Friede Springer, Mathias Döpfner: Vertrauen ist gut, Freundschaft besser

Während der Einstieg von Mathias Döpfner in den Axel Springer Verlag mit Friede Springer nichts zu tun hatte, ist sein rasanter Aufstieg im Konzern ohne sie nicht denkbar. Schon bald nach seinem Amtsantritt begegneten sich Döpfner und die Verlegerin häufiger, zunächst auf den Veranstaltungen des Hauses, zu denen auch die Chefredakteure geladen waren, dann zunehmend bei privaten Anlässen, auf denen sich die Berliner Gesellschaft regelmäßig zusammenfand. Aber im Grunde hatten die obersten Blattmacher des Konzerns kaum Gelegenheit, mit Friede Springer in Kontakt zu treten. Persönliche Gespräche über die Ausrichtung der Zeitungen fanden nicht statt. Ansprechpartner der Chefredakteure war der Zeitungsvorstand. Hintergrundtreffen mit der Witwe des verstorbenen Verlegers waren ebenso rar wie ihre direkte Einmischung in die Redaktion.

Der Kontakt zwischen Friede Springer und Mathias Döpfner gewann dennoch schnell an Intensität. Immer öfter fand sich Friede Springer ein, wenn der Chefredakteur der Welt in seiner 1998 bezogenen prachtvollen Villa in Potsdam eine Abendgesellschaft versammelte. Friede Springer interessierte sich nicht nur für ihn, sondern ging mit der ihr eigenen Offenheit auch auf seine Frau Ulrike zu. Sie erkundigte sich nach deren Befinden in ihrer zweiten Schwangerschaft und nahm großen Anteil an der wachsenden jungen Familie.

Sie begeisterte sich für das Leben in Potsdam. Herrlich sei es in der brandenburgischen Stadt, ließ sie Döpfner wissen, als sie wieder einmal bei ihm zu Hause eingeladen war. Die Schlösser, die Gegend, in der sich unzählige Villen aus der Gründerzeit wie in einem endlosen Park aneinanderreihten – Friede Springer ließ dem Entzücken freien Lauf. „Nebenan das Haus ist noch zu haben“, unterbrach Döpfner ihren Überschwang, eigentlich nur, um irgendetwas zu sagen. Als Friede Springer ein paar Wochen darauf Freunde und Mitarbeiter des Verlages zu einem Sommerfest in den großen Garten ihres Hauses in Berlin-Dahlem geladen hatte, wurden ihm bereits die ersten Gerüchte darüber zugetragen, dass sich die Verlegerwitwe inzwischen ebenfalls ein Domizil in Potsdam zugelegt habe. „Frau Springer, es heißt, Sie hätten ein Haus in Potsdam erstanden?“ fragte Döpfner sie bei nächster Gelegenheit – mehr jedoch aus Spaß und in der sicheren Annahme, sie würde derlei umgehend dementieren. Sie aber verblüffte ihn: „Ja, das stimmt. Ich habe das Haus neben Ihnen gekauft.“ Mathias Döpfner wiederum dachte nicht lange nach: „Das ist ja toll!“ rief er aus und zeigte sich erfreut.

Info

Friede Springer kam 1965 als Kindermädchen ins Haus Springer. 1978 wurde sie Axel Springers fünfte Ehefrau. Nach dessen Tod im Jahr 1985 erbte sie, zusammen mit den Kindern und Enkeln aus Springers früheren Ehen, Springers Anteile an seinem Verlagsimperium. Dem Verleger gehörten zu diesem Zeitpunkt noch 26,1 Prozent, der Rest lag bei Leo Kirch, der Familie Burda und diversen Kleinaktionären. Unter ihrer Leitung kauften die Springer-Erben 1988 den Anteil der Burda-Brüder zurück. Später kaufte Friede Springer die anderen Familienmitglieder aus. Gemeinsam mit Mathias Döpfner löste sie schließlich auch die Verflechtung mit Leo Kirch. Heute ist Friede Springer mit über 50 Prozent Mehrheitsaktionärin der Axel Springer AG, deren Konzernumsatz 2006 bei 2,38 Milliarden Euro und deren Jahresüberschuss bei 282 Millionen Euro lag.

