Fragen Sie Dr. Bopp! – Deutsche Rechtschreibung und Grammatik

Mit Abgeordnetem Thaler und Bürgerbeauftragter Berger – adjektivische Beugung ohne Artikel

Frage

Allmonatlich stelle ich eine Übersicht der Termine meiner Chefin zusammen. Das Ganze geht dann als stichwortartige Liste, quasi im Schlagzeilenformat, an unsere Abteilungsleitungen. Und immer wieder stolpere ich über dasselbe Problem. Heißt es:

Treffen mit Abgeordneten Peter Thaler oder Treffen mit Abgeordnetem Peter Thaler
Gespräch mit Bürgerbeauftragten Claudia Berger oder Gespräch mit Bürgerbeauftragter Claudia Berger

Die zuerst genannten Varianten würden sich durch schlichtes Weglassen des Artikels ergeben. Sie klingen für mich falsch – was aber leider auch für die jeweils zweite Variante gilt, wenn ich sie lange genug anstarre. Ich finde einfach keine Begründung, warum die eine oder andere Möglichkeit richtig sein sollte. […]

Antwort

Guten Tag Frau U.,

langes Anstarren hilft bei sprachlichen Zweifeln nie. Je länger man hinschaut, desto größer wird in der Regel die Unsicherheit. Das gilt insbesondere für so verzwickte Phänomene wie die deutsche Adjektivbeugung.

Die Wörter der/die Abgeordnete und der/die (Bürger–)Beauftragte sind substantivierte Adjektive. Als solche werden sie in der Standardsprache normalerweise gleich gebeugt wie „gewöhnliche“ Adjektive.

Wenn man (substantivierte) Adjektive mit dem bestimmten Artikel verwendet, werden sie schwach gebeugt:

Treffen mit dem Abgeordneten
Treffen mit dem Abgeordneten Thaler
Treffen mit dem Abgeordneten Peter Thaler

Gespräch mit der Bürgerbeauftragten
Gespräch mit der Bürgerbeauftragten Berger
Gespräch mit der Bürgerbeauftragten Claudia Berger

vgl.

mit dem großen Erfolg
mit der zunehmenden Aufmerksamkeit

Wenn man (substantivierte) Adjektive ohne Artikel verwendet, werden sie stark gebeugt:

Treffen mit Abgeordnetem
Treffen mit Abgeordnetem Thaler
Treffen mit Abgeordnetem Peter Thaler

Gespräch mit Bürgerbeauftragter
Gespräch mit Bürgerbeauftragter Berger
Gespräch mit Bürgerbeauftragter Claudia Berger

vgl.

mit großem Erfolg
mit zunehmender Aufmerksamkeit

Siehe auch hier.

Man kann also bei adjektivisch gebeugten Substantiven nicht immer einfach den Artikel weglassen. Das hat oft Auswirkungen auf die Endung:

Informationsabend für die Studierenden
Informationsabend für Studierende

Die Verwandten von Frau Schmidt wurden benachrichtigt.
Frau Schmidts Verwandte wurden benachrichtigt.

Wer isst das viele Eingemachte?
Wer isst so viel Eingemachtes?

Es spricht der Abgeordnete Thaler.
Es spricht Abgeordneter Thaler.

Ganz ungefragt noch ein Vorschlag: Wenn Sie bei den artikellosen Varianten wieder einmal unsicher sind, könnten Sie auch einfach mit Artikel formulieren. Sehr viel länger wird die Übersicht dadurch nicht:

Treffen mit Abgeordnetem Thaler
Treffen mit dem Abgeordneten Thaler

Gespräch mit Bürgerbeauftragter Berger
Gespräch mit der Bürgerbeauftragten Berger

Ich hoffe, dass Abgeordnete und Bürgerbeauftragte bzw. die Abgeordneten und die Bürgerbeauftragten von nun an weniger Zweifel aufkommen lassen – wenigstens was ihre Beugung betrifft.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Fronleichnam

Heute haben viele in katholischen Gebieten frei. Man feiert Fronleichnam zum Gedenken der wirklichen Gegenwart Christi bei der Eucharistie. Man möge mir mir bitte verzeihen, falls ich dies nicht ganz richtig formuliere. Da ich weder aus katholischem Haus komme noch aus einer katholischen Region stamme und auch jetzt nicht in einem katholischen Gebiet wohne, ist mir dieser Feiertag eigentlich mehr oder weniger unbekannt. Ich habe heute auch keinen freien Tag. Erst wenn es hier an einem Donnerstag nach Pfingsten zu ungewöhnlichen Staus kommt und die Läden besonders voll sind, dämmert es mir jeweils: Das muss ein katholischer Feiertag sein. Heute ist dies, wie gesagt, Fronleichnam.

