„Das Gesetz sind wir“ (ZDF / Kordes & Kordes) ist l�ngst nicht so grimmig wie fr�here Zusammenarbeiten von Autor Holger Karsten Schmidt und Regisseur Markus Imboden, die f�r „M�rder auf Amrum“ den Grimme-Preis bekommen haben. Im Vergleich zu Schmidts ARD-Reihe „Harter Brocken“ wirkt der Film sogar etwas weichgesp�lt. Umso sehenswerter sind Aljoscha Stadelmann und Julia Koschitz als unbescholtene Bremer Streifenpolizisten, die sich unversehens einen Clanchef zum Todfeind machen und auf gewitzte Weise ihre K�pfe aus der Schlinge ziehen. Das Drehbuch verbl�fft immer wieder durch �berraschende Wendungen und heitere Szenen; trotzdem ist das ZDF-Etikett „Krimikom�die“ fehl am Platz.
Irgendwann f�llt dieser eine Tropfen, der das Fass zum �berlaufen bringt. Im Fall von Klaus Burck ist tats�chlich Fl�ssigkeit im Spiel: Als ihm ein kleiner Pisser ins Gesicht spuckt, platzt dem Bremer Streifenpolizisten der Kragen. Der Schlag ist ein Reflex, aber er hat fatale Folgen, zun�chst f�r das Nasenbein des Jungen, dann f�r Burck und seine Kollegin Maja Witt: Das Opfer, das eigentlich ein T�ter ist (der Bursche wollte mit seinen Freunden einen Obdachlosen anz�nden), entpuppt sich als j�ngster Sohn von Clan-Chef Djamal Issa; und der betrachtet den Schlag selbstredend als Verletzung der Familienehre. Burck und Witt haben nun die Wahl: Kuschen oder Krieg; aber Kuschen ist nicht ihr Ding.
Foto: ZDF / Michael IhleZwei Streifenpolizisten in Bremen. Aljoscha Stadelmann und Julia Koschitz
Freunde der Filme von Autor Holger Karsten Schmidt werden bereits beim Namen Klaus Burck aufmerken: So hie� eine von Hinnerk Sch�nemann verk�rperte Figur in dem Thriller „M�rderische Erpressung“; ein mutiger Dorfpolizist, der sich wie im Western-Klassiker „High Noon“ gegen eine �bermacht stellt. Dieses Muster taucht in Schmidts Geschichten immer wieder auf, unter anderem in „13 Uhr mittags“ (ARD, 2018) mit J�rg Sch�ttauf als Dorfsheriff, der �ber sich hinauswachsen muss. Das Drehbuch hat Schmidt – wie schon beim mittelpr�chtigen ARD-Zweiteiler „Spuren der Rache“ – unter einem Pseudonym geschrieben: Klaus Burck. Querverweise dieser Art gibt es im Universum des Autors st�ndig, und das nicht nur wegen der regelm��ig auftauchenden Figur des unerschrockenen Dorfpolizisten, wie ihn Aljoscha Stadelmann in der ARD-Reihe „Harter Brocken“ verk�rpert. Stadelmann spielt auch den Bremer Burck, Regie f�hrte der Schweizer Markus Imboden, der schon ein Dutzend von Schmidts Drehb�chern verfilmt hat; die beiden sind 2010 f�r den Insel-Western „M�rder auf Amrum“ (ZDF) mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden.
Foto: ZDF / Michael IhleAhmed Issa (Rauand Taleb) beschuldigt die Polizisten (Julia Koschitz & Aljoscha Stadelmann), ihn willk�rlich angegriffen zu haben. Marc Hosemann als Anwalt
An diese Klasse kommt „Das Gesetz sind wir“ allerdings ebenso wenig ran wie an „Harter Brocken“. Auch im Vergleich zur vierteiligen Finn-Zehender-Reihe mit Sch�nemann, die Imboden und Schmidt ebenfalls f�rs ZDF (2011 bis 2014) gemacht haben, wirkt der Film weicher: Die Figuren sind nicht ganz so hartgesotten, der Humor ist l�ngst nicht so grimmig, die Spr�che sind bei Weitem nicht so b�se, die einzige Actionszene gegen Ende ist relativ harmlos; selbst die Schussger�usche klingen nicht t�dlich. Vielleicht r�hrt daher das ZDF-Etikett „Krimikom�die“, das der Geschichte allerdings nicht gerecht wird. Die Handlung hat zwar gelegentlich heiteres Potenzial, zumal Schmidt mit einigen �berraschungen aufwartet, aber Imboden hat zum Gl�ck darauf verzichtet, die entsprechenden Szenen kom�diantisch zu inszenieren. Der Gag-Effekt resultiert vielmehr aus schlichten, aber wirkungsvollen Ideen: Als Burck und Witt (Julia Koschitz) einen Klein-Dealer verfolgen, nimmt die Kollegin einen vermeintlichen Umweg und schneidet dem Ganoven den Weg ab. Witzig wird das jedoch erst beim zweiten Mal, als sie den Dealer auf exakt die gleiche Weise noch mal schnappt.
