Sarah Bernhardt - Lebenslauf / Biografie - Wiki

Sarah Bernhardt

Sarah Bernhardt (* 22. Oktober 1844 in Paris; † 26. März 1923 ebenda; eigentlich Marie Henriette Rosine Bernardt) war eine französische Schauspielerin. Sie gilt als die berühmteste Darstellerin ihrer Zeit und war einer der ersten Weltstars.

Sarah Bernhardt

Leben

Gedenktafel am Geburtshaus von Sarah Bernhardt, angebracht anlässlich ihres 100. Geburtstags
Sarah Bernhardt um 1864 (Porträtfoto von Félix Nadar)

Sarah Bernhardt war die Tochter von Julie Bernardt, einer jüdischen Niederländerin und Kurtisane in Paris. Die Identität ihres Vaters ist unbekannt. Bis zu ihrem achten Lebensjahr wurde sie von einem Kindermädchen betreut, dann kam sie in ein Pensionat und mit zehn Jahren in eine Klosterschule in Versailles.

Der Duc de Morny, ein Halbbruder Napoleons III. und der damalige Liebhaber ihrer Mutter, vermittelte der 14-Jährigen die Ausbildung zur Schauspielerin an der Comédie-Française; dies galt als ein Privileg. Vier Jahre später – sie nannte sich jetzt Sarah Bernhardt – debütierte sie mit der Titelrolle in Iphigénie von Racine. Die Karriere drohte schon nach wenigen Monaten zu scheitern: Nach einem Streit mit einer Kollegin wurde Sarah entlassen und konnte jahrelang nur unbedeutende Rollen auf kleinen Bühnen spielen. 1864 wurde ihr Sohn Maurice in Paris geboren. Vater war der belgische Fürst Henri de Ligne, den sie in Brüssel kennengelernt hatte und der sie auch heiraten wollte, von seiner Familie jedoch daran gehindert wurde.

Der erste große Erfolg stellte sich 1868 ein; Sarah Bernhardt spielte am Odéon, einem Pariser Theater am Jardin du Luxembourg, eine Rolle in Kean von Alexandre Dumas d. Ä. Im Krieg mit Deutschland 1870/71, als alle Theater geschlossen blieben, pflegte sie Verwundete. Nach dem Krieg konnte sie an die Comédie Française zurückkehren. Nun begann ein schneller, steiler Aufstieg. Bald war sie die berühmteste Darstellerin ihrer Zeit, in Frankreich gefeiert als la voix d’or, „die goldene Stimme“, oder la divine, „die Göttliche“.

Ein wesentlicher Teil ihrer künstlerischen Arbeit – und Voraussetzung für ihren weltweiten Ruhm – waren ausgedehnte Gastspielreisen. Mit ihrer eigenen Schauspieltruppe trat sie 1879 in London auf. 1880 folgte eine halbjährige Tournee durch 51 Städte der USA. 1881 gab sie Vorstellungen in Russland, Italien, Griechenland, Ungarn, der Schweiz, Dänemark, Belgien und den Niederlanden. Englands Königin Victoria und der russische Zar Alexander III. gehörten zu ihren Bewunderern.

Sarah Bernhardt, Gemälde von Alfred Stevens, um 1882
Bernhardt als Théodora (1900) im gleichnamigen Drama von Victorien Sardou

1882 heiratete sie einen jungen Attaché der griechischen Botschaft, Jacques Damala. Damala hielt sich für begabt genug, um Schauspieler und Bühnenpartner seiner berühmten Frau zu werden. Sarah eröffnete für ihn ein eigenes Theater unter der Leitung ihres Sohnes Maurice. Das Unternehmen blieb erfolglos und war bald völlig bankrott, einerseits weil Damala durch seinen griechischen Akzent auf der Bühne auf das Publikum lächerlich wirkte, andererseits, weil er seine Leidenschaft für das Glücksspiel und seine Morphinsucht aus der Theaterkasse finanzierte. Noch im Jahr der Hochzeit trennten sich die beiden. Nach vorübergehender Aussöhnung und erneutem Zerwürfnis starb er 1889, mit 34 Jahren, an den Folgen der Morphin-Sucht.

