Kir Royal
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Franz Xaver Kroetz alias Baby Schimmerlos anno 1986 mit der Frisur, die damals schon altmodisch war.
Franz Xaver Kroetz alias Baby Schimmerlos anno 1986 mit der Frisur, die damals schon altmodisch war. © United Archives / kpa / Imago

So altmodisch die Frisur von Baby Schimmerlos, so aktuell weiterhin Routine und Fluch des Redaktionsalltags.

Was ist eigentlich so gut an der uralten und ärgerlicherweise nur sechs Folgen langen Serie „Kir Royal“ von Helmut Dietl, abgesehen von Franz Xaver Kroetz’ altmodischer Frisur und schlechten Manieren? Der Frisur, die damals schon altmodisch war, und den Manieren, die dann aber doch nicht so schlecht sind wie die Manieren einiger manierlicher Leute, zum Beispiel der fabelhaften Ruth Maria Kubitschek als Verlegerin von Unruh, die in der Folge, in der es um eine Liebesgeschichte zwischen zwei Holocaustüberlebenden geht, auf einmal aussieht wie eine Dame aus den höchsten Nazi-Kreisen und die mit einer Beiläufigkeit sagt „die“ und „die Juden“ meint, dass einem das Blut gefriert. Obwohl der Zusammenhang übrigens einigermaßen unverbindlich ist.

Was ist an „Kir Royal“ so gut, abgesehen überhaupt von der Kälte, die die Schickeria prägt und die sich gerade beim Feiern gruselig äußert, beim Tanzen auf den Tischen – einer Inszenierung für den Fotografen Herbie Fried, Dieter Hildebrandt, der perfekt ist in dieser Rolle, gerade weil Herbie Fried kein besonders witziger Typ ist, sondern ein halbwegs seriöser Klatschfotograf? Dessen Ansichten über seine Arbeit sind Ansichten aus den achtziger, eher aus den siebziger Jahren. Es ist lange her, dass man einen Mann so hat über Frauen sprechen hören. Aber man schaut es sich mit historischem Interesse an.

Was ist so gut an „Kir Royal“, abgesehen von den Auftritten von Mario Adorf als Mensch, der unbedingt in die Zeitung will – Gott, das waren Zeiten, als Menschen unbedingt in die Zeitung wollten – und Michaela May als Königin Kathi in einer Folge, die so böse ist, dass man zwischendurch nach Luft schnappen muss? Abgesehen auch von der Sekretärin Edda? Bei der nicht auszuschließen ist, dass es solche Sekretärinnen einmal gegeben hat, auch wenn wir sie nie getroffen haben. Und abgesehen von Senta Berger selbstverständlich, die offenbar alles gut macht, was sie macht?

Was also von alldem abgesehen ist so gut an „Kir Royal“? Es ist der seltsame Umstand, dass man das Zeitungsleben wiedererkennt, auch wenn man noch nie im Leben bei einer Boulevardzeitung gearbeitet hat. Es ist das Zeitungsleben an sich, das trotzdem wiederzuerkennen ist. Das Weitersortieren der Nachrichten über das Drehkreuz eines abgebrühten Blattmachers. Die kleinen Laster, die abends aus der Druckerei sausen, um die Zeitung zu verteilen. Die Routine, mit der es Tag für Tag dem Redaktionsschluss entgegengeht. Und erst spät wird die Sekretärin nervös und wird der Fotograf nervös und wird selbst – noch später und auch nicht immer – Baby Schimmerlos nervös. Denn jetzt muss er her, der Text, aber woher nehmen?

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