Jurek Becker | Deutsch-polnischer Schriftsteller (1937–1997)
Jurek Becker
Jurek Becker

Jurek Becker

Schriftsteller und Drehbuchautor

Jurek Becker wurde 1937 in Polen geboren und starb 1997 in Schleswig-Holstein. Er war ein deutsch-polnischer Schriftsteller, der für seinen Roman »Jakob der Lügner« bekannt war. Er war auch als Drehbuchautor und als Gastprofessor tätig. Sein genaues Geburtsdatum ist unbekannt, da ihn sein Vater im Ghetto von Lodz als älter ausgab, um ihn vor der Deportation zu bewahren. Dennoch lebte Becker auch in den Konzentrationslagern Ravensbrück und Sachsenhausen.

»Am Schreibtisch kann ich ein kleines bisschen fliegen.«
Jurek Becker

Erfolg mit »Jakob der Lügner«

Nach dem Zweiten Weltkrieg wohnte Jurek Becker mit seinem Vater, der den Holocaust überlebt hatte, in Ost-Berlin. Er machte 1955 sein Abitur und begann ein Studium der Philosophie und studierte später an der Filmhochschule Babelsberg. Als Drehbuchautor schrieb er »Jakob der Lügner«. Die Verfilmung wurde abgelehnt. Deshalb wandelte er das Drehbuch in einen Roman um, der 1969 publiziert wurde. Der Erfolg war so groß, dass er 1971 den Heinrich-Mann-Preis bekam.

Der Roman handelt von Jakob Heym, einem Einwohner eines fiktiven Ghettos. Er erfährt zufällig vom Vormarsch der roten Armee und erzählt es den anderen Ghettobewohnern. Er bemerkt, dass er damit die Hoffnung seiner Leidensgenossen auf ein gutes Ende weckt. Deshalb behauptet er, ein Radio zu besitzen – im Ghetto war das verboten – und verkündet fortan erfundene gute Nachrichten. Leider nimmt die Geschichte ein tragisches Ende, da Jakobs Lügen nicht mit der grausamen Realität übereinstimmen.

Das Buch ist der erste Band von Jurek Beckers Holocaust-Trilogie. Auf »Jakob der Lügner« folgte 1976 »Der Boxer« und 1986 »Bronsteins Kinder«. 1974 wurde »Jakob der Lügner« von Frank Beyer verfilmt. Der DEFA-Film erhielt eine Oskarnominierung. 1999 folgte eine Verfilmung in Hollywood.

Konflikte mit dem DDR-Regime und Umzug in den Westen

Jurek Becker trat 1955 in die FDJ und 1957 in die SED ein. Dennoch geriet er mit der Partei in Konflikt. Sein Studium der Philosophie musste er aus politischen Gründen abbrechen. Als er 1976 gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns protestierte, folgte der Ausschluss aus der SED. 1977 verließ er den Schriftstellerverband der DDR, da er sich für Reiner Kunze einsetzte, der ausgeschlossen wurde. Im selben Jahr verließ Becker die DDR mit einem Reisevisum und trat mehrere Gastprofessuren in den USA an. Im Jahr darauf zog er nach West-Berlin um. In der Biographie Jurek Beckers gibt es auch literarische Auseinandersetzungen mit dem neuen Leben im Westen.

Erfolg als Roman- und Drehbuchautor

Jurek Beckers Biographie ist stark von seiner Tätigkeit als Drehbuchautor geprägt. Von 1962 – 1977 war er in diesem Beruf bei der DEFA fest angestellt. Er schrieb auch Texte für das Kabarett »Die Distel«. 1987 erhielt er den renommierten Grimme-Preis für die Fernsehserie »Liebling Kreuzberg«, zusammen mit Heinz Schirk und Manfred Krug. Mit letzterem war Becker befreundet, sie kannten sich seit dem Militärdienst in der Nationalen Volksarmee von 1955 bis 1957.
1990 schrieb er das Drehbuch für die Tragikomödie »Neuner«, für die er 1991 den Deutschen Filmpreis »Filmband in Gold« bekam. 1994 folgte die Fernsehsatire »Wir sind auch nur ein Volk«, das die Wiedervereinigung thematisierte.

Jurek Becker schrieb noch weitere Romane. 1973 erschien »Irreführung der Behörden«, für den er im selben Jahr den Bremer Literaturpreis gewann. In späteren Jahren folgten:

– »Schlaflose Tage« (1978)
– »Nach der ersten Zukunft« (1980)
– »Aller Welt Freund« (1983)

Jurek Beckers Steckbrief

30.09.1937: Geburt in Lodz (vermutlich früher)
ab 1939: wohnt im Ghetto in Lodz, später im KZ Ravensbrück und im KZ Sachsenhausen
1945: wohnt in Ost-Berlin
1955: Abitur, Eintritt in die FDJ
1955-1957: Militärdienst in der NVA, Freundschaft mit Manfred Krug
1957: Eintritt in die SED
1957-1960: Philosophiestudium an der Humboldt-Universität in Berlin
1960: Studium an der Filmhochschule Babelsberg
1961: Heirat mit Erika Hüttig, zwei Söhne
1969: »Jakob der Lügner«
1971: Charles-Veillon-Preis
1971: Heinrich-Mann-Preis
1972: Mitglied im PEN-Zentrum der DDR (Internationale Schriftstellervereinigung)
1973: »Irreführung der Behörden«, Bremer Literaturpreis
1975: Nationalpreis der DDR
1976: »Der Boxer«
1976: Ausschluss aus der SED
1977: verlässt Schriftstellerverband der DDR, Ausreise in die USA
1978: Umzug nach Ost-Berlin
1981: Gastprofessur an der Universität Augsburg
1983: Mitglied der Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt
1986: »Bronsteins Kinder«
1986: Ehe mit Christine Harsch-Niedermeyer, ein Sohn
1987: Grimme-Preis für Fernsehserie »Liebling Kreuzberg«
1989: hält die Poetikvorlesung an der Universität Frankfurt am Main
1990: Mitglied der Akademie der Künste Berlin
14.03.1997: Tod nach Krebserkrankung, begraben in Sieseby in Schleswig Holstein

»Wenn ich in eine Buchhandlung komme, habe ich das Gefühl, dass ich umzingelt bin von Überflüssigem.«
Jurek Becker