Soundtrack: Stevie Ray Vaughan & Double Trouble („Tin Pan Alley“), Tom Waits (“Downtown Train”)
Von den anderen Krimis Schmidts unterscheidet sich „Das Gesetz sind wir“ nicht zuletzt durch den auch f�r einen ZDF-Film ungew�hnlichen Schauplatz Bremen: In einer Stadt funktionieren selbst typische Schmidt-Geschichten zwangsl�ufig anders als in freier Wildbahn, zumal Burck und Witt ihren skrupellosen Gegner (Merab Ninidze) mit List und Verstand bek�mpfen. Zun�chst gelingt es ihnen, den jungen Ahmed Issa (Rauand Taleb) und seinen gerissenen Anwalt (Marc Hosemann) reinzulegen, indem sie den beiden Drogen unterjubeln; das Geld, das sie bei der Vereitelung eines gro�angelegten Deals erbeutet haben, verteilen sie gro�z�gig an Bed�rftige. Aber der alte Issa hat seine Leute auch bei der Polizei, weshalb der Plan doch noch misslingt. Au�erdem schl�gt der Clan zur�ck und trifft die beiden dort, wo es ihnen am meisten weh tut. Burck und Witt ist daher klar: Dieses Problem muss ein f�r alle mal gel�st werden, sonst werden sie ihres Lebens nie wieder froh. Ihr Clou mag nicht so ausgekl�gelt sein wie im gleichnamigen Klassiker mit Robert Redford und Paul Newman, aber wie sie ihren Kopf aus der Schlinge ziehen, ist nicht nur �u�erst clever, sondern auch ein gro�es Vergn�gen, zumal ihnen au�erdem Issas Maulw�rfe ins Netz gehen.
Foto: ZDF / Michael IhleDrogenfund beim Issa-Clan – Ermittlerin Krohn (Heerwagen) d�rfte zufrieden sein.
Neben der teilweise ungew�hnlichen Besetzung – die Verr�ter werden von Bernadette Heerwagen und Michael Wittenborn verk�rpert – lebt Schmidts Geschichte vor allem vom verbl�ffenden Wandel der beiden Hauptfiguren, die keine Lust mehr haben, am Ende „immer die Gearschten“ zu sein, wie es Burck formuliert, und schlie�lich neben einer beachtlichen Raffinesse auch gro�e Freude an der Hochstapelei offenbaren: Um sich im Fuhrpark der Polizei bedienen zu k�nnen, geben sich die beiden frech als Verfassungssch�tzer aus; clever verz�gert Schmidt Ziel und Zweck dieser Aktion. Reizvoll ist auch die umgekehrte Rollenverteilung „Guter Bulle, b�ser Bulle“: Burck ist ein sanftm�tiger Typ, der Delinquenten ausgesucht h�flich behandelt; Witt ist daf�r zust�ndig, die Ganoven im Wortsinne aufs Kreuz zu legen. Stadelmann und Koschitz haben sich schon in zwei Episoden von „Harter Brocken“ perfekt erg�nzt, dort allerdings als Gegenspieler.
Der Film ist zudem eine Verbeugung vor den uniformierten Polizisten, die im Hauptabendkrimi meist blo� die Laufburschen der Kommissare sind. Der Verteidiger (�zg�r Karadeniz) der Gegenseite, der das Komplott gegen den jungen Issa und dessen Anwalt durchschaut hat, bringt es in der Verhandlung auf den Punkt, als er von fehlender Anerkennung und Wertsch�tzung f�r die M�nner und Frauen spricht: Heute bringen sie die Kleinganoven hinter Gitter, morgen m�ssen sie frustriert feststellen, dass das Gesocks wieder auf freiem Fu� ist. Als der Prozess endet, wird ausgerechnet der einzige Beteiligte, der die Wahrheit gesagt hat, wegen einer vermeintlichen Falschaussage verurteilt. Das ist ebenso typisch Schmidt wie ein Western-Satz des Clan-Chefs: „Wer auf Rache aus ist, muss immer zwei Gr�ber schaufeln.“ Demgegen�ber stehen herzerw�rmende Szenen wie jene, in denen sich Burck liebevoll um seinen dementen Vater (Heiner Stadelmann, auch im wahren Leben Aljoschas Vater) k�mmert oder selbstvergessen die Blues-Ikone Stevie Ray Vaughan auf der Luftgitarre begleitet. Aber Schmidt w�re nicht Schmidt, wenn er solche Momente nicht gleich wieder brechen w�rde: Burck gibt sein Solo in der Anwaltswohnung, wo er soeben das Rauschgift versteckt hat; und der Mann ist auf dem Heimweg. Eine elektrische Gitarre pr�gt auch die treffende Filmmusik von Florian Tessloff. (Text-Stand: 20.2.2020)
Foto: ZDF / Michael IhleAbend am Bremer Hafen. Nach zwei Episoden der ARD-Reihe "Harter Brocken" machen Aljoscha Stadelmann und Julia Koschitz auch beim ZDF eine gute Figur.
Tilmann P. Gangloff ist seit 1985 freiberuflicher Fernseh- und Filmkritiker f�r Tageszeitungen und Fachzeitschriften, seit 1990 regelm��iges Mitglied der Jury f�r den Grimme-Preis sowie Mitglied diverser anderer Fernsehpreisjurys.