Jana Wagner, BND-Agentin in Pakistan, erh�lt Hinweise auf einen Terror-Anschlag in Mumbai. Doch ihre Warnungen verhallen im Geflecht der verschiedenen Geheimdienste und politischen Interessen. „Saat des Terrors“ (ARD / diwafilm) ist ein packender Agenten-Thriller mit Anspruch. Grimme-Preistr�ger Daniel Harrich erz�hlt auf der Basis eigener Recherchen zu den Anschl�gen von Mumbai im Jahr 2008 vom „Gesch�ftsmodell“ Terror und vom Versagen der westlichen Politik. Exzellent besetzt (Christiane Paul, Axel Milberg, Navid Negahban) und gekonnt von Alt-Meister Gernot Roll in Szene gesetzt. Was diese spannende, aufr�ttelnde Polit-Fiktion mit der Gegenwart und mit Anschl�gen in Europa zu tun hat, wird nur angedeutet – denn anschlie�end gibt’s noch die Doku zum Thema.
Foto: SWR / DiwafilmChristiane Paul in der Rolle der BND-Agentin Jana Wagner w�hrend ihrer Mission in Islamabad, Pakistan. Wagner will Hinweisen auf einen bevorstehenden Terror-Anschlag nachgehen, doch v�llig unerwartet werden ihr Steine in den Weg gelegt.
Der Anschlag zu Beginn des Fernsehfilms „Saat des Terrors“ ist nicht erfunden: Am 20. September 2008 explodierte ein mit Sprengstoff gef�llter Lastwagen vor dem Marriott Hotel in Pakistans Hauptstadt Islamabad. Mehr als 50 Menschen starben. Im Film tagt dort gerade eine internationale Agenten-Runde, bei der Jana Wagner (Christiane Paul) vom BND von Hinweisen auf ein geplantes Attentat im indischen Mumbai berichtet. Allerdings interessiert sich niemand so recht daf�r. Die Priorit�ten l�gen gerade woanders, hei�t es. Dann knallt es, die Agenten st�rzen blut�berstr�mt auf den Boden, und bevor sich einige – nicht alle – gut 60 Film-Minuten sp�ter wieder aufrappeln werden, springt die Handlung erst einmal drei Wochen zur�ck. Man sieht Jana Wagner am Schreibtisch ihres B�ros in der deutschen Botschaft. Die pakistanische Ehefrau eines westlichen Informanten behauptet, ihr Mann plane Anschl�ge. Jana zweifelt. Vielleicht ist Lamia Davis (Ankita Makwana) auch nur eifers�chtig, weil sie erfahren hat, dass ihr Mann noch mit einer zweiten Frau in den USA zusammen ist. Aber Lamia warnt eindringlich: „Das n�chste Ziel ist Europa.“
Foto: SWR / DiwafilmJana Wagner (Christiane Paul) ist dem Bombenanschlag in Islamabad entgangen. Oberst Baqri (Navid Negahban, "Homeland") vom pakistanischen Geheimdienst spielt eine zwielichtige Rolle im Zusammenhang mit den Geschehnissen.
Die Rolle der Geheimdienste im Krieg gegen den Terror
Daniel Harrich ist ein Spezialist f�r aufw�ndig recherchierte Primetime-Fiktion: Nach dem Oktoberfest-Attentat („Der blinde Fleck“), illegalen Waffenexporten („Meister des Todes“) und dem Handel mit gepanschten Medikamenten („Gift“) widmet sich Grimme-Preistr�ger Harrich nun der Rolle der Geheimdienste im Krieg gegen den Terror. Und auch diesmal bildet das Paket aus Fernsehfilm und anschlie�ender Dokumentation („Spur des Terrors“) einen aufregenden und aufr�ttelnden Programm-Abend im Ersten, der hoffentlich nicht folgenlos bleiben wird. Harrichs These, dass der Westen mit seiner Politik der Unterst�tzung der Feinde seiner Feinde den islamistischen Terror selbst mit gez�chtet hat, ist nicht neu. Allerdings untermauert der Autor-Regisseur dies mit wenig bekannten Details zur Vorgeschichte der Anschl�ge von Mumbai 2008 und Paris 2015 und zum Versagen westlicher Geheimdienste.
