Theo Waigel watscht Hubert Aiwanger bei „Markus Lanz“ ab
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Waigel watscht Aiwanger ab: Ex-Finanzminister übt bei „Lanz“ Kritik am Chef der Freien Wähler

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Markus Lanz mit seinem Talkgast Theo Waigel.
Markus Lanz mit seinem Talkgast Theo Waigel. © Screenshot ZDF

Es sind politisch zerrissene Zeiten. Die Gelegenheit für Talkshows, in denen auch mal nur ein Gast die Welt erklärt. Bei „Markus Lanz“ stand dafür Ex-Finanzminister Theo Waigel parat.

Hamburg – Sind es Tage, in denen Talkshows nicht im normalen Format operieren können oder wollen? Bei Maybrit Illner erklärte der Ex-Pfarrer und Ex-Bundespräsident Joachim Gauck die Welt, im Anschluss hatte Markus Lanz im ZDF den CSU-Ehrenvorsitzenden und ehemaligen Finanzminister Theo Waigel zu Gast, der laut Lanz „Die wichtigste Stimme in der CSU ist, auf die selbst Markus Söder hört.“

Mag sein, aber als alte, weise Stimme der CSU inszenierte sich Theo Waigel, immer noch mit markanten, inzwischen leicht ergrauten Augenbrauen, nicht. Stattdessen entwickelte sich eine bemerkenswerte, ruhige, komplexe Unterhaltung, die auf angenehme Weise von der Hysterie des tagespolitischen Diskurses abwich.

Theo Waigel ist zu Gast bei Markus Lanz

Unweigerlich waren die Probleme, die Kriege der Gegenwart ein Thema, wobei Waigel bei Markus Lanz im ZDF betonte: „Man soll nicht so tun, als hätten wir früher keine Probleme gehabt.“ Zum Fall der Mauer hätten 400.000 sowjetische Soldaten auf (ost)deutschem Boden gestanden, dazu hunderte Kampfflugzeuge und Panzer, die Zerstörung des Westens sei nur einen Knopfdruck entfernt gewesen, dagegen wirke die aktuelle, vielleicht auch nur scheinbare Drohung durch Russland lächerlich.

Ohnehin würde heute zu viel in der Öffentlichkeit geredet: „Über jeden Panzer, der jetzt in die Ukraine soll, wird ein unvorstellbarer Aufwand gemacht, es wird zuerst diskutiert, bevor die Politik entscheidet, das verwirrt die Menschen.“ Zu viel Rücksicht nehmen auf Flügel in der Partei sei falsch, manchmal müsse man im Sinne Luthers sagen: „Hier stehe ich und kann nicht anders“ und sagen: „Ich entscheide!“

Theo Waigel über den Krieg in Israel

Seit knapp drei Wochen ist jedoch nicht mehr der Ukraine-Krieg der wichtigste, der neue, heiße Krieg in Israel bestimmt die Wahrnehmung und die Frage, wie bedingungslos soll oder muss Deutschland Israel unterstützen. Vor über 50 Jahren war diese Frage noch einfacher, wie eine hübsche Anekdote Waigels andeutete: Ende der 60er Jahre habe Franz Josef Strauß, der damalige Verteidigungsminister, aus den Beständen der Bundeswehr die israelische Armee während des Sechstagekrieges versorgt, ohne offizielle Entscheidung des Bundestages, mit Einverständnis auch der damaligen SPD-Opposition.

Eine Entscheidung, die Strauß ewige israelische Dankbarkeit sicherte. Jahre später traf Waigel in Israel Jitzchak Rabin, den letzten Politiker des Landes, der laut Waigel die Kraft gehabt hätte, den Nahostkonflikt zu lösen. Nach Rabins Ermordung hätten die falschen Leute regiert, bis hin zum aktuellen Regierungschef Bibi Netanjahu, weswegen ein Ausgleich in weite Ferne gerückt ist.

Auch das Projekt Europa steckt in der Krise, doch bei Markus Lanz im ZDF wollte Waigel von pauschaler Kritik an der Idee Europa nichts hören: „Europa ist immer noch eine Insel der Glücklichen“ meinte Waigel, „es hat viele Defizite, aber es ist das tollste Friedensprojekt, und ohne Europa hätte es die Deutsche Einheit nicht gegeben.“ Nicht erst heute würden viel zu sehr die negativen Aspekte, die Probleme betont und viel zu wenig Augenmerk auf die Erfolge Europas gelegt.

Waigel analysiert bei „Lanz“ die Koalition in Bayern

Mit angenehmer Pragmatik analysierte Waigel die Situation, auch die Koalition, die seine Partei, die CSU, in Bayern mit den Freien Wählern um Hubert Aiwanger eingegangen ist, um an der Macht zu bleiben. Dass ausgerechnet der Landwirt Hubert Aiwanger, der wissen sollte, wie wichtig EU-Subventionen ganz persönlich für ihn seien, gegen die EU wettert, erklärte Waigel mit populistischem Verhalten, mit dem Versuch, Stimmen zu bekommen.

Genau wie beim Impfen sei das: „Er hat sich nur überlegt, wo er noch ein paar Stimmen bekommt“, wetterte Waigel bei Markus Lanz, der auch gegenüber Entscheidungen seiner eigenen Partei kritisch sein konnte. Kein Wunder, schließlich ist er schon längst aus der Tagespolitik ausgeschieden, hat keine nächste Wahl vor sich und kann dementsprechend sagen, was er denkt.

Waigel greift Aiwanger an

Auch die Salamitaktik, mit der Aiwanger die Flugblatt-Vorwürfe, nun ja, nicht unbedingt parierte, sah Waigel problematisch, denn trotz der offensichtlichen Halbwahrheiten, die Aiwanger von sich gab, gewannen die Freien Wähler bei der Wahl mehrere Prozentpunkte. Trotz einer unterschwellig demokratiefeindlichen Haltung. Waigel zeigte sich besorgt wegen einiger aktueller Tendenzen, wagte sogar einen Vergleich zu Weimar, sagte, dass sowohl die extreme Rechte als auch die äußerste Linke, à la Wagenknecht, die Demokratie gefährde.

Doch wie kriegt man die Gesellschaft, die „Querdenker“, die Wutbürger wieder zusammen? „Wir müssen die großen Projekte, die anstehen, gemeinschaftlich lösen. Nicht als große Koalition; aber bei der Migration, bei der Wirtschaft, da müssen alle demokratischen Parteien zusammen arbeiten. Und wenn diese Probleme gelöst werden, entziehen wir sowohl der AfD, wie der äußersten Linke die Argumente.“

Hört sich leicht an, dürfte aber schwer umzusetzen sein. Doch wie Theo Waigel bei Markus Lanz im ZDF die Probleme, vor denen das Land steht, analysierte und Lösungsmöglichkeiten aufzeigte, zeigte dann doch, dass nicht alles, was alte weiße Männer von sich geben, ignoriert werden sollte. (Michael Meyns)

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