Die neue Nachbarin, die nur die Wochenenden in Potsdam verbrachte, fiel nicht weiter auf. Alsbald wurde sie Teil der Sanssouci-Welt, dieses Potsdamer Idylls mit Größen aus der Fernseh- und Modewelt. Unter der Woche blieb sie in Berlin. Noch enger wurde ihre Verbindung zu Döpfner nach der Geburt seines zweiten Sohnes im Mai 2001. Mit großer Freude willigte sie ein, als sie von Döpfners Ehefrau gefragt wurde, ob sie Patin des neuen Familienmitglieds werden wollte. Außenstehende verfolgten die wachsende Vertrautheit zwischen der Haupterbin des Verlegers und dem jungen Chefredakteur mit Argwohn. Der Kauf ihrer Potsdamer Villa, die deutlich kleiner und unscheinbarer ist als die der Döpfners, wurde sofort als ein verlagspolitisches Bekenntnis verstanden. Döpfner, hieß es, würde es wohl noch bis zum Vorstandsvorsitzenden bringen. Wildeste Gerüchte kursierten, die Verlegerin habe sich so sehr für den jungen Mann erwärmt, weil der sie an den verstorbenen Verleger erinnere. In völliger Verkennung der Fakten wurde sogar kolportiert, der Welt-Chef habe sich in Potsdam ein Haus neben Friede Springer gekauft, „um seiner Verlegerin stets nahe sein zu können“.

Die Freundschaft zwischen Mathias Döpfner und Friede Springer blieb davon unbelastet – nach beiderseitigem Bekunden. Doch den aufstrebenden jungen Mann störte es zunehmend, dass sein Dasein im Springer-Verlag und bald auch sein Aufstieg ausschließlich auf seine enge Beziehung zur Verlegerin zurückgeführt wurden. Sein Privatleben war bereits Thema auf den Medienseiten der Konkurrenzzeitungen. Die Idee seiner Frau, Friede Springer zur Patin zu machen, hatte er deshalb zunächst mit großer Skepsis aufgenommen. Was würde die Öffentlichkeit dann wieder daraus machen? „Aber glaubst du nicht, Friede würde sich unglaublich freuen?“ Mit dieser Frage hatte ihm seine Frau den Wind aus den Segeln genommen. […]

Der Aufstieg von Mathias Döpfner

Im August 2000 verkündete der Verlag, dass Mathias Döpfner zum 1. November 2000 im Vorstand für die Blätter des Hauses verantwortlich sein werde, um am 1. Januar 2002 als Nachfolger von August Fischer an die Konzernspitze aufzurücken. Worüber die Branche hinreichend spekuliert hatte, war Realität geworden. Die Überraschung über die Personalie hielt sich in Grenzen. Hie und da wurde Verwunderung darüber laut, dass bereits eineinhalb Jahre vor Vertragsende des amtierenden Vorstandsvorsitzenden Gus Fischers seine Nachfolge festgelegt worden war. Darauf allerdings hatte Friede Springer bestanden. Ihr Kontakt zu Döpfner war eng geworden, ihr Vertrauen in ihn als künftigen Konzernchef nicht mehr zu erschüttern. „Ich habe immer daran geglaubt, dass Mathias Döpfner der Aufgabe gewachsen ist“, sagt sie heute. So wollte sie den Aufstieg Döpfners an die Konzernspitze bereits im August 2000 sicher entschieden wissen.