Um meine Unwissenheit wenigstens ein bisschen zu reduzieren, wollte ich wissen, woher dieser ungewöhnliche Name stammt. Ich kenne Fron nur im Zusammenhang mit Fronarbeit und Frondienst, also der Arbeit, die Bauern oder Leibeigene ihren Grundherren oder Feudalherren schuldig waren. Leichnam ist ein schönes Wort mit der Bedeutung Leiche, toter Körper. Da dies kaum die Bedeutungen sein können, die zusammen den Namen für dieses Kirchenfest ergeben, musste ich weitersuchen.

Der Name ist schon alt und stammt aus der Zeit, in der man das Fest zu feiern begann (seit dem 13. Jh.). Das Wort vron war eigentlich ein Adjektiv und bedeutete den geistlichen oder weltlichen Herrn betreffend, ihm gehörend. Das erklärt die Begriffe Fronarbeit und Frondienst: Arbeit bzw. Dienst für den Herrn. Das Wort Leichnam (bzw. sein Vorläufer) bezeichnete ursprünglich nicht nur den toten, sondern bis ins 17 Jahrhundert auch den lebenden Körper (wie heute noch niederländisch lichaam, isländisch líkami, norwegisch u. dänisch legeme). Kurz zusammengefasst: Fronleichnam bedeutet des Herren Körper. Und genau dies wird ja gefeiert: die wirkliche Gegenwart des Leibes (und Blutes) Christi bei der Eucharistie.

Wer frei hat, genieße den freien Tag! Und wer arbeitet, aber dies „trotzdem“ gelesen hat: Wieder etwas dazugelernt!

Zur Wortgeschichte siehe hier und hier.

Bei zweimal täglichem Zähneputzen?

Frage

Was halten Sie von dieser Formulierung?

Wie jeder Mensch ist auch jedes Gebiss einzigartig. Trotzdem gibt es einige allgemeine Regeln für die Mundhygiene. Welche allgemeinen Regeln der Mundhygiene es neben zwei- bis dreimal täglichem Zähneputzen gibt, erfahren Sie hier.

Ich stolpere irgendwie. Sie auch? Hier ginge es ja sicher: „neben zwei bis drei mal täglich die Zähne zu putzen“, aber so wie im Beispiel?

Antwort

Guten Tag Herr F.,

auch ich stolpere über diese Formulierung und ich würde sie so nicht verwenden. Sie scheint aber allgemein üblich zu sein. So findet sich zum Beispiel bei zweimal täglichem Zähneputzen auf den Internetseiten von Zahnpasta- und Mundwassermarken, Apotheken, Zahnarztpraxen usw. Man kann darüber diskutieren, ob eine solche Formulierung wirklich grammatisch ist, aber was üblich ist, ist letztlich richtig.

Ich würde deshalb zwei- bis dreimal tägliches Zähneputzen nicht als falsch bezeichnen, auch wenn es bestimmt kein stilistischer Höhepunkt ist. Besser wäre eine andere Formulierung. Alternativen sind aber meist etwas länger und umständlicher:

neben ein- bis zweimal täglichem Zähneputzen
außer ein- bis zweimal täglich die Zähne zu putzen

bei dreimal wöchentlicher Anwendung des Produktes
wenn das Produkt dreimal wöchentlich angewendet wird

mehrmals jährliches Wechseln des Filters ist sinnvoll
den Filter mehrmals jährlich (zu) wechseln ist sinnvoll

Etwas Ähnliches gilt zum Beispiel auch für Formulierungen wie die über Achtzehnjährigen und die unter Zwölfjährigen. Das sind ebenfalls übliche Konstruktionen, denen man mit grammatisch-orthografischer „Logik“ nur bedingt beikommen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

„Sogar“ ist meist auch „selbst” – aber sogar/selbst hier gibt es Ausnahmen.

Frage

Können Sie mir bitte den Unterschied zwischen „sogar“ und „selbst“ sagen? Ich finde leider keine Informationen dazu im Internet.

