Schleyer, "Landshut", Mogadischu, Stammheim – Heinrich Breloer verfilmte 1997 im Zweiteiler "Todesspiel" den legend�ren deutschen Herbst 1977. Ein journalistisch anspruchsvolles Projekt, das besonders in Teil 2 auch als Suspense-Thriller funktioniert. Breloer gelang ein St�ck television�rer Geschichtsschreibung, f�r das die sechsw�chige Nachrichtensperre die gr��te Herausforderung war. Das Ergebnis: Facetten einer bisher unerz�hlten Geschichte. Aber auch filmisch �berzeugt Breloers spannende Flei�arbeit. Die Schauspieler sind bestens gecastet, Hans Brenner als Schleyer ist das Gesicht des Films; der, der einen ebenso emotional in seinen Bann zieht, ist eine reale Person: Helmut Schmidt.
Der deutsche Herbst '77 – das waren die Geiselnahme und sp�tere Ermordung des Arbeitgeberpr�sidenten Hanns Martin Schleyer, die Entf��hrung des Passagierflugzeugs "Landshut", Mogadischu und der Selbstmord des RAF-F��hrungskaders im Hochsicherheitstrakt von Stammheim. Fast 20 Jahre danach nimmt sich nun Grimme-Preistr�ger Heinrich Breloer ("Wehner") dieser dramatischen 45 Tage an, die die Nation bewegten und die deutsche Nachkriegsdemokratie auf den Pr��fstand stellten.�
Foto: WDR / Sibylle AnnekEin Motiv, das Geschichte schrieb. 20 Jahre sp�ter machte genau dieses Bild dann TV-Geschichte: Hans Brenner als Hanns Martin Schleyer in Breloers "Todesspiel"
Ausschnitt aus einem Text zu den Dreharbeiten:
Mit dem Film beschreibt Breloer die Geschichte des Terrorismus, und er f��gt der "Geschichte der Linken und deren Desillusionierung" ein weiteres Kapitel hinzu. "Die Gl�ubigkeit der 68er-Generation, dass man die Geschichte ver�ndern k�nne, der Gr��enwahn meiner Generation ist eines der zentralen Themen", so Breloer.� Ein anderes: die Geschichte der Medien in diesem geschichtstr�chtigen Herbst. Eine sechsw�chige Nachrichtensperre war nicht nur ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik, sie erschwerte nat��rlich auch die Arbeit des Filmemachers. Bausteinchen um Bausteinchen, Zitat um Zitat musste er sich bei Zeitzeugen zusammensuchen. Mit dem Resultat: "Ich kann Facetten einer bisher unerz�hlten Geschichte rekonstruieren. Ich kann die Fernsehbilder von damals jetzt vervollst�ndigen." Die "Kein-Kommentar"-Statements ��bern�chtigter Krisenst�bler kann er nun erg�nzen mit Spielszenen aus den Sitzungen jener informellen Gro�en Koalititon, die souver�n von Kanzler Helmut Schmidt angef��hrt wurde. Breloers Ziel: ein m�glichst objektives Bild der Zeit geben.������������������������������������ tit.
Foto: WDR / Sibylle AnnekDie Wirklichkeit in Spielfilmform. K�ln, Vincenz-Statz-Stra�e, 5. September 1977 um 17:28 Uhr. Der �berfall: Tony (Robert Viktor Minich) und Anne (Claudia Michelsen) ziehen ihre Heckler & Koch Schnellfeuerwaffen aus dem Kinderwagen und feuern auf die Begleitmannschaft des Arbeitgeberpr�sidenten Hanns Martin Schleyer.
Erst heute k�nne man mit gr��erer Unbefangenheit auf das Geschehen blicken, "genauer und detaillierter die historischen Abl�ufe von damals beleuchten", so Breloer. Der Filmemacher, der auch f��r "Todesspiel", sein bisher aufwendigstes Projekt (2 Jahre Arbeit, 7 Mio. Mark), auf den bew�hrten Mix aus Doku-Material und Spielszenen setzt, holte f��r den Zweiteiler Helmut Schmidt, den BKA-Pr�sidenten Horst Herold und die Schleyer-Witwe vor die Kamera. Rund 50 Zeitzeugen hat er gesprochen, ��ber 100 Stunden Interviews mitgeschnitten. F��r die gespielten Szenen wurden Kanzleramt wie Stammheim "millimetergenau nachgebaut".
