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Krieg und Frieden
Krieg und Frieden
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Voyna i Mir (1865-69) Von Leo Tolstoi.
«Eh bien, mon prince, Genua und Lucca sind weiter nichts mehr als Apanageg�ter der Familie Bonaparte.»
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Der Inhalt
Der Roman ist eins der m�chtigsten und eigent�mlichsten Werke aller Literaturen, eine Art Nationalepos in Prosa, zu dem die Sebastopolskizzen nur ein Auftakt waren. Es ist das von einem ungeheuerlichen Detailreichtum strotzende Riesengem�lde jenes Russlands, das durch den Kampf mit Westeuropa, mit Napoleon aufger�ttelt wird. Es f�hrt die sieben Jahre von 1805-1812 vor, es zieht Kaiserschloss und Bauernh�tte in seinen Rahmen, es l�sst die gro�en Akteure der Zeit auftreten - Napoleon, Alexander I., Kutusow - wie die dunkle Masse der Statisten, es ber�hrt und ben�tzt alle St�nde und Str�mungen, alle gesellschaftlichen und politischen Gegens�tze, es ist so gro�, dass man staunt, und so eigent�mlich russisch, dass man stutzt.
Nur mit einiger M�he versetzt man sich in die Anschauungsweise, die das Werk durchzieht und aus der heraus sich auch seine nach unsern Begriffen zu w�nschen �brig lassende Komposition, seine auf den ersten Blick formlose Breite erkl�rt und rechtfertigt. Alle diese Leute, die da zu spielen glauben, sind nur Schachfiguren in der Hand des Schicksals, der Vorsehung - um so l�cherlicher, je kunstvollere Pl�ne sie machen und je mehr sie zu lenken vermeinen.
Deshalb ist Napoleon mit all seinem Genie eigentlich der L�cherlichste - jeder strategische Meisterzug, jeder Sieg f�hrt ihn dem Untergange n�her, den ihm nicht etwa Kutusow, sondern das russische Klima, die russische Erde, das russische Volk, den ihm "Raum und Zeit" bereiten werden. |
Napoleon Bonaparte
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Kutusow dagegen, der russische Oberbefehlshaber, ist gegen ihn gewiss ein tr�ger, unf�higer, gew�hnlicher Alltagsmensch, aber gro� insofern, als er der "Macht des Unbewussten" folgt, seinen eignen Willen der Vorsehung unterordnet, dem Schicksal gleichsam nur seinen Lauf l�sst. Am sch�nsten wird dieses Tolstoische Ideal, das dem germanischen Heldentypus so ganz entgegengesetzt ist, in dem schlichten, dem�tigen Soldaten Platon Karatajew ausgepr�gt:
man f�hlt die liebe, W�rme, Sehnsucht, mit der diese das Volk der Tiefe repr�sentierende, das Unvermeidliche ergeben tragende Gestalt vom Dichter gezeichnet ist.
Der junge Tolstoi in Uniform
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Sie wird auch zum Ideal f�r den Grafen Pierre Besuchow, der immer mehr in den Mittelpunkt des Romans tritt. Aus der un�bersehbaren Menge der Einzelbilder wird jeder anderes des jungen Peja Rostow, die Kinderszenen, die Episode des Artillerioffiziers Tuschin, die Schilderung der Hof- und Gesellschaftskreise, der Schlachten von Austerlitz, Smolensk, Borodino, den Brand von Moskau, den schrecklichen R�ckzug der gro�en Armee - eine Aufz�hlung, die man noch einige Zeit fortsetzen k�nnte, ohne den Gehalt dieses dichterisch gro�artigsten Werkes von Tolstoi zu ersch�pfen. |
Aus: "Geschichte der Weltliteratur" von Carl Busse
Der Verfasser
In Jasnaja Poljana wurde Leo Nikolajewitsch Tolstoi am 9. September 1828 geboren: er machte dieses verlorene, im Gouvernement Tula gelegene Landgut weltber�hmt. Das Adeslgeschlecht, dem er entstammte, soll vor vielen Jahrhunderten aus Deutschland eingewandert sein und in seinen ersten Mitgliedern den Namen Dick oder Dickmann gef�hrt haben, der dann in w�rtlicher �bersetzung zu Tolstoi geworden sei. Fr�h verlor der Knabe seine Eltern, die Mutter, als er zwei, den Vater, als er neun Jahr alt war.
Weibliche Verwandte erzogen ihn; schon mit 15 Jahren besuchte er die Universit�t Kasan, studierte erst orientalische Sprachen, dann die Rechte und ging 1848 auf sein Gut zur�ck - wie er selbst sagt, ein junger Mann mit grobem, h�sslichem, b�urischem Gesicht und ebensolchen H�nden und F��en, der sich deshalb von den Frauen fern hielt.
Die n�chsten Jahre verschw�rmte und vertr�delte er als vornehmer M��igg�nger, machte Spielschulden, reiste und trat 1851 als Artillerief�hnrich in ein kaukasisches Regiment. Beim Ausbruch des Krimkrieges lie� er sich zur Donau-Armee versetzen, nahm an Schlachten und Belagerungen teil und war vom November 1854 bis zum August 1855 im belagerten Sebastopol, vielfach in der gef�hrlichen "vierten Bastion". Er weigerte sich auch hartn�ckig, Stabsoffizier zu werden und seinen von allen Schrecknissen des Krieges umtobten Posten zu verlassen. Nach dem Friedensschluss nahm er seinen Abschied, schrieb w�hrend der n�chsten 15 Jahre seine gro�en Romane und besch�ftigte sich dazwischen mit Volksp�dagogik. Um 1877 trat die gro�e religi�se Krisis in seinem Leben ein, und seitdem wirkte er, als einfacher Bauer lebend und arbeitend, durch Mahnrufe, Bekenntnisse und Tendenzliteratur aller Art im Sinne seiner schon geschilderten neuen Anschauungen.
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Graf Leo Nikolajewitsch Tolstoi.
Nach dem Gem�lde von Ilja E. Repin
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Den ihm zugedachten Nobelpreis lehnte er folgerichtig ab. Die Exkommunizierung seitens der griechisch-orthodoxen Kirche (M�rz 1901) beirrte ihn nicht. Im November 1910 verlie� der Zweiundachtzigj�hrige in heimlicher Flucht Haus und Familie. Er starb kurz darauf, unvers�hnt mit der Kirche, am 20. November 1910.
Aus: "Gesichte der Weltliteratur" von Carl Busse
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«Tolstoi, das ist die ganze Welt. Das ist ein Mensch,
der wahrhaft eine gro�e Sache vollendet hat: Er gab
das Ergebnis des in einem Jahrhundert Erlebten und
dr�ckt es mit erstaunlicher Wahrheit, Kraft und
Sch�nheit aus.
»
Maxim Gorki
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