BSW-Gründerin Wagenknecht will "Extremisten draußen lassen" | BR24
Sahra Wagenknecht im Kontrovers-Interview
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Sahra Wagenknecht im Kontrovers-Interview

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BSW-Gründerin Wagenknecht will "Extremisten draußen lassen"

Im Kontrovers-Interview spricht Sahra Wagenknecht über Ziele für die Europawahl. Sie erklärt, warum sie den Krieg in der Ukraine "einfrieren" will – und warum das BSW im BR24-BayernTrend drei Prozent, aber nur rund 40 Mitglieder in Bayern hat.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Kurz nach seiner Gründung will das "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) ins Europaparlament. Im aktuellen BR24-BayernTrend zur Europawahl kommt die Partei auf drei Prozent. In der Umfrage erreicht keine andere politische Kraft außerhalb des Landtags aktuell einen solchen Zustimmungswert.

Wagenknecht: Europa soll souveräner handeln – "Wir haben eigene Interessen"

Aber was will das BSW eigentlich? Es brauche in Brüssel und Straßburg eine Politik, "die vor allem die europäischen Interessen in den Mittelpunkt stellt", sagte Parteigründerin Sahra Wagenknecht im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers. "Wir müssen aufhören, uns immer in diesem Maße den USA unterzuordnen. Wir sind ein eigenständiger Kontinent. Wir haben eigene Interessen." Man müsse darauf achten, nicht im Konflikt zwischen den USA und China "zerrieben" zu werden: "Da sollte Europa wieder viel, viel souveräner handeln", so Wagenknecht.

Mit der Art, wie die Europäischen Union seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine handelt, ist das BSW nicht einverstanden. Im Wahlprogramm für die Europawahl heißt es, die EU-Wirtschaftssanktionen hätten Russland kaum getroffen. Sie würden nicht dazu beitragen, den Krieg zu stoppen, sondern stattdessen Europa schaden. Die Partei will laut Programm deshalb Sanktionen abbauen und "den Zugang zu den Rohstoffen und Energieträgern Russlands" ermöglichen.

Im Kontrovers-Interview sagte Wagenknecht, militärisch gehe es darum, "diesen Konflikt an der Linie einzufrieren, wo jetzt die Front verläuft und dann zu verhandeln". Den Vorwurf, damit würde die Ukraine im Stich gelassen, wies Wagenknecht zurück. Man könne nicht zuschauen, wie jeden Tag hunderte junge Menschen "auf beiden Seiten der Front sterben, wie das Land immer mehr zerstört wird".

Ukraine: "Mit Waffenlieferungen werden wir das Sterben nicht beenden"

Die meisten Kriege dieser Welt seien mit Verhandlungen beendet worden. "Irgendwann verhandeln verschiedene Kriegsparteien miteinander", sagte Wagenknecht. Am Ende des Afghanistan-Krieges hätten die USA mit den Taliban verhandelt. Eine weitere oder gar stärkere militärische Unterstützung für die Ukraine durch Deutschland, lehnt die Parteichefin ab: "Mit Waffenlieferungen werden wir das Sterben nicht beenden."

USA, China, Russland, Ukraine – für die großen Konflikte hat Sahra Wagenknecht das BSW inhaltlich aufgestellt. Einen bayerischen Landesverband der neuen Partei gibt es hingegen noch nicht. Laut Klaus Ernst, ehemaliger Linken-Fraktionschef im Bundestag und heute BSW-Mitglied aus Bayern, zählt die Partei im Freistaat rund 40 Mitglieder.

BSW will sichergehen, dass Neumitglieder die Programmatik teilen

"Wir haben ja nicht deshalb 40 Mitglieder, weil es so wenig Interesse gibt", sagte Wagenknecht im Kontrovers-Interview. Es gebe große Unterstützergruppen, in Bayern seien es um die 1.000. "Aber wir haben uns entschieden, bei der Mitgliedschaft eben langsam zu wachsen." Man wolle die Menschen erst kennenlernen und wissen, ob man die Programmatik teile. Junge Parteien hätte oft das Problem, dass sie Personen anzögen, "die vielleicht schon durch fünf Kleinstgruppen gegangen sind, die vielleicht auch einfach nur ein Podium wollen".

Viele Parteien seien daran gescheitert, oder hätten sich bis zur Unkenntlichkeit verändert. Die AfD sei beispielsweise anders gegründet worden, als sie heute aussieht. Man wolle keine Menschen aufnehmen, die "chaotisieren". "Natürlich wollen wir Extremisten draußen lassen", so Wagenknecht. "Rechtsextremisten, aber auch andere Radikale."

Im klassischen Parteienspektrum nicht eindeutig zu verorten

Sie wünsche sich, viele AfD-Wähler gewinnen zu können, sagte die BSW-Chefin und nannte ihre Partei eine "seriöse Alternative". Viele Menschen seien "aus gutem Grund" wütend darüber, wie schlecht das Land regiert werde. Wagenknecht sprach von "arroganten Grünen-Politikern", die Menschen belehren würden, wie sie sprechen oder welches Auto sie fahren sollen. Das erzeuge Wut und "manche ziehen daraus den Schluss, dass sie AfD wählen".

Das BSW geht stark auf Konfrontation mit der Ampelregierung. Dennoch lässt sich die Partei im klassischen Spektrum derzeit nicht eindeutig verorten. Wagenknecht will Wähler von links und rechts erreichen. Einerseits steht sie für mehr soziale Gerechtigkeit, wie ihre ehemalige Partei Die Linke. Andererseits aber auch für eine harte Linie bei der Migration. Angesprochen auf die neue Konkurrenz zeigt sich der bayerische AfD-Landtagsabgeordnete Matthias Vogler im Januar gelassen: "Ich glaub nicht, dass Frau Wagenknecht die AfD so viele Stimmen kosten wird. Sie sagt das gleiche, was die AfD seit Jahren sagt."

BSW-Chefin will nicht schauen, wer etwas sagt, sondern: "Was ist richtig?"

Was die inhaltliche Schnittmenge ihrer Partei mit der AfD angeht, sagte Wagenknecht, sie finde es falsch, immer darauf zu schauen, wer etwas sage: "Man muss gucken: Was ist richtig?" Die Migrationszahlen seien zu hoch, das Land sei überfordert, es gebe ein Problem mit gescheiterter Integration. "Das sind doch Wahrheiten", so Wagenknecht, dafür brauche sie nicht die AfD.

Ob sich die aktuellen Umfragewerte für das Bündnis Sahra Wagenknecht bestätigen und ob die erst Anfang des Jahres gegründete Partei die AfD Stimmen kosten kann, wird zum ersten Mal bei der Europawahl am 9. Juni zu sehen sein.

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