Dieser Mann ist ein Anachronismus in der durchgetakteten, schnelllebigen Fernsehzeit. Das gilt auch f�r die Inszenierung. Und das seit dem ersten Film der Reihe im Jahr 2002. Gendarm ist Simon Polt l�ngst nicht mehr, das hat er in Episode 4 bereits aufgeben. Ein bisschen Wein keltern und das kleine Kaufhaus f�hren – das sind seine Besch�ftigungen. Aber sein Rat ist noch immer gefragt – auch bei der Polizei. Alfred Komarek hat seiner Figur einen Abschied geschrieben: „Alt, aber Polt“ (ORF/Arte / epo-Film) hei�t er. Wieder hat Julian Roman P�lsler die Vorlage in ein Drehbuch gegossen und einen wunderbaren Film daraus gemacht.
Foto: ORF / Hubert MicanPolt (Erwin Steinhauer) kriminalisiert offensichtlich das letzte Mal im Weinviertel.
Es hei�t Abschied nehmen von Simon Polt. Sein geistiger Vater Alfred Komarek hat dem �sterreichischen Gendarmen noch einen letzten Fall geschrieben: „Alt, aber Polt“. In dem kleinen Ort im Weinviertel wird der „Herbstzauber“ gefeiert. Doch statt sich in der Kellergasse unter die Menschen zu mischen, sitzt der ehemalige Polizist Polt (Erwin Steinhauer) mit seinen Freunden in seinem Presshaus, um jungen Wein zu probieren („Viel bringst ned zusammen, Simon, aber trinken kann man ihn“). Der Kurzbacher (wie immer gespielt vom Ende 2017 verstorbenen Hans-Michael Rehberg) ist dabei, und auch dessen Bruder (Michael Mendl). Dann geht es nach Hause. Mit dem Fahrrad. „Warum nimmst du ned ein Frauenradl, t�tst dir leichter, ich fahr schon seit zehn Jahren mit Radl von meiner Erna.“ Darauf ein anderer: „Wer ned mit der Zeit geht, geht mit der Zeit, und wer mit der Zeit geht, der kauft sich jetzt ein E-Bike-Radl“. Doch der Polt sagt nur: „E-Bike, nie im Leben. Und seine Freunde spotten: „Da radelt er in die Nacht und ist irgendwie aus der Zeit gefallen.“�
Foto: ORF / Hubert MicanGerne mal angetrunken: MM (Iris Berben), die schon bessere Tage gesehen hat.
Er trifft auf die angetrunkene Schauspielerin Mira Martell (Iris Berben), die auf einer improvisierten B�hne sitzt: „Ich wollte mit einer Soire� diesem Abend eine k�nstlerische Note geben. Wenn es ums Trinken geht, werden die Leute schon kommen, dachte ich, und die Welt durch das Veltliner-Glas betrachten.“ Polt f�hrt weiter, beobachtet eine „Gang“, die umherzieht. Die Nacht geht zu Ende. Am n�chsten Morgen ist die Tochter eines angesehenen Winzers tot, ertrunken in einem Bach. Was ist passiert? Der zust�ndige Polizist Grabherr (Rainer W�ss) bittet Polt um Mithilfe. Der h�rt sich um, stellt Fragen, sucht Antworten. Die Gang, mit der das junge M�dchen unterwegs war, treibt sich auf Friedh�fen herum und ist dem Satanskult zugetan. Polt will wissen, ob es da einen Zusammenhang gibt. Er bekommt Unterst�tzung von Mira Martell, der ehemaligen Dorfsch�nheit Grete (Michou Friesz) und dem Kriminalpolizisten Zlabinger (Florian Teichtmeister). Alle drei haben eines gemeinsam. Sie sind dem Alkohol nicht abgeneigt. Gemeinsam bringen sie Licht ins Wiesbachtal.