Der erste Teil, "Volksgef�ngnis", zeigt die brutale Entf�hrung Schleyers und die bisher aufwendigste Fahndung in der bundesdeutschen Geschichte. �ber 100 h�here Beamte waren auf den Fall angesetzt, an die 1000 Polizisten wurden zusammengezogen. BKA-Pr�sident Herold spielte den Psychologen und Helmut Schmidt den Krisenmanager, f�r den die Freilassung f�hrender Terroristen gegen das Leben Schleyers von vornherein nie in Frage kam. Das w�re die Einladung f�r weitere Entf�hrungen, die Bankrotterkl�rung der junge Demokratie gewesen. Breloer wollte "die Geschichte �ber die Gesichter der Gegenwart erz�hlen". Denn erstmals nach 20 Jahren brachen etliche Politiker und Terroristen ihr Schweigen. F�r den mehrfachen Grimme-Preistr�ger, bekannt f�r seine Mischung aus Spielszenen und Doku-Material, war das die Voraussetzung f�r "Todesspiel". Der erste Teil ist journalistisch angelegt, der zweite Teil, "Entf�hrt die Landshut" orientiert sich st�rker am Genre des Flugzeug-Thrillers, ist emotionaler, nervenaufreibender. Breloer: "Da bin ich ganz bewusst n�her an den Opfern dran. Sie hatte ich im Gegensatz zu Schleyer als Zeitzeugen." F�r einige, wie die couragierte Stewardess Gaby Dillmann, bekam der Film eine geradezu therapeutische Funktion. "Das Nachspielen nahm der Situation eines von ihrer Bedrohung."
Foto: WDR / Sibylle AnnekStuttgart- Stammheim, Hochsicherheitstrakt. 13.9.1977. Andreas Baader (Sebastian Koch). Die RAF-Mitglieder fordern, in ein Land ihrer Wahl ausgeflogen zu werden.
Kritik: "Todesspiel" (15.6.1997)
Dass im deutschen Herbst '77 das Leben von Hanns-Martin Schleyer der Staatsr�son geopfert wurde – das will Helmut Schmidt nicht gelten lassen. Oberstes Ziel sei damals gewesen: die Handlungsf�higkeit des Staates nicht zu gef�hrden, den Terroristen kein Frei-Abo f��r weitere Geiselnahmen auszustellen. In "Todesspiel" hat sich der f��nffache Grimme-Preistr�ger an einen deutschen Mythos gewagt – und sich ihm analytisch k��hl, dann emotional-dramatisch gen�hert. Die Wirklichkeit, das sind nicht nur harte objektive Fakten, Denkmuster und politische Strukturen, zu ihr geh�ren auch die Menschen in ihrer ganzen Subjektivit�t – das ist Breloer '97, einer, der sieht, was ein Stoff intellektuell braucht, der aber auch wei�, was er dem Zuschauer(geschmack) schuldig ist. So wurde "Todesspiel" ein brillantes Wechselspiel zwischen Journalismus und Spiel(szenen), zwischen Kopf und Bauch. Der Film ��ber Ohnmacht und politisches Taktieren, zugleich eine positive Neuinterpretation des Pragmatikers Helmut Schmidt, dokumentiert mit den vielf�ltigsten Mitteln des Fernsehens eine Zeit der totalen Nachrichtensperre, eine Krise der Demokratie. Breloer hilft dem Einzelnen, sich zu erinnern an eine politisch ��berhitzte Zeit, und er gibt den Deutschen ein St��ck Demokratie zur��ck. Breloer will der historischen Wahrheit auf die Spur kommen. Er rekonstruiert das Geschehen und l�sst es aus heutiger Sicht kommentieren, von Ex-Terroristen ebenso wie vom Ex-Kanzler. So lassen sich vorm Fernseher Erfahrungen machen: sinnliche Erkenntnis. Einzigartig.
Gro�artig auch sind die Leistungen der Schauspieler. Noch f�r die kleinsten der 105 Rollen konnte Breloer namhafte Mimen wie Hans Brenner als Schleyer, Sebastian Koch als Baader, Claudia Michelsen oder Karoline Eichhorn gewinnen. Nur Manfred Zapatka bleibt ungewohnt blass gegen sein "Vor-Bild" Helmut Schmidt. Breloer wei� das: "Der musste gegen den echten Kanzler regelrecht anspielen. Denn der ist auch ein gro�er Mime." (Text-Stand: 15.6.1997)
Foto: WDR / Sibylle AnnekRichtung Mogadischu. Kapit�n Mahmud, so nannte sich der pal�stin�nsische Luftpirat Zohair Akache (Birol �nel) w�hrend der Entf�hrung der Landshut. Das Entf�hrerkommando hat sich f�r die Hitze in den arabischen Emiraten umgezogen. Die T-Shirts mit dem Che-Signet hatte das Kommando in Mallorca eingekauft.
Rainer Tittelbach arbeitet als TV-Kritiker & Medienjournalist. Er war 25 Jahre Grimme-Juror, ist FSF-Pr�fer und betreibt seit 2009 tittelbach.tv. Mehr
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