Hilfsgelder f�r L�nder, die den Terror f�rdern
Dabei analysiert er Terror nicht nur als religi�s oder ideologisch motiviertes Ph�nomen: „Terror ist ein Geschäftsmodell und Hebel für politischen Einfluss und Relevanz“, sagt Harrich. Das „doppelte Spiel“ von Nachrichtendiensten, beispielsweise in Pakistan, funktioniere so: Offiziell seien L�nder wie Pakistan Partner im Kampf gegen den Terror, w�rden aber gleichzeitig heimlich genau die Terrororganisationen unterst�tzen, die sie eigentlich bekämpfen sollten. „So brodeln Konflikte weiter, bleiben Staaten relevant – und die Hilfsgelder flie�en“, sagt Harrich laut ARD-Presseheft. Als Konsequenz fordert SWR-Redakteur Thomas Reutter forsch: „Ich erwarte, dass die deutschen Sicherheitsbehörden, insbesondere der Bundesnachrichtendienst und der Verfassungsschutz, sich mit den Ergebnissen unserer Recherchen auseinandersetzen und genauer prüfen, mit wem sie zusammenarbeiten und wie weit sie sich selbst am Terror beteiligen, um Informationen aus Terrorkreisen zu erhalten. Aus meiner Sicht heiligt der Zweck nicht jedes Mittel.“
Foto: SWR / DiwafilmZwei Polit-Player: Axel Milberg als Leiter der BND-Residenz in Pakistan, Thomas G�nther. Richard Demayo spielt Gregory Nolan, den Leiter der CIA in Pakistan.
Christiane Paul in einer Carrie-Mathison-Light-Version
Einen solchen komplexen politischen Stoff setzt man heutzutage gern auch als Serie um. Und nat�rlich darf man sich angesichts der Schaupl�tze, des Mitwirkens des Schauspielers Navid Negahban und der fiktiven Hauptfigur an „Homeland“ erinnert f�hlen, wobei Jana Wagner weder eine bipolare St�rung noch ein Verh�ltnis mit einem Terrorverd�chtigen hat wie einst Carrie Mathison. Allerdings ist sie eine ebenso hartn�ckige Agentin, die schon mal mit n�chtlichen Telefonanrufen nervt und gerne auch im Alleingang ermittelt, drohender politischer Verwicklungen zum Trotz. Christiane Paul ist zweifellos eine Top-Besetzung; allzu ambivalent ist die „Heldin“ freilich nicht, vielleicht weil man in dem Geheimdienst-Wirrwarr wenigstens einen festen Anker setzen wollte. Erfreulich aber, dass hier keine Romanze oder sonstige private Verwicklungen vom eigentlichen Thema ablenken. Jana Wagner lebt hinter einer dreifach verriegelten T�r allein in Islamabad, und scheint nur einen Freund und Vertrauten zu kennen: Heiner Lauterbach spielt Nicholas Kr�ger, ihren Leibw�chter, Chauffeur und Nachbarn wohltuend zur�ckhaltend als stillen, treuen Begleiter. Dass Jana nicht einmal ihm vollst�ndig zu trauen vermag, ist das einzige private Drama, das der Film zu bieten hat.
Foto: SWR / DiwafilmJana Wagner ist keine allzu ambivalente Figur, aber sie greift im Rahmen der Polit-Thriller-Dramaturgie und ist mit Christiane Paul perfekt besetzt. Angenehm zur�ckhaltend: Lauterbach als ihr Leibw�chter & Chauffeur – ein stiller Begleiter.
Jana kommt der CIA in die Quere und wird zur�ckgepfiffen
Auf den explosiven Beginn folgt wenig sp�ter der n�chste Gewaltakt: Jana, ihr Vorgesetzter Thomas G�nther (Axel Milberg) und ein Kollege von der amerikanischen Anti-Drogen-Einheit bitten die pakistanische Regierung um Unterst�tzung bei dem Versuch, einen Opium-Deal der Taliban zu unterbinden. Entgegen der Absprache l�sst der pakistanische Befehlshaber jedoch die �berw�ltigten Drogenkuriere mitten auf dem Marktplatz und vor den Augen der Agenten erschie�en. Der Tipp stammte von Lamias Mann, James Logan Davis (Crispin Glover), der angeblich selbst Anschl�ge vorbereitet. Allerdings kommt Jana mit ihren Nachforschungen allen m�glichen Konkurrenten in die Quere, allen voran der CIA, die Davis ebenfalls als Quelle f�hrt. Der BND muss R�cksichten nehmen, G�nther pfeift seine Agentin zur�ck. Zudem spielt der indisch-pakistanische Konflikt eine verh�ngnisvolle Rolle. Inoffiziell folgt Jana dem Doppel-Agenten Davis nach Mumbai, fliegt dort auf, wird vom indischen Geheimdienst vor�bergehend verhaftet. Jana agiert forsch und mutig und ist doch im Netz der verschiedenen M�chte gefangen. Ihre Warnung vor einem Anschlag in Mumbai droht aufgrund �bergeordneter politischer Interessen zu verhallen. Tats�chlich kam es Ende November 2008 zu einem Angriff islamistischer Terroristen auf die indische Metropole, bei dem Hunderte von Menschen get�tet oder verletzt wurden. Vorbereitet wurden sie unter anderem von dem amerikanisch-pakistanischen Doppelagenten David Headley, dem realen Vorbild f�r die Filmfigur Davis, der auch im Zentrum der Doku „Spur des Terrors“ steht.
