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Hindenburg bekam gleich ein Landgut geschenkt

In der Weimarer Republik galten noch andere Regeln. Reichspräsident Paul von Hindenburg schob Freunden Millionen zu und ließ sich nebenbei entschulden.

Deutschland schüttelt den Kopf über seinen Präsidenten. Zu Recht. Ob aber Christian Wulff wohl einmal vom „Osthilfeskandal“ gehört hat, als ein weit größerer Schatten auf ein Staatsoberhaupt fiel? Auch da ging es um Liegenschaften …

Als am 2. Oktober 1927 Paul von Hindenburg, seit zwei Jahren Reichpräsident , den 80. Geburtstag feierte, erhielt er ein besonderes Geschenk: das Gut Neudeck in Ostpreußen. Es war das Stammgut seiner eigenen Junkerfamilie, doch es war hoffnungslos überschuldet, Schwägerin Lina von Hindenburg bot es zum Verkauf an. Ein Reichstagsabgeordneter, Elard von Oldenburg-Januschau, hatte für das Geburtstagsgeschenk Spenden gesammelt. „In Kreisen der Großindustrie“, wie er später selbst anmerkte.

Auch der Reichslandbund hatte gespendet. Hindenburg ließ den Besitz sogleich auf seinen Sohn Oskar überschreiben, um spätere Erbschaftsteuern zu umgehen, bekam aber das Wohnrecht auf Lebenszeit zugesichert. Er geriet in Verruf. Selbst Erich Ludendorff, Kampfgefährte 1914/18 , warf ihm öffentlich vor, das geschenkte Gut Neudeck mache ihn beeinflussbar „durch gewisse Kreise“. Doch das war noch nicht alles.

Zur Wende von den 20er- zu den 30er-Jahren schob die Reichsregierung mit mehreren Gesetzen die „Osthilfe“ an: ein Fonds für Not leidende Bauern im Nordosten des Reiches. Wobei eigentlich beabsichtigt war, dass die Gelder vor allem an kleinere und mittlere Betriebe fließen, und auch nur bei Notlagen, die aus dem wirtschaftlichen Geschehen entstanden seien, nicht aus privater Prasserei seiner Besitzer.

Doch da die Auswahl und Abwicklung der Hilfsgelder über die Bank für Deutsche Industrieobligationen (Industriebank) lief, die in der Hand jener großindustriellen Kreise war, ging das Allermeiste an die Großgrundbesitzer, die Junker. Oft genug an solche, die – laut dem damaligen Leiter des Ruppiner Finanzamtes – ihr Vermögen „verspielt, verhurt und versoffen“ hatten. Nicht zuletzt wurde auch die weitläufige Verwandtschaft und Nachbarschaft Hindenburgs bedacht, teilweise mit Millionenbeträgen.

"Aktiver Einfluss auf Umschuldungsverfahren"

Ein heftiger Konflikt entflammte zwischen der Reichsregierung und dem Reichsrechnungshof einerseits und der Industriebank samt ihrer Osthilfekommissare und dem Reichspräsidialamt andererseits. Da die Regierung laut Weimarer Verfassung unmittelbar abhängig war vom Präsidenten, blieben viele Vorgänge zunächst unter der Decke, blieb auch ein Dossier des Kanzleramtes intern, laut dem „der Herr Reichspräsident auf ein Umschuldungsverfahren aktiven Einfluss genommen hat“, woraus „auch für den Herrn Reichspräsidenten eine nicht ganz erwünschte Situation entstehen könnte“.

Hindenburgs Büro konnte, als sich die Lage im Januar 1933 zuspitzte , qua Autorität manchen justiziablen Vorgang entschärfen, ihm willfährige Beamte decken. Doch die Regierung Schleicher ließ nicht locker, ein Untersuchungsausschuss wurde eingesetzt, der Rechnungshof mit einer weiteren Prüfung der Osthilfe beauftragt. Die „für den Herrn Reichspräsidenten nicht ganz erwünschte Situation“ nahte.

In dieser Situation reihte sich auch der Reichslandbund, die Vertretung der Großagrarier, in die Lobby derer ein, die vom Präsidenten verlangten, Schleicher zu entlassen und Hitler zum Kanzler zu ernennen. Am 22. Januar traf sich Hindenburgs Sohn – und Hausherr – Oskar mit Hitler. Am 30. Januar war Hitler Kanzler. Das Thema Osthilfe war beendet. Im August 1933 schenkte Hermann Göring, neuer Ministerpräsident Preußens, Hindenburg auch noch die Domäne Langenau, gleich neben Gut Neudeck.

Die Situationen damals und heute sind nicht vergleichbar. Und was den Ausgang des Skandals angeht, so ist es doch beruhigend, dass die zweite deutsche Republik einen selbst verschuldet in Bedrängnis geratenen Präsidenten verträgt. Ganz ohne „Staatskrise“.

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