Nachdem ihr Mann sie 1882 finanziell ruiniert hatte, musste sie eine Europatournee unternehmen, um die Verluste auszugleichen. Zwischen 1886 und 1889 folgten neue Gastspiele in den USA, von 1891 bis 1893 dann eine Welttournee. So wurde Sarah Bernhardt ein Weltstar, verehrt in ganz Europa und in Amerika. Auftritte in Deutschland lehnte sie als französische Nationalistin ab. Zwischen den Tourneen engagierte sie sich in Paris. In ihrer Heimatstadt leitete sie mehrere Theater, an denen sie auch auftrat: von 1893 bis 1899 das Théâtre de la Renaissance und ab 1899 das ehemalige Théâtre des Nations, das sie in Théâtre Sarah-Bernhardt umbenannte und bis zu ihrem Tod leitete (heutiger Name: Théâtre de la Ville).

Sie galt als eine exzentrische, oft überspannte und launische Frau und hatte zahlreiche Liebhaber, darunter den Lebemann Charles Haas, den Schauspieler Jean Mounet-Sully sowie den Maler und Illustrator Gustave Doré. Bernhardt schuf sich durch ihre Exzentrik ein öffentliches Image: Sie stieg in einer Montgolfière auf in den Himmel über Frankreich und ließ Fotos verkaufen, auf denen zu sehen ist, wie sie in einem Sarg liegt und ihre Rollen studiert oder schläft. Ihre Wohnung beherbergte eine Menagerie heimischer und exotischer Tiere.

Sarah Bernhardt: Selbstporträt, 1910

Neben Romanen und Lustspielen schrieb sie 1907 ihre Memoiren (Mein Doppelleben). Damit inspirierte sie Marcel Proust, der in seinem Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit die Figur der Schauspielerin La Berma nach Sarah Bernhardt gestaltete und die Hauptfigur Swann nach ihrem Liebhaber Charles Haas. Außer beim Schreiben zeigte sie auch in der Malerei und Bildhauerei Talent.

Sarah und Maurice Bernhardts Grab auf dem Friedhof Père Lachaise

1906 bekam sie eine Professur am Pariser Konservatorium, 1914 wurde sie Mitglied der französischen Ehrenlegion.

1905 musste Bernhardt in Victorien Sardous La Tosca in Rio de Janeiro auf der Bühne von einer Mauer springen, wobei sie sich schwer am Knie verletzte. In der Folge litt sie jahrelang Schmerzen und wegen der Spätfolge einer Gangrän musste 1915 ihr rechtes Bein unterhalb der Hüfte amputiert werden. Aber auch danach gab die mit einer Beinprothese[1] versorgte Frau ihre Arbeit nicht auf. So engagierte sich Sarah Bernhardt während des Ersten Weltkriegs bei der Betreuung der Truppen und spielte hinter der Front in Zelten, Scheunen und Lazaretten auf improvisierten Bühnen. Sie unternahm sogar noch einmal eine Tournee durch die USA.

Sarah Bernhardt starb am 26. März 1923 in Paris. Sie ist auf dem Friedhof Père Lachaise im Osten von Paris beerdigt.

Bedeutung

Bernhardt in der Titelrolle das Lorenzaccio, Plakat von Alphonse Mucha (1896)

Sarah Bernhardt wurde gerühmt wegen ihrer schönen Stimme, der Anmut ihrer Bewegungen und wegen ihres Temperaments.

„[…] Wahrhaftig, sie ist all der Aufregung wert, in die sie die Welt versetzt hat. Der Zauber, der von ihrer Persönlichkeit ausgeht, ist unbeschreiblich. Sie […] ist ein so von Geist durchdrungenes schönes Weib, daß jede Regung ihrer Seele zum Aufleuchten hellster Schönheit wird. Man weiß, daß sie zu allem Talent hat, sie malt, sie ist Bildhauerin. Das glaube ich wohl; denn sie ist nichts anderes als der von einem anmutigen und zugleich energischen Genius beseelte, jedem warmen Impulse dienstbare Leib einer so nicht leicht zum zweiten Male existierenden Frau. […] Ich weiß nur, daß ich etwas Schöneres als die Gesamtheit dieser Erscheinung und dieser Bewegungen niemals gesehen habe, wozu dann noch der Schmelz der Stimme kam, ein Wohllaut, weit über allen Gesang. […]“

Sie vertrat in Vollendung einen Theaterstil, der schon bald nach ihrer Zeit ebenfalls Vergangenheit war, einen romantischen Stil überschwänglicher Deklamation und großer Gebärden. Sie selbst äußerte sich über ihre Arbeit:

„Man hat mich oft gefragt, wie viele Stunden ich täglich arbeite. Aber ich erarbeite mir eine Rolle nicht vollständig. Ich gehe mechanisch vor, lerne Wort für Wort auswendig, drehe und wende die Textstellen, bis ich sie auch im schnellen Dialog absolut beherrsche. Dann, wenn ich erst einmal meinen Text ganz genau kenne […], mache ich mir keine Gedanken mehr darüber. Alles, was ich an Schmerz, Leidenschaft oder Freude zeigen muss, ergibt sich im Ablauf des Stückes. […] Man sollte nach einer bestimmten Körperhaltung, nach der Art und Weise eines Ausrufs nicht suchen, keinesfalls! Man sollte sie auf der Bühne finden …“

Bernhardt als Hamlet (1899)

Ihre Begabung für emotionales Schauspiel gab ihr die Möglichkeit, als große Tragödin in klassischen französischen Dramen ebenso wie in modernen Gesellschaftsstücken zu überzeugen. Sie hatte triumphale Auftritte als Phädra in der gleichnamigen Tragödie von Jean Racine, aber auch in den romantischen Dramen Ruy Blas und als Dona Sol in Hernani von Victor Hugo. Bewundert und bestaunt wurde ihre Präsentation von Männerrollen. So spielte sie 1896 die Titelrolle in dem Drama Lorenzaccio von Alfred de Musset und George Sand, 1899 den Hamlet in Shakespeares gleichnamiger Tragödie und 1901 den Herzog von Reichstadt in L’Aiglon („Der junge Adler“); Edmond Rostand hatte dieses Stück über den Sohn Napoleons eigens für sie geschrieben.

Bernhardt in der Titelrolle der Kameliendame, Plakat von Alphonse Mucha (1896)

Die zentrale Rolle ihres Lebens aber war die der Kameliendame in dem Stück von Alexandre Dumas dem Jüngeren. Sarah Bernhardt spielte ab 1880 wieder und wieder die Titelrolle, bis ins hohe Alter. Der Maler und Plakatkünstler Alfons Mucha, mit dem sie seit 1894 zusammenarbeitete, schuf 1896 für Sarah Bernhardt als Kameliendame ein Plakat, das vielfach als einer der frühen Höhepunkte der Jugendstil-Grafik betrachtet wird.

1900 übernahm Sarah Bernhardt eine erste Stummfilmpartie in Le Duel d'Hamlet, erklärte danach aber ihre heftige Abneigung gegen die neue Technik. Trotzdem gestaltete sie später weitere Filmrollen, z. B. in La Tosca (1909), La Dame aux camélias (1911) und Königin Elisabeth von England (1912). Alle ihre Filmauftritte der 1910er Jahre entstanden unter der Regie von Louis Mercanton. Ihre Stimme ist auf einigen Grammophonplatten und Phonographenwalzen dokumentiert (siehe unten).

Literarische Werke (Auswahl)

Sarah Bernhardt übersetzte Theaterstücke, schrieb Romane und ein Buch über das Schauspiel; ihre Memoiren veröffentlichte sie bereits 1907.

  • Dans les nuages. Impressions d’une chaise Charpentier, 1878
    • dt. Ausgabe: In den Wolken. Die Abenteuer eines Stuhls. Übersetzung aus dem Französischen von Inken Henkel. ConferencePoint Verlag, Hamburg 2018, ISBN 978-3-936406-54-2.
  • L’Aveu. Drame en un acte en prose, 1888
  • Ma double vie. Mémoires. Charpentier et Fasquelle, Paris 1907
    • dt. Ausgabe: Mein Doppelleben. Memoiren. Deutsch von Franz Neubert und Dr. Frohwalt Küchler. Schulze & Co., Leipzig 1908[3]
  • Adrienne Lecouvreur. Drame en six actes, Paris 1908
  • Un cœur d’homme. Pièce en quatre actes, 1911
  • Du théâtre au champ d'honneur. Pièce en un acte, 1916 (Digitalisat im Internet Archive)
  • Joli Sosie. Roman, Editions Nilsson, Paris 1920 (Digitalisat im Internet Archive)
  • Petite idole, 1920
  • L’art du théâtre, Editions Nilsson, Paris 1923

Filme (Auswahl)

Bernhardt zählt zu den ersten Künstlern, die in dem damals neu aufgekommenem Medium Film aufgetreten sind. Diese sind teilweise heute noch erhalten.