Foto: SWR / DiwafilmDie BND-Agentin Jana Wagner (Christiane Paul) und ihr amerikanischer Kollege Stephen Walker (Robert Seeliger) erhalten von ihrem Informanten James Logan Davis (Crispin Glover) Hinweise auf ein Drogenschmuggelnetzwerk der Taliban.
„Homeland“-Star Negahban spielt wieder den Finsterling – aber mit Stil
„Saat des Terrors“ ist also ein klassischer Agenten-Thriller vor dem Hintergrund realer Ereignisse. Die Antagonisten sind undurchsichtig, spielen ein doppeltes Spiel. Besonders zwielichtig: Oberst Baqri, Janas Verbindungsmann beim pakistanischen Geheimdienst, der in Deutschland ausgebildet wurde und von Navid Negahban ausgesucht h�flich und galant gespielt wird. „Wen, zum Teufel, triffst du hier?“, fragt Leibw�chter Nicholas. „Den Teufel“, antwortet Jana. Auch ohne diesen Dialog w�re dem Publikum wohl die Doppelb�digkeit der Figur aufgefallen, das Gespr�ch mit Jana ist dann aber eine Schl�sselszene, in der die pakistanische Perspektive mal etwas differenzierter angedeutet wird. „Wenn der Terror besiegt ist, stehen sie dann immer noch an unserer Seite?“, fragt Baqri. Wie so oft, zuletzt in Staffel 2 der Serie „The Team“, spielt der im Iran geborene Negahban den fern�stlichen Finsterling, das aber mit Stil. Dagegen wirkt es etwas unglaubw�rdig, dass die sonst so misstrauische Jana ihrem Dolmetscher Tariq (Reza Brojerdi) vorbehaltlos vertraut. Bald stellt sich sogar heraus, dass Tariq Baqris Neffe ist und f�r die pakistanische Seite spioniert.
Foto: SWR / DiwafilmSie werden keine Freunde mehr: Wagner (Paul) und Obert Baqri (Navid Negahban)
Gernot Rolls Bildgestaltung: n�chtern, klar, realistisch
Der Polit-Thriller vermag es, sein Publikum trotz solcher Ungereimtheiten von Anfang an zu fesseln, auch wenn sich die Geschichte auf l�ngst vergangene Ereignisse bezieht und die Schaupl�tze fern sind. Bemerkenswert: Der 1939 geborene Alt-Meister Gernot Roll („Heimat“, „Rossini“, „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“) zeichnete wie schon bei den zum Teil ebenfalls im Ausland gedrehten Harrich-Filmen „Gift“ und „Meister des Todes“ f�r die Kamera verantwortlich. Er verzichtet auf ausgefallene Einstellungen, visuelle Effekte, besonders hektische oder d�stere Bilder, bleibt eher n�chtern, klar und in der Anmutung realistisch. Die Drehorte wirken nicht exotisch ausgestellt, Bildgestaltung und Szenenbild stehen ganz im Dienst der Geschichte. Und nach einer guten Stunde nehmen Tempo und Dramatik noch einmal zu. Harrich bezieht nun Archivbilder von den Anschl�gen auf das Hotel in Islamabad, in Mumbai und schlie�lich vom Fu�ball-L�nderspiel zwischen Frankreich und Deutschland im November 2015 in Saint-Denis mit ein. Der Terror r�ckt beklemmend nahe und m�ndet in ein allerdings steifes und etwas lahmes Finale: Jana h�lt vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium in Berlin, das nur aus einer Runde Filmstatisten besteht (und auch so aussieht), eine flammende Rede – mit abschlie�endem Blick in die Kamera, damit sich das Publikum direkt angesprochen f�hlt. Wer so viel Zeit in Recherche investiert wie Daniel Harrich, will wohl sicher gehen, dass seine Botschaft ankommt. Zugleich ist dieses Finale aber auch ein ziemlich geschickter Versuch, f�r den in den Sendern gew�nschten „Audience Flow“ zu sorgen, also das Dranbleiben, umgangssprachlich ausgedr�ckt. Denn in Janas Ansprache sind Infos enthalten, die wie ein Cliffhanger funktionieren, um die Zuschauer auf die folgende Dokumentation neugierig zu machen. (Text-Stand: 31.10.2018)
Foto: SWR / DiwafilmMachtlos – als ein Einsatz in Pakistan v�llig anders abl�uft, als er geplant war.
Thomas Gehringer, freiberuflicher Journalist aus K�ln, schreibt f�r epd medien, den "Tagesspiegel" und andere regionale Tageszeitungen, Mitglied in Jurys und Nominierungskommissionen des Grimme-Preises.