Antwort

Guten Tag A.,

man kann „sogar“ und „selbst“ sehr häufig unterschiedslos verwenden:

Das hat sogar/selbst sie gefreut.
Heute Nacht hat es sogar/selbst gefroren.
Sogar/Selbst der Kapitän wurde seekrank.
Sie widerstand sogar/selbst den größten Versuchungen.

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Eine erste Einschränkung betrifft selbst in einem verneinten Satz. Wenn selbst  in Verbindung mit nicht die Bedeutung nicht einmal hat, ist sogar unüblich:

Sie waren selbst für Geld nicht dazu bereit.
Niemand glaubt ihr, selbst ihre Eltern nicht.
Der E-Auto-Markt ist selbst in der Schweiz nicht allzu groß.

Man kann hier auch sogar verwenden, aber es klingt ungewöhnlich.

Eine zweite Einschränkung ergibt sich daraus, dass selbst nicht nur sogar, sondern auch selber bedeuten kann. Man sollte deshalb nicht selbst im Sinne von sogar verwenden, wenn es mit selbst im Sinne von selber verwechselt werden kann:

Die Vorstellung hat mich sogar sehr beeindruckt.
besser nicht: Die Vorstellung hat mich selbst sehr beeindruckt.

Ein Sieg wäre sogar verdient gewesen.
besser nicht: Ein Sieg wäre selbst verdient gewesen.

Die Formulierungen mit selbst sind nicht falsch, aber es ist (zumindest ohne Kontext) nicht klar, dass sogar gemeint ist. Der Übergang ist fließend. Beim zweiten Beispiel kann mit Hilfe der Betonung und/oder des Satzzusammenhangs klar gemacht werden, dass sogar und nicht selber gemeint ist.

Rein stilistisch ist die letzte Einschränkung, die ich hier erwähnen möchte: Man vermeidet besser zweimal selbst.

Sie haben es sogar selbst versucht
besser nicht: Sie haben es selbst selbst versucht.

Bei diesem Film hat der Autor sogar selbst Regie geführt.
besser nicht: Bei diesem Film hat der Autor selbst selbst Regie geführt.

Man kann sogar und selbst also gleich verwenden, aber sogar/selbst hier gibt es ein paar Einschränkungen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Schließt die Hexe Rapunzel im Turm oder in den Turm ein?

Frage

Schreibt man: „Der Turm , in dem die Hexe Rapunzel einsperrt, liegt im Wald“, oder: „Der Turm, in den die Hexe Rapunzel einsperrt, liegt im Wald“? Ist die Standortangabe statisch oder dynamisch zu betrachten – oder ist vielleicht beides möglich?

Antwort

Guten Tag Herr J.,

bei einsperren kann nach in sowohl der Dativ als auch der Akkusativ stehen.

im Turm einsperren
in den Turm einsperren

Im Prinzip verbindet man die sogenannten Wechselpräpositionen mit dem Dativ, wenn etwas Statisches gemeint ist, und mit dem Akkusativ, wenn etwas Dynamisches gemeint ist:

Ich liege in der Sonne.
Ich lege mich in die Sonne.

Ganz so einfach, wie diese Grundregel es beschreibt, ist es allerdings nicht immer. Bei vielen Verben ist nämlich sowohl eine „statische“ als auch eine „dynamische“ Sichtweise üblich. Zu diesen Verben gehört das Verb einsperren. Man kann angeben, wo das Einsperren stattfindet, und den Dativ nehmen. Man kann auch angeben, wohin der, die oder das Einzusperrende gebracht wird, und den Akkusativ wählen. Beide Sichtweisen sind hier üblich:

Die Hexe sperrt Rapunzel in einem Turm ein.
Die Hexe sperrt Rapunzel in einen Turm ein.

der Turm, in dem die Hexe Rapunzel einsperrt
der Turm, in den die Hexe Rapunzel einsperrt

Hier noch ein paar Verben, bei denen beide Sichtweisen gebräuchlich sind:

Schließen Sie Ihre Wertsachen im Safe ein!
Schließen Sie Ihre Wertsachen in den Safe ein!

alle Namen in der Liste eintragen
alle Namen in die Liste eintragen

den Fernseher an der Wand montieren
den Fernseher an die Wand montieren

Ziemlich abstrakt gesagt geht es hier um Verben, bei denen der Ort, an dem die Handlung stattfindet, und der Ort, der das Ziel der Handlung ist, derselbe Ort ist.