Bernhardts eigenes Leben war Thema des Films Die unglaubliche Sarah (The Incredible Sarah, 1976) mit Glenda Jackson in der Titelrolle.

Literatur

  • Claudia Balk: Theatergöttinnen. Inszenierte Weiblichkeit. Clara Ziegler – Sarah Bernhardt – Eleonora Duse. Stroemfeld, Basel u. a. 1994, ISBN 3-87877-485-0.
  • Julian Barnes: Lebensstufen. Übersetzung aus dem Englischen von Gertraude Krueger. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2015, ISBN 978-3-462-04727-1.
  • Henry Gidel: Sarah Bernhardt. Flammarion, Paris 2006, ISBN 978-2-08-068531-5 (französisch).
  • Robert Gottlieb: Sarah. The life of Sarah Bernhardt. Yale University Press, New Haven, CT u. a. 2010, ISBN 978-0-300-14127-6 (englisch); deutsche Übersetzung von Tanja Handels und Ursula Wulfekamp: Die Göttliche: Sarah Bernhardt, Steidl, Göttingen 2012, ISBN 978-3-86930-471-7.
  • Noëlle Guibert (Hrsg.): Portrait(s) de Sarah Bernhardt. In: Sarah Bernhardt ou le divin mensonge (Ausstellungskatalog), Bibliothèque nationale de France, Paris 2000, ISBN 2-7177-2113-4.
  • Cornelia Otis Skinner: Madame Sarah. Das Leben der Schauspielerin Sarah Bernhardt. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Günther Danehl, Fischer TB 5669, Frankfurt am Main 1968, 1988, ISBN 3-596-25669-0.
  • Claudia Thorun: Sarah Bernhardt. Inszenierungen von Weiblichkeit im Fin de siècle. Olms, Hildesheim 2006, ISBN 3-487-13177-3 (= Medien und Theater. NF, Band 8).
  • Josef Viktor Widmann: über Sarah Bernhardt in einem Feuilleton des Bund aus den 1880er Jahren, wieder abgedruckt in: Josef Viktor Widmann. Ein Lebensbild. Zweite Lebenshälfte. Verfaßt von Max Widmann. Huber, Frauenfeld u. Leipzig 1924, S. 124–126.

Rezeption

  • Das Theaterstück Starlight von Gladys Unger basiert lose auf der Karriere von Bernhardt. In der Verfilmung unter dem Titel Das göttliche Weib übernahm Greta Garbo die Rolle der Marianne.
  • Das Lucky-Luke-Album Sarah Bernardt (Band 35) behandelt eine ihrer neun Tourneen durch die Vereinigten Staaten.
  • Die Bernhardt inspirierte auch die deutschen Konditoren; sie schufen eine Sarah-Bernhardt-Torte. Diese Spezialität wurde von Hermann Bernhardt (1882–1962) im ehemaligen Café Bernhardt in Alpirsbach kreiert und gibt es auch als konisches Törtchen mit einer Mandel in der Spitze.
  • Der Zierpflanzenzüchter Victor Lemoine benannte eine Pfingstrose nach ihr; Sarah Bernhardt in apfelblütenrosa mit intensivem Duft ist wahrscheinlich die meistverkaufte Schnittblumen-Pfingstrose weltweit.
  • Der französische Schriftsteller Jules Verne traf Sarah Bernhardt im Herbst 1880, als sie während eines Gastspiels in dessen Geburtsstadt Nantes weilte.[4] Jules Verne verewigte sie in seinem Roman Der Findling in der Figur der Schauspielerin Anna Walston.[5]
Commons: Sarah Bernhardt – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Volker Klimpel: Berühmte Amputierte. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 23, 2004, S. 313–327; hier: S. 322 f.
  2. Aus einem Feuilleton im Bund aus den 1880er Jahren, wieder abgedruckt in: Josef Viktor Widmann. Ein Lebensbild. Zweite Lebenshälfte. Verfaßt von Max Widmann. Huber, Frauenfeld u. Leipzig 1924, S. 124–126.
  3. Rezension von Walther Küchler bei der Deutschen Digitalen Bibliothek
  4. Volker Dehs: Jules Verne. Eine kritische Biografie. Artemis & Winkler, Düsseldorf und Zürich 2005, ISBN 3-538-07208-6, S. 79.
  5. Meiko Richert, Volker Dehs: Fogg goes Media: Die Superstars der Bühnenwelt. In: Nautilus. Nr. 31. Jules-Verne-Club, Bremerhaven 2017, S. 24.
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