Novalis Hymnen an die Nacht

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Novalis

Hymnen an die Nacht
(verfasst 1799/1800)

1.

Welcher Lebendige, Sinnbegabte, liebt nicht vor allen Wundererscheinungen des verbreiteten Raums um ihn, das allerfreuliche Licht - mit seinen Farben, seinen Stralen und Wogen; seiner milden Allgegenwart, als weckender Tag. Wie des Lebens innerste Seele athmet es der rastlosen Gestirne Riesenwelt, und schwimmt tanzend in seiner blauen Flut - athmet es der funkelnde, ewigruhende Stein, die sinnige, saugende Pflanze, und das wilde, brennende, vielgestaltete Thier - vor allen aber der herrliche Fremdling mit den sinnvollen Augen, dem schwebenden Gange, und den zartgeschlossenen, tonreichen Lippen. Wie ein K�nig der irdischen Natur ruft es jede Kraft zu zahllosen Verwandlungen, kn�pft und l�st unendliche B�ndnisse, h�ngt sein himmlisches Bild jedem irdischen Wesen um. - Seine Gegenwart allein offenbart die Wunderherrlichkeit der Reiche der Welt.

Abw�rts wend ich mich zu der heiligen, unaussprechlichen, geheimni�vollen Nacht. Fernab liegt die Welt - in eine tiefe Gruft versenkt - w�st und einsam ist ihre Stelle. In den Sayten der Brust weht tiefe Wehmuth. In Thautropfen will ich hinuntersinken und mit der Asche mich vermischen. - Fernen der Erinnerung, W�nsche der Jugend, der Kindheit Tr�ume, des ganzen langen Lebens kurze Freuden und vergebliche Hoffnungen kommen in grauen Kleidern, wie Abendnebel nach der Sonne Untergang. In andern R�umen schlug die lustigen Gezelte das Licht auf. Sollte es nie zu seinen Kindern wiederkommen, die mit der Unschuld Glauben seiner harren?

Was quillt auf einmal so ahndungsvoll unterm Herzen, und verschluckt der Wehmuth weiche Luft? Hast auch du ein Gefallen an uns, dunkle Nacht? Was h�ltst du unter deinem Mantel, das mir unsichtbar kr�ftig an die Seele geht? K�stlicher Balsam tr�uft aus deiner Hand, aus dem B�ndel Mohn. Die schweren Fl�gel des Gem�ths hebst du empor. Dunkel und unaussprechlich f�hlen wir uns bewegt - ein ernstes Antlitz seh ich froh erschrocken, das sanft und andachtsvoll sich zu mir neigt, und unter unendlich verschlungenen Locken der Mutter liebe Jugend zeigt. Wie arm und kindisch d�nkt mir das Licht nun - wie erfreulich und gesegnet des Tages Abschied - Also nur darum, weil die Nacht dir abwendig macht die Dienenden, s�etest du in des Raumes Weiten die leuchtenden Kugeln, zu verk�nden deine Allmacht - deine Wiederkehr - in den Zeiten deiner Entfernung. Himmlischer, als jene blitzenden Sterne, d�nken uns die unendlichen Augen, die die Nacht in uns ge�ffnet. Weiter sehn sie, als die bl�ssesten jener zahllosen Heere - unbed�rftig des Lichts durchschaun sie die Tiefen eines liebenden Gem�ths - was einen h�hern Raum mit uns�glicher Wollust f�llt. Preis der Weltk�niginn, der hohen Verk�ndigerinn heiliger Welten, der Pflegerinn seliger Liebe - sie sendet mir dich - zarte Geliebte - liebliche Sonne der Nacht, - nun wach ich - denn ich bin Dein und Mein - du hast die Nacht mir zum Leben verk�ndet - mich zum Menschen gemacht - zehre mit Geisterglut meinen Leib, da� ich luftig mit dir inniger mich mische und dann ewig die Brautnacht w�hrt.

^up

2.