Dabei hatte sie erhebliche Widerstände ihrer Aufsichtsratskollegen zu Überwinden. Gerade einmal seit einem Monat war der noch junge ehemalige Musikkritiker in Vorstandswürden. Und schon sollte er öffentlich als künftiger Konzernchef avisiert werden? lhre Kollegen im Aufsichtsrat wollten sich nicht festlegen, zumindest vorerst noch nicht, wollten ihn erst einmal schalten und walten sehen. Doch Friede Springer ließ nicht locker. Sie verschloss die Ohren vor dem beredten Servatius, der ihr eindringlich empfahl, sich mit der Personalie zurückzuhalten. Nein, diesmal nicht, entschied sie. Jetzt sollte der Aufstieg Döpfners festgezurrt werden. Sie wollte gar nicht erst riskieren, dass sich ihre Kollegen aus dem Kontrollgremium im darauffolgenden Jahr womöglich nicht mehr an ihre Zusage erinnerten, Döpfner zum Vorstandsvorsitzenden zu machen. Sie setzte sich gegen Servatius durch. Gegen 50 Prozent und 10 Aktien, die sie vertrat, brauchten die anderen nicht weiter zu diskutieren. Das erste Mal hatte sie ganz allein entschieden.

Das „Du“ kam für Döpfner Überraschend. Kurz nach der Entscheidung des Aufsichtsrates traf er Friede Springer auf einer privaten Einladung in Potsdam. „Ich freue mich sehr, dass Sie Vorstandsvorsitzender werden“, sagte sie ohne Umschweife. „Ich bin stolz darauf, dass wir das hinbekommen haben. Ich finde, wir sollten uns jetzt duzen.“ Dann legte die zierliche Frau den Arm um den baumlangen Mann, der in diesem Moment wie ein großer, etwas ungelenker Junge vor ihr stand, und fuhr in einer anderen Angelegenheit fort. Mathias Döpfner ist seit dem Tod Axel Springers der erste Vorstandsvorsitzende, an dem Friede Springer nichts auszusetzen hat und dem sie voll vertraut. Seine sechs Vorgänger waren „Kompromisskandidaten“, die die Hoffnungen der Haupterbin Axel Springers nicht erfüllten. Sie habe sich zu häufig überreden lassen, sagt Friede Springer heute. Bei Döpfner hatte es der Überredung nicht bedurft.

Der promovierte Musikwissenschaftler hatte in ihr Erinnerungen an Axel Springer geweckt. Seine Größe, seine Umgangsformen, seine Art, sich Menschen zuzuwenden – das hatte Springer auch. Als sich einer ihrer Berliner Freunde auf der Feier zum neunzigsten Geburtstag des Verlegers über die Ähnlichkeit zwischen Döpfner und Axel Cäsar Springer äußerte, strahlte sie ihn ungläubig an: „Ach, das freut mich, dass du das so empfindest!“ Doch ihr Faible für Döpfner allein darauf zu reduzieren wäre zu wenig. Aus ihrer Sicht spricht er das aus, was sie denkt. Er teilt mit ihr die große Begeisterung für Berlin, eine „Marotte“, wie er es flapsig nennt. Als er Berlin zum Hauptsitz des Konzerns erklärte, musste er bei Friede Springer für seine Idee nicht mit einem Wörtchen werben.

Die verlegerischen Grundsätze, die ihr Mann 1967 formuliert hatte, sind bis heute die Leitplanken, zwischen denen sie die politischen Ereignisse einordnet. Doch diese Präambel hatten die schnell wechselnden Konzernherren längst ad acta gelegt. Sie scherten sich nicht darum. Das publizistische Anliegen Springers war ihnen lästig geworden, es drohte in die Bedeutungslosigkeit zu versinken. Mit Döpfner wurde es anders. Er erhob die Grundsätze des verstorbenen Verlegers, die auch die seinen waren, wieder verbindlich zum inhaltlichen Programm der neuen Welt. […]