Wo ist Rapunzel, wenn sie eingesperrt wird? – Im Turm.
Wohin wird Rapunzel gebracht, um sie einzusperren? – In den Turm.

Es gibt (leider?) keine feste Regel, bei welchen Verben beide Sichtweisen üblich sind, das heißt, bei welchen Verben der Anschluss mit sowohl dem Dativ als auch dem Akkusativ möglich ist.

Mehr zu diesem Thema und weitere Beispiele finden Sie in einem anderen, schon ziemlich in die Jahre gekommenen → Blogartikel.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Formenvielfalt: der Fleck, der Flecken, die Flecke, die Flecken

Frage

Warum steht im Satz „Auf dem Tisch sieht man viele rote Flecken“ die Mehrzahl „Flecken“ und nicht „Flecke“?

Antwort

Guten Tag Frau S.,

für Deutschlernende kann dieses Wort eine der vielen kleinen Hürden sein, die es zu nehmen gilt. In diesem Fall kann man es aber genau genommen kaum falsch machen.

Man könnte sagen, dass es hier zwei Wörter mit der gleichen Bedeutung gibt, die zum Teil auch die gleichen Wortformen haben: der Fleck und der Flecken:

der Fleck, des Fleck(e)s; die Flecke o. die Flecken
der Flecken, des Fleckens; die Flecken

Nach den Angaben der Variantengrammatik wird im Singular meisten Fleck und im Plural meistens Flecken verwendet. Das gilt für den gesamten deutschen Sprachraum, wenn auch in unterschiedlich starkem Maße. Hier ein paar Beispiele:

Auf dem Tisch sieht man einen roten Fleck / selten: Flecken.
Auf dem Tisch sieht man viele rote Flecken / selten: Flecke.

Sie hatte einen Weinfleck / selten: Weinflecken auf der Bluse.
Sie hatte ein paar Weinflecken /selten: Weinflecke auf der Bluse.

Der riesige Sonnenfleck / selten: Sonnenflecken ist viermal so groß wie die Erde.
Manchmal sind mehrere Sonnenflecken / selten: Sonnenflecke mit bloßem Auge sichtbar.

Falls Sie unsicher sind, lernen Sie am besten der Fleck / die Flecken, dann machen Sie es so, wie die meisten Deutschsprachigen es tun. Und wenn Sie dann noch wissen, dass manchmal auch der Flecken und die Flecke vorkommt, sollte alles gutgehen.

Dies alles gilt übrigens, wie man bei den Beispielen oben sieht, auch für Fettflecken, Grasflecken, Kaffeeflecken, Weinflecken usw. Doch weit interessanter als die richtige Beugung ist bei vielen Fleckenarten diese Frage: Wie kriegt man sie wieder raus?!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Bösling

Frage

[…] [Meine ursprünglich russischsprachige Freundin] nennt mich immer noch mal „Liebling“. Als sie anfangs mal Ärger mit mir hatte, weil ich was „verbockt“ hatte, nannte sie mich (halb liebevoll) „Bösling“, und war bass erstaunt, als ich ihr erklären musste, dass es dieses Wort im Deutschen nicht gibt. Ich würde es sehr gerne „einführen“. Wo kann ich das bei Experten via Internet „einleiten“.

Antwort

Guten Tag Herr Z.,

das Wort Bösling kommt mir gar nicht so unbekannt vor, und dies nicht nur als Familienname. Tatsächlich taucht es hin und wieder im Internet und in großen Textsammlungen auf. Meist hat es dann die Bedeutung Bösewicht oder Fiesling. (Das sind sozusagen seine „offiziellen“ Konkurrenten.) Man kann also nicht sagen, dass es das Wort Bösling im Deutschen „gar nicht gibt“. Es kommt nur nicht so oft vor, dass es den Eingang in die Wörterbücher geschafft hätte.

Wenn ein Wort nicht in den Wörterbüchern steht, bedeutet dies nicht, dass es dieses Wort grundsätzlich nicht gibt oder dass man es nicht verwenden dürfte. Es bedeutet häufig nur, dass es (noch?) nicht in die Wortsammlungen aufgenommen worden ist. Die meisten Wörterbücher arbeiten mit großen, möglichst aktuellen Textsammlungen unterschiedlichster Art. Wenn ein Wort darin über längere Zeit relativ häufig vorkommt, wird es zum Aufnahmekandidaten und, nach Prüfung durch die Redaktion, vielleicht zum Wörterbucheintrag. Bei Duden werden daneben offenbar auch Anfragen zu „fehlenden“ Wörtern berücksichtigt.