Mu� immer der Morgen wiederkommen? Endet nie des Irdischen Gewalt? unselige Gesch�ftigkeit verzehrt den himmlischen Anflug der Nacht. Wird nie der Liebe geheimes Opfer ewig brennen? Zugemessen ward dem Lichte seine Zeit; aber zeitlos und raumlos ist der Nacht Herrschaft. - Ewig ist die Dauer des Schlafs. Heiliger Schlaf - begl�cke zu selten nicht der Nacht Geweihte in diesem irdischen Tagewerk. Nur die Thoren verkennen dich und wissen von keinem Schlafe, als den Schatten, den du in jener D�mmerung der wahrhaften Nacht mitleidig auf uns wirfst. Sie f�hlen dich nicht in der goldnen Flut der Trauben - in des Mandelbaums Wunder�l, und dem braunen Safte des Mohns. Sie wissen nicht, da� du es bist der des zarten M�dchens Busen umschwebt und zum Himmel den Scho� macht - ahnden nicht, da� aus alten Geschichten du himmel�ffnend entgegentrittst und den Schl�ssel tr�gst zu den Wohnungen der Seligen, unendlicher Geheimnisse schweigender Bote.

^up

3.

Einst da ich bittre Thr�nen vergo�, da in Schmerz aufgel�st meine Hoffnung zerrann, und ich einsam stand am d�rren H�gel, der in engen, dunkeln Raum die Gestalt meines Lebens barg - einsam, wie noch kein Einsamer war, von uns�glicher Angst getrieben - kraftlos, nur ein Gedanken des Elends noch. - Wie ich da nach H�lfe umherschaute, vorw�rts nicht konnte und r�ckw�rts nicht, und am fliehenden, verl�schten Leben mit unendlicher Sehnsucht hing: - da kam aus blauen Fernen - von den H�hen meiner alten Seligkeit ein D�mmerungsschauer - und mit einemmale ri� das Band der Geburt - des Lichtes Fessel. Hin floh die irdische Herrlichkeit und meine Trauer mit ihr - zusammen flo� die Wehmuth in eine neue, unergr�ndliche Welt - du Nachtbegeisterung, Schlummer des Himmels kamst �ber mich - die Gegend hob sich sacht empor; �ber der Gegend schwebte mein entbundner, neugeborner Geist. Zur Staubwolke wurde der H�gel - durch die Wolke sah ich die verkl�rten Z�ge der Geliebten. In ihren Augen ruhte die Ewigkeit - ich fa�te ihre H�nde, und die Thr�nen wurden ein funkelndes, unzerrei�liches Band. Jahrtausende zogen abw�rts in die Ferne, wie Ungewitter. An Ihrem Halse weint ich dem neuen Leben entz�ckende Thr�nen. - Es war der erste, einzige Traum - und erst seitdem f�hl ich ewigen, unwandelbaren Glauben an den Himmel der Nacht und sein Licht, die Geliebte.

^up

4.

Nun wei� ich, wenn der letzte Morgen seyn wird - wenn das Licht nicht mehr die Nacht und die Liebe scheucht - wenn der Schlummer ewig und nur Ein unersch�pflicher Traum seyn wird. Himmlische M�digkeit f�hl ich in mir. - Weit und erm�dend ward mir die Wallfahrt zum heiligen Grabe, dr�ckend das Kreutz. Die krystallene Woge, die gemeinen Sinnen unvernehmlich, in des H�gels dunkeln Schoo� quillt, an dessen Fu� die irdische Flut bricht, wer sie gekostet, wer oben stand auf dem Grenzgeb�rge der Welt, und hin�bersah in das neue Land, in der Nacht Wohnsitz - warlich der kehrt nicht in das Treiben der Welt zur�ck, in das Land, wo das Licht in ewiger Unruh hauset.
Oben baut er sich H�tten, H�tten des Friedens, sehnt sich und liebt, schaut hin�ber, bis die willkommenste aller Stunden hinunter ihn in den Brunnen der Quelle zieht - das Irdische schwimmt obenauf, wird von St�rmen zur�ckgef�hrt, aber was heilig durch der Liebe Ber�hrung ward, rinnt aufgel�st in verborgenen G�ngen auf das jenseitige Gebiet, wo es, wie D�fte, sich mit entschlummerten Lieben mischt.