Info

Mathias Döpfner wurde 1963 in Bonn geboren. Sein Vater, Dieter Döpfner, war Professor für Architektur, die Mutter Hausfrau. Nach dem Abitur studierte er fünf Jahre lang Musikwissenschaft, Germanistik und Theaterwissenschaft und arbeitete als freier Journalist bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder der Weltwoche. 1992 ging Döpfner zu Gruner + Jahr, wo er 1994 Chefredakteur der Wochenpost wurde. Im März 1998 wechselte er zur Axel Springer AG und wurde Chefredakteur von „Die Welt“. Seit August 2000 ist er Mitglied des Springer- Vorstands, seit 1. Januar 2002 Vorstandsvorsitzender. Im Juli 2006 erwarb er von Friede Springer für 52,36 Millionen Euro einen zwei-prozentigen-Anteil an der Axel Springer AG, was einem 25-prozentigen Abschlag auf den damals aktuellen Kurs entsprach.

Friede Springer findet in Mathias Döpfner das wieder, was sie von ihrem Mann gelernt und verinnerlicht hat: ihre konservative geistige Heimat. Deshalb ist er ihr Vertrauter, der sie berät, auch wenn sie seine Ratschläge nicht immer beherzigt, sondern ihren eigenen Weg einschlägt. Deshalb ist er einer der wenigen Menschen in ihrem Leben, mit dem sie über private Angelegenheiten gleichermaßen reden kann wie über den Verlag, über Politik und über die vielen prominenten und weniger bekannten Menschen um sie herum, die sie beobachtet und von denen sich viele ihre Freunde nennen.

Vor der öffentlichen Geringschätzung, die Döpfner bei seiner Ernennung erfuhr, hat sie die Ohren verschlossen: Er sei zu jung, zu unerfahren und darüber hinaus noch nicht einmal Betriebswirt. In die Abschätzigkeit war auch sie einbezogen worden. Sie habe lediglich einen Narren an ihm gefressen, mit seinen Kompetenzen sei ihre Wahl nicht zu begründen. Doch Döpfners wirtschaftlicher Erfolg bei der Neuausrichtung des angeschlagenen Konzerns strafte seine Zweifler schon in den ersten drei Geschäftsjahren nach seinem Amtsantritt Lügen. Der Verlag verdiente wieder Geld: Von 200 Millionen Euro Verlust im Jahr 2001 führte Döpfner den Konzern in der allgemeinen Medienkrise zu Rekordgewinnen. Für Friede Springer, deren gesamtes Vermögen im Konzern gebunden liegt, ist das von erheblicher Bedeutung. Auf Gewinnausschüttungen kann sie auf Dauer nicht verzichten. Sie ist noch immer hoch verschuldet.

Als sich Mathias Döpfner von seinem Platz erhob, um in der großen Orangerie des Charlottenburger Schlosses anlässlich des sechzigsten Geburtstags von Friede Springer vor zweihundert privat geladenen prominenten Gästen aus Wirtschaft und Politik die einzige Rede des Abends zu halten, war das für viele eine Selbstverständlichkeit. Aber was würde er über die Verlegerin sagen? „Der Verleger hatte die Visionen, seine Frau hatte die Kraft und Beharrlichkeit, an diesen Zielen festzuhalten und sie – auch als dergleichen gänzlich demode erschien – in beträchtlichen Teilen zu verwirklichen.“ Dass er es sei, der ihr bei der Weiterentwicklung des Lebenswerks Axel Cäsar Springers auch weiterhin behilflich sein wollte, war zwischen den Zeilen zu vernehmen. Und das aus mehr als nur einem beruflichen Grund: „Denn im Getümmel aller professionellen Gefechte bist du vor allem ein bewundernswerter Mensch geblieben.“ Die Antwort auf die Frage, in welcher Funktion Döpfner das Wort ergreifen würde, erhielten die anwesenden Gäste in seinem ersten Satz: Er halte „eine Rede auf meine Freundin, auf die Freundin meiner Frau. Aber gleichzeitig auch: eine Rede auf die Aufsichtsrätin und Mehrheitsaktionärin“. Eine „Gratwanderung“.

*Auszug aus dem Buch „Friede Springer – Die Biographie“ von Inge Kloepfer, erschienen bei Hoffmann & Campe 2005. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

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