Ihre Freundin kann Sie also problemlos „Bösling“ nennen (ob Sie es verdient haben, sei dahingestellt). Sie macht dabei keinen Fehler und sie verwendet auch kein unmögliches Wort. Die meisten Deutschsprachigen werden auch auf Anhieb verstehen, was mit dieser (scherzhaften) Bezeichnung gemeint ist.

Wenn Sie das Wort beim Einzug ins Wörterbuch unterstützen möchten, müssen Sie es möglichst oft benutzen und andere dazu bewegen, dies auch zu tun. Eine offizielle Instanz, bei der man neue Wörter beantragen könnte, gibt es nicht. Dieser Blogartikel hilft vielleicht auch ein kleines Bisschen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Ohne gegessen zu haben: auf leeren Magen oder auf leerem Magen?

Frage

Ich habe eine kurze Frage zum richtigen Kasus nach der Präposition „auf“. In einer Hörprüfung steht folgender Satz: „Am Schönsten ist Wandern auf leerem Magen.“ Ich hätte eher „auf leeren Magen“ gesagt, kann es mir aber nicht erklären. […] Oder liege ich gar falsch, und es müsste wirklich „auf leerem Magen“ heißen?

Antwort

Guten Tag Frau S.,

die bei den Wechselpräpositionen gebräuchliche Unterscheidung zwischen statisch (wo? → mit Dativ) und dynamisch (wohin? → mit Akkusativ) hilft in diesem Fall nicht viel weiter. Beide Sehensweisen sind  hier in mehr oder weniger übertragenem Sinne möglich. Dann gilt, dass richtig ist, was üblich ist. Was ist hier also die übliche Formulierung?

Nach Ihrem und auch nach meinem Empfinden müsste es auf leeren Magen heißen. Auch die Wörterbücher geben dies so an. Zum Beispiel:

auf leeren Magen etwas trinken
(Duden)

auf nüchternen Magen soll man nicht rauchen
und das auf nüchternen Magen!
(DWDS)

auf leeren Magen
(LEO)

Aber: Im Internet und in großen Textsammlungen kommt auch auf leerem Magen  vor – zwar weniger häufig, aber doch so häufig, dass man es als gebräuchliche Variante akzeptieren sollte. Dies gilt meiner Meinung dann, wenn (eigentlich) mit leerem Magen gemeint ist:

Wandern auf leeren/(leerem) Magen
= Wandern mit leerem Magen

In anderen Fällen würde ich den Wörterbüchern und unserem Empfinden folgen und nur den Akkusativ empfehlen:

etwas auf leeren Magen trinken, einnehmen usw.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

… als ob sie krank wäre, sei oder ist: Konjunktiv II, Konjunktiv I oder Indikativ?

Frage

Nach „als wenn“, „als ob“ und „als“ kommt der Konjunktiv II. Im Lehrbuch wird der Konjunktiv II als Grammatikpunkt behandelt, aber im Textteil steht auch den Konjunktiv I. Wie erkläre ich den Sprachschülern die beiden Sätze:

Sie verhält sich so, als ob sie krank wäre (Konjunktiv II)
Sie verhält sich so, als ob sie krank sei (Konjunktiv I)

Wann verwenden wir den Konjunktiv I und wann den Konjunktiv II mit „als ob“, „wie wenn“ bzw. „als“?

Antwort

Guten Tag Frau S.,

in irrealen Vergleichssätzen – um solche handelt es sich hier – mit als ob, als wenn, wie wenn oder als steht das Verb üblicherweise im Konjunktiv II (oder die würde-Form):

Sie schimpfen auf mich, wie wenn der Fehler meine Schuld wäre.
Ich fühlte mich, als ob die Sonne nur für mich schiene.
(Ich fühlte mich, als ob die Sonne nur für mich scheinen würde.)
Er sieht aus, als ob er die ganze Nacht nicht geschlafen hätte.
Sie stürzen sich aufs Büfett, als gäbe es nie wieder etwas zu essen.
(Sie stürzen sich aufs Büfett, als würde es nie wieder