ORF-Kurzvideo zu den Dreharbeiten mit Filmausschnitten zu "Polt – Polterabend"
Alt ist er geworden, der Polt. So auch der Titel: „Alt, aber Polt“. Denn Klarheit will der Ex-Gendarm immer noch. Er ist ein Wahrheitssucher. Und ein Wahrheitsfinder. Er schaut den Menschen in die Augen, ist beinahe stoisch ruhig dabei, braucht nicht viele Worte. Er ist ein Gr�bler, ein Melancholiker und ein feinsinniger Mensch. Sieben Geschichten um den Gendarmen hat Alfred Komarek geschrieben, die letzte wurde 2015 ver�ffentlicht. Und sie ist die sechste, die jetzt verfilmt wurde (nur „Zw�lf mal Polt“ nicht). Wie bei allen anderen Vorlagen hat erneut Julian Roman P�lsler den Roman in ein Drehbuch gegossen und gewohnt liebevoll und einf�hlsam in Szene gesetzt. So zeichnet alle Filme der Reihe ein Stil, ein Fluss, eine Tonalit�t aus. Es sind die Figuren und die Landschaft, die diesen Film in ihrem Wechselspiel so sehenswert machen. Polt braucht diese Landschaft, das nieder�sterreichische Weinviertel. Und diese Landschaft braucht Polt. Aber nicht nur Polt. Alle Figuren – egal, ob im Zentrum oder am Rand – wirken wie aus der Zeit gefallen, ein bisschen wie geschnitzt. Und selbst die jungen Wilden agieren hier langsamer als anderswo. Seine Weinrunde ist wie ein Gem�lde. Szenenbild und Kost�me haben einen gro�en Anteil an dieser wunderbaren Stimmung des Films. Und auch die Musik von Haindling, die den Bildern Klang verleiht.
Foto: ORF / Hubert MicanNoch einmal wird der Privatier Polt um Hilfe gebeten. Der Film-Look unterscheidet sich signifikant von – insbesondere – diesem Seifenopern-verd�chtigen Pressefoto.
Wie Polt diesen Fall angeht, wie er ihn aufkl�rt, das ist wie eine 90-min�tige Meditation. Er ruht in sich. Und der Film ruht in sich. Polt nimmt sich Zeit f�r die Menschen um ihn herum mit ihren Sorgen, N�ten, Schicksalen und Lebensgeschichten. Wie die der Mira Martell, einer �lterem Schauspielerin, die sich von ihrem Beruf zur�ckgezogen hat, die aber noch in ihrem Traum der gro�en Diva weiterlebt. „Ich bin eine alte verdrehte Schachtel, verliebt in die eigene Vergangenheit“, gesteht sie dem Polt. Iris Berben spielt sie. Und so hat man die Berben wohl noch nie gesehen. Ihr gelingen zarte und verletzliche Momente und die Szenen zwischen ihr und Erwin Steinhauer, der den Simon Polt in jeder Geste, jedem Blick, jedem Satz, jeder Pause l�ngst schon verinnerlicht hat, sie geh�ren zu den intensivsten dieses Films. Buch-Autor und Regisseur entlassen den Polt also ins Alter. Er wird fehlen. Seine Stille wird fehlen. Und die Landschaft, in der agierte, wird fehlen. Man konnte die Keller riechen, den jungen Wein f�rmlich schmecken, man trat ein in das Kaufhaus Habesam mit seinen Waren aller Art. Mach es gut, Polt. Pass auf dich auf! (Text-Stand: 15.1.2018)
Typische Szenen aus fr�hen Polt-Episoden mit Erwin Steinhauer (& Ofraczek)
Volker Bergmeister arbeitet als freier TV- und Filmkritiker f�r Zeitungen und Fachzeitschriften. Er war 25 Jahre Jurymitglied des Grimme-Preises, aktuell leitet er die Jury des Creative Energy Award beim Filmfest Emden und geh�rt der Nominierungskommission f�r den Robert-Geisend�rfer-Preis an.