Noch weckst du, muntres Licht den M�den zur Arbeit - fl��est fr�hliches Leben mir ein - aber du lockst mich von der Erinnerung moosigem Denkmal nicht. Gern will ich die flei�igen H�nde r�hren, �berall umschaun, wo du mich brauchst - r�hmen deines Glanzes volle Pracht - unverdro�en verfolgen deines k�nstlichen Werks sch�nen Zusammenhang - gern betrachten deiner gewaltigen, leuchtenden Uhr sinnvollen Gang - ergr�nden der Kr�fte Ebenma� und die Regeln des Wunderspiels unz�hliger R�ume und ihrer Zeiten. Aber getreu der Nacht bleibt mein geheimes Herz, und der schaffenden Liebe, ihrer Tochter. Kannst du mir zeigen ein ewig treues Herz? hat deine Sonne freundliche Augen, die mich erkennen? fassen deine Sterne meine verlangende Hand? Geben mir wieder den z�rtlichen Druck und das kosende Wort? Hast du mit Farben und leichtem Umri� Sie geziert - oder war Sie es, die deinem Schmuck h�here, liebere Bedeutung gab? Welche Wollust, welchen Genu� bietet dein Leben, die aufw�gen des Todes Entz�ckungen? Tr�gt nicht alles, was uns begeistert, die Farbe der Nacht? Sie tr�gt dich m�tterlich und ihr verdankst du all deine Herrlichkeit. Du verfl�gst in dir selbst - in endlosen Raum zergingst du, wenn sie dich nicht hielte, dich nicht b�nde, da� du warm w�rdest und flammend die Welt zeugtest. Warlich ich war, eh du warst - die Mutter schickte mit meinen Geschwistern mich, zu bewohnen deine Welt, sie zu heiligen mit Liebe, da� sie ein ewig angeschautes Denkmal werde - zu bepflanzen sie mit unverwelklichen Blumen. Noch reiften sie nicht diese g�ttlichen Gedanken - Noch sind der Spuren unserer Offenbarung wenig - Einst zeigt deine Uhr das Ende der Zeit, wenn du wirst wie unser einer, und voll Sehnsucht und Inbrunst ausl�schest und stirbst. In mir f�hl ich deiner Gesch�ftigkeit Ende - himmlische Freyheit, selige R�ckkehr. In wilden Schmerzen erkenn ich deine Entfernung von unsrer Heymath, deinen Widerstand gegen den alten, herrlichen Himmel. Deine Wuth und dein Toben ist vergebens. Unverbrennlich steht das Kreutz - eine Siegesfahne unsers Geschlechts.

Hin�ber wall ich,
Und jede Pein
Wird einst ein Stachel
Der Wollust seyn.
Noch wenig Zeiten,
So bin ich los,
Und liege trunken
Der Lieb' im Schoo�.
Unendliches Leben
Wogt m�chtig in mir
Ich schaue von oben
Herunter nach dir.
An jenem H�gel
Verlischt dein Glanz -

Ein Schatten bringet
Den k�hlenden Kranz.
O! sauge, Geliebter,
Gewaltig mich an,
Da� ich entschlummern
Und lieben kann.
Ich f�hle des Todes
Verj�ngende Flut,
Zu Balsam und Aether
Verwandelt mein Blut -
Ich lebe bey Tage
Voll Glauben und Muth
Und sterbe die N�chte
In heiliger Glut.

^up

5.

�ber der Menschen weitverbreitete St�mme herrschte vor Zeiten ein eisernes Schicksal mit stummer Gewalt. Eine dunkle, schwere Binde lag um ihre bange Seele - Unendlich war die Erde - der G�tter Aufenthalt, und ihre Heymath. Seit Ewigkeiten stand ihr geheimni�voller Bau. Ueber des Morgens rothen Bergen, in des Meeres heiligem Schoo� wohnte die Sonne, das allz�ndende, lebendige Licht.

Ein alter Riese trug die selige Welt. Fest unter Bergen lagen die Urs�hne der Mutter Erde. Ohnm�chtig in ihrer zerst�renden Wuth gegen das neue herrliche G�ttergeschlecht und dessen Verwandten, die fr�hlichen Menschen. Des Meers dunkle, gr�ne Tiefe war einer G�ttin Schoo�. In den krystallenen Grotten schwelgte ein �ppiges Volk. Fl�sse, B�ume, Blumen und Thiere hatten menschlichen Sinn. S��er schmeckte der Wein von sichtbarer Jugendf�lle geschenkt - ein Gott in den Trauben - eine liebende, m�tterliche G�ttin, empor wachsend in vollen goldenen Garben - der Liebe heilger Rausch ein s��er Dienst der sch�nsten G�tterfrau - ein ewig buntes Fest der Himmelskinder und der Erdbewohner rauschte das Leben, wie ein Fr�hling, durch die Jahrhunderte hin - Alle Geschlechter verehrten kindlich die zarte, tausendf�ltige Flamme, als das h�chste der Welt. Ein Gedanke nur war es, Ein entsetzliches Traumbild,

Das furchtbar zu den frohen Tischen trat
Und das Gem�th in wilde Schrecken h�llte.
Hier wu�ten selbst die G�tter keinen Rath
Der die beklommne Brust mit Trost erf�llte.
Geheimni�voll war dieses Unholds Pfad
Des Wuth kein Flehn und keine Gabe stillte;
Es war der Tod, der dieses Lustgelag
Mit Angst und Schmerz und Thr�nen unterbrach.

Auf ewig nun von allem abgeschieden,
Was hier das Herz in s��er Wollust regt,
Getrennt von den Geliebten, die hienieden
Vergebne Sehnsucht, langes Weh bewegt,
Schien matter Traum dem Todten nur beschieden,
Ohnm�chtiges Ringen nur ihm auferlegt.
Zerbrochen war die Woge des Genusses
Am Felsen des unendlichen Verdrusses.

Mit k�hnem Geist und hoher Sinnenglut
Versch�nte sich der Mensch die grause Larve,
Ein sanfter J�ngling l�scht das Licht und ruht -
Sanft wird das Ende, wie ein Wehn der Harfe.
Erinnerung schmilzt in k�hler Schattenflut,
So sang das Lied dem traurigen Bedarfe.
Doch unentr�thselt blieb die ewge Nacht,
Das ernste Zeichen einer fernen Macht.

Zu Ende neigte die alte Welt sich. Des jungen Geschlechts Lustgarten verwelkte - hinauf in den freyeren, w�sten Raum strebten die unkindlichen, wachsenden Menschen. Die G�tter verschwanden mit ihrem Gefolge - Einsam und leblos stand die Natur. Mit eiserner Kette band sie die d�rre Zahl und das strenge Maa�. Wie in Staub und L�fte zerfiel in dunkle Worte die unerme�liche Bl�the des Lebens. Entflohn war der beschw�rende Glauben, und die allverwandelnde, allverschwisternde Himmelsgenossin, die Fantasie. Unfreundlich blies ein kalter Nordwind �ber die erstarrte Flur, und die erstarrte Wunderheymath verflog in den Aether. Des Himmels Fernen f�llten mit leuchtenden Welten sich. Ins tiefre Heiligthum, in des Gem�ths h�hern Raum zog mit ihren M�chten die Seele der Welt - zu walten dort bis zum Anbruch der tagenden Weltherrlichkeit. Nicht mehr war das Licht der G�tter Aufenthalt und himmlisches Zeichen - den Schleyer der Nacht warfen sie �ber sich. Die Nacht ward der Offenbarungen m�chtiger Schoos - in ihn kehrten die G�tter zur�ck - schlummerten ein, um in neuen herrlichern Gestalten auszugehn �ber die ver�nderte Welt. Im Volk, das vor allen verachtet zu fr�h reif und der seligen Unschuld der Jugend trotzig fremd geworden war, erschien mit niegesehenem Angesicht die neue Welt - In der Armuth dichterischer H�tte - Ein Sohn der ersten Jungfrau und Mutter - Geheimni�voller Umarmung unendliche Frucht. Des Morgenlands ahndende, bl�thenreiche Weisheit erkannte zuerst der neuen Zeit Beginn - Zu des K�nigs dem�thiger Wiege wies ihr ein Stern den Weg. In der weiten Zukunft Namen huldigten sie ihm mit Glanz und Duft, den h�chsten Wundern der Natur. Einsam entfaltete das himmlische Herz sich zu einem Bl�thenkelch allm�chtger Liebe - des Vaters hohem Antlitz zugewandt und ruhend an dem ahndungsselgen Busen der lieblich ernsten Mutter. Mit verg�tternder Inbrunst schaute das weissagende Auge des bl�henden Kindes auf die Tage der Zukunft, nach seinen Geliebten, den Sprossen seines G�tterstamms, unbek�mmert �ber seiner Tage irdisches Schicksal. Bald sammelten die kindlichsten Gem�ther von inniger Liebe wundersam ergriffen sich um ihn her. Wie Blumen keimte ein neues fremdes Leben in seiner N�he. Unersch�pfliche Worte und der Botschaften fr�hlichste fielen wie Funken eines g�ttlichen Geistes von seinen freundlichen Lippen. Von ferner K�ste, unter Hellas heiterm Himmel geboren, kam ein S�nger nach Pal�stina und ergab sein ganzes Herz dem Wunderkinde:

Der J�ngling bist du, der seit langer Zeit
Auf unsern Gr�bern steht in tiefen Sinnen;
Ein tr�stlich Zeichen in der Dunkelheit -
Der h�hern Menschheit freudiges Beginnen.
Was uns gesenkt in tiefe Traurigkeit
Zieht uns mit s��er Sehnsucht nun von hinnen.
Im Tode ward das ewge Leben kund,
Du bist der Tod und machst uns erst gesund.

Der S�nger zog voll Freudigkeit nach Indostan - das Herz von s��er Liebe trunken; und sch�ttete in feurigen Ges�ngen es unter jenem milden Himmel aus, da� tausend Herzen sich zu ihm neigten, und die fr�hliche Botschaft tausendzweigig emporwuchs. Bald nach des S�ngers Abschied ward das k�stliche Leben ein Opfer des menschlichen tiefen Verfalls - Er starb in jungen Jahren, weggerissen von der geliebten Welt, von der weinenden Mutter und seinen zagenden Freunden. Der uns�glichen Leiden dunkeln Kelch leerte der liebliche Mund - In entsetzlicher Angst nahte die Stunde der Geburt der neuen Welt. Hart rang er mit des alten Todes Schrecken - Schwer lag der Druck der alten Welt auf ihm. Noch einmal sah er freundlich nach der Mutter - da kam der ewigen Liebe l�sende Hand - und er entschlief.

Nur wenig Tage hing ein tiefer Schleyer �ber das brausende Meer, �ber das bebende Land - unz�hlige Thr�nen weinten die Geliebten - Entsiegelt ward das Geheimni� - himmlische Geister hoben den uralten Stein vom dunkeln Grabe. Engel sa�en bey dem Schlummernden - aus seinen Tr�umen zartgebildet - Erwacht in neuer G�tterherrlichkeit erstieg er die H�he der neugebornen Welt - begrub mit eigner Hand der Alten Leichnam in die verla�ne H�hle, und legte mit allm�chtiger Hand den Stein, den keine Macht erhebt, darauf.

Noch weinen deine Lieben Thr�nen der Freude, Thr�nen der R�hrung und des unendlichen Danks an deinem Grabe - sehn dich noch immer, freudig erschreckt, auferstehn - und sich mit dir; sehn dich weinen mit s��er Inbrunst an der Mutter seligem Busen, ernst mit den Freunden wandeln, Worte sagen, wie vom Baum des Lebens gebrochen; sehen dich eilen mit voller Sehnsucht in des Vaters Arm, bringend die junge Menschheit, und der goldnen Zukunft unversieglichen Becher. Die Mutter eilte bald dir nach - in himmlischem Triumf - Sie war die Erste in der neuen Heymath bey dir. Lange Zeiten entflossen seitdem, und in immer h�herm Glanze regte deine neue Sch�pfung sich - und tausende zogen aus Schmerzen und Qualen, voll Glauben und Sehnsucht und Treue dir nach - wallen mit dir und der himmlischen Jungfrau im Reiche der Liebe - dienen im Tempel des himmlischen Todes und sind in Ewigkeit dein.

Gehoben ist der Stein -
Die Menschheit ist erstanden -
Wir alle bleiben dein
Und f�hlen keine Banden.
Der herbste Kummer fleucht
Vor deiner goldnen Schaale,
Wenn Erd und Leben weicht
Im letzten Abendmahle.

Zur Hochzeit ruft der Tod -
Die Lampen brennen helle -
Die Jungfraun sind zur Stelle -
Um Oel ist keine Noth -
Erkl�nge doch die Ferne
Von deinem Zuge schon,
Und ruften uns die Sterne
Mit Menschenzung' und Ton.

Nach dir, Maria, heben
Schon tausend Herzen sich.
In diesem Schattenleben
Verlangten sie nur dich.
Sie hoffen zu genesen
Mit ahndungsvoller Lust -
Dr�ckst du sie, heilges Wesen,
An deine treue Brust.

So manche, die sich gl�hend
In bittrer Qual verzehrt
Und dieser Welt entfliehend
Nach dir sich hingekehrt;
Die h�lfreich uns erschienen
In mancher Noth und Pein -
Wir kommen nun zu ihnen
Um ewig da zu seyn.

Nun weint an keinem Grabe,
F�r Schmerz, wer liebend glaubt,
Der Liebe s��e Habe
Wird keinem nicht geraubt -
Die Sehnsucht ihm zu lindern,
Begeistert ihn die Nacht -
Von treuen Himmelskindern
Wird ihm sein Herz bewacht.

Getrost, das Leben schreitet
Zum ewgen Leben hin;
Von innrer Glut geweitet
Verkl�rt sich unser Sinn.
Die Sternwelt wird zerflie�en
Zum goldnen Lebenswein,
Wir werden sie genie�en
Und lichte Sterne seyn.

Die Lieb' ist frey gegeben,
Und keine Trennung mehr.
Es wogt das volle Leben
Wie ein unendlich Meer.
Nur Eine Nacht der Wonne -
Ein ewiges Gedicht -
Und unser aller Sonne
Ist Gottes Angesicht.

^up

6.

Sehnsucht nach dem Tode

Hinunter in der Erde Schoo�,
Weg aus des Lichtes Reichen,
Der Schmerzen Wuth und wilder Sto�
Ist froher Abfahrt Zeichen.
Wir kommen in dem engen Kahn
Geschwind am Himmelsufer an.

Gelobt sey uns die ewge Nacht,
Gelobt der ewge Schlummer.
Wohl hat der Tag uns warm gemacht,
Und welk der lange Kummer.
Die Lust der Fremde ging uns aus,
Zum Vater wollen wir nach Haus.

Was sollen wir auf dieser Welt
Mit unsrer Lieb' und Treue.
Das Alte wird hintangestellt,
Was soll uns dann das Neue.
O! einsam steht und tiefbetr�bt,
Wer hei� und fromm die Vorzeit liebt.

Die Vorzeit wo die Sinne licht
In hohen Flammen brannten,
Des Vaters Hand und Angesicht
Die Menschen noch erkannten.
Und hohen Sinns, einf�ltiglich
Noch mancher seinem Urbild glich.

Die Vorzeit, wo noch bl�thenreich
Uralte St�mme prangten,
Und Kinder f�r das Himmelreich
nach Quaal und Tod verlangten.
Und wenn auch Lust und Leben sprach,
Doch manches Herz f�r Liebe brach.

Die Vorzeit, wo in Jugendglut
Gott selbst sich kundgegeben
Und fr�hem Tod in Liebesmuth
Geweiht sein s��es Leben.
Und Angst und Schmerz nicht von sich trieb,
Damit er uns nur theuer blieb.

Mit banger Sehnsucht sehn wir sie
In dunkle Nacht geh�llet,
In dieser Zeitlichkeit wird nie
Der hei�e Durst gestillet.
Wir m�ssen nach der Heymath gehn,
Um diese heilge Zeit zu sehn.

Was h�lt noch unsre R�ckkehr auf,
Die Liebsten ruhn schon lange.
Ihr Grab schlie�t unsern Lebenslauf,
Nun wird uns weh und bange.
Zu suchen haben wir nichts mehr -
Das Herz ist satt - die Welt ist leer.

Unendlich und geheimni�voll
Durchstr�mt uns s��er Schauer -
Mir d�ucht, aus tiefen Fernen scholl
Ein Echo unsrer Trauer.
Die Lieben sehnen sich wohl auch
Und sandten uns der Sehnsucht Hauch.

Hinunter zu der s��en Braut,
Zu Jesus, dem Geliebten -
Getrost, die Abendd�mmrung graut
Den Liebenden, Betr�bten.
Ein Traum bricht unsre Banden los
Und senkt uns in des Vaters Schoo�.

 

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