dem „Lighting Piece“ von 1955, das in seiner filmischen Version von 1966 auch in Frankfurt zu sehen ist.

Neigung zum Elementaren

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Der Vorgang an sich ist einfach: Die Flamme wird entzündet, lodert auf, verzehrt sich – und verlöscht. Yoko Ono macht daraus eine Meditation und eine existenzielle Parabel. Lässt sich mittels einfacher Anweisungen die Perspektive des Alltags symbolisch ebenso aushebeln wie Hierarchien und Machtgefüge? „Nimm einen leeren Beutel, geht damit auf einen Hügel, gieße so viel Licht hinein wie du kannst. Geh nach Hause, wenn es dunkel ist, hänge den Beutel anstelle einer Glühbirne in die Mitte deines Raumes“, lautet eine Anweisung von 1963.

Yoko Ono hält sich – wie viele japanische Künstlerinnen und Künstler – gern ans Elementare: Licht und Schatten, Feuer und Wasser, Luft und Himmel sind in Varianten auch die Elemente ihrer Kunst. Getragen von den Ideen der Zeit erkennt sie, dass der Mensch auch ist, woraus er besteht, was er atmet und worin er eintaucht: Wasser und Luft.

Es sind aber nicht allein die „air conditions“ unseres Daseins, die in den Blick rücken, es sind überhaupt die existenziellen, biologischen, sozialen und politischen Konditionen, die in Onos auf Sensibilisierung setzende Konzeptkunst einsickern. Nicht, um der Lufthoheit oder der Raumbeherrschung willen, sondern allein, um der Fantasie zu ihrem Recht zu verhelfen – und sich wenigstens im Geiste aus den erstarrten Verhältnissen zu katapultieren.

Lasst die Fantasie die Macht übernehmen

Also führt sie vor, wie einfach es sein könnte, der Fantasie die Macht zu überlassen. Ein Traum, den einstmals viele geträumt haben. Den Vietnam-Krieg hat der Slogan „Make Love not war“ allein wohl nicht beenden können, die gesellschaftliche Atmosphäre aber, in der dessen Ende an der Heimatfront politisch notwendig wurde, hat er durchaus beeinflusst.

Ganz Fluxus-Aktivistin, behütet Ono das Ephemere, die flüchtigen Blicke, den Glanz der Utopie im Auge des Betrachters. Wobei die „Instructions“ im Fluss halten, was sich in einem traditionellen „Werk“ – sei es Gemälde oder Installation – verfestigen und gegen ihre Intention wenden würde. Ono kann und will nichts vorhersehen, nichts festhalten. Deshalb lautet ihre Maxime bis heute: Imagine, stell Dir vor ... dann wird sich alles verändern.

Also wartet in einer silbern glänzenden Box ein Lächeln, statt Kaugummis kann man „Luft“ aus dem Automaten ziehen, und aus von den Wellen abgeschliffenen Glasstücken entstehen – in „Morning Piece“ – lauter Neuanfänge. Sogar der Eingang zur Ausstellung beschwört halluzinatorisch einen Wechsel der Perspektive: Die Drehtür, Symbol des Immergleichen, ist verriegelt. Durchgang gewährt nur ein doppelter Perlenvorhang daneben. Passiert man ihn offenen Auges, so entsteht für einen Moment eine optische Irritation – und im psychedelischen Flash verwandelt sich der profane „Entrance“ in „En Trance“.

Alles ausprobiert, vieles vorweggenommen

Yoko Ono hat – als Künstlerin, Musikerin, Aktivistin und Popstar – vieles ausprobiert. Sie hat für Weltfrieden, Gleichberechtigung und Feminismus gefochten. Nicht nur in frühen Performances wie dem „Cut Piece“, bei dem sie sich 1964 im prüden Tokio auf offener Bühne vom Publikum nach und nach die Kleider vom Leib schneiden lässt, hat sie vorweggenommen, was später zum Mainstream und zum Gegenstand zahlreicher Kunsttheorien wurde.

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Das haben freilich auch viele andere getan, nicht nur innerhalb der frühen Fluxus-Bewegung rund um George Maciunas. Kunst, das war in den Sechzigern und Siebzigern einfach das, was Künstler gemacht haben, ohne großes Publikum, ohne zu glauben, sie könnten die Welt retten. Heute, Yoko Ono betont es selbst, ist Kunst „very important“. Auch in ihr regiert das Prinzip der Prominenz, das die Pop-Kultur einst etabliert hat und das Andy Warhol wie kein zweiter zu zelebrieren verstand.

So steht der Superstar Yoko Ono am Ende der Fluxus- und Konzeptkünstlerin Yoko Ono im Wege. Zu simpel erscheinen die Wahrheiten, die ihre Ideenkunst beschwört und an die man vor dreißig, vierzig Jahren noch glauben konnte. Soll man das naiv nennen? Oder gehört es einfach zu unserer Zeit, dass wir so gern die Utopien von gestern beklatschen, an deren Kraft wir schon lange nicht mehr glauben?

Überbleibsel aus einer vergangenen Kunstwelt

Man muss sich im Archiv von Jonas Mekas nur einen kurzen Film von 1971 über Warhol und Maciunas ansehen, in dem auch John und Yoko vorkommen, um zu verstehen, wie anders die Kunstszene damals war, wie anders auch die Räume, in denen die „Pieces“ entstanden, die nur wenige sehen wollten.

Sicher, auch damals gab es verschrobene Ideen, Hysterien, Abgründe, eine Menge Blauäugigkeit und den Wunsch nach kommerziellem Erfolg. Heute, wo jeder, wie Warhol es prophezeit hat, auf Youtube oder Facebook ein abertausendfaches „Like“ einheimst, ist Prominenz zu einer leeren Hülle geworden.

Yoko Onos Kunst entsteht exakt an der Schwelle, an welcher der Künstlerruhm werklos zu werden und die Präsenz in den Medien alles andere zu überstrahlen oder zu kolonisieren beginnt. Träume und Sehnsüchte, das zeigt das große Interesse an ihr, sind geblieben. Eine der schönste Arbeiten Yoko Onos ist eine schlichte Postkarte mit einem Loch in der Mitte, durch das man den Himmel betrachten kann. Die mediale Variante in der Ausstellung besteht aus einem Fernsehmonitor, auf dem das Bild des Himmels über Frankfurt zu sehen ist. An diesem Tag ist er grau, aber prominent.

Yoko Ono: Half-A-Wind Show. Schirn Kunsthalle, Frankfurt/Main, bis 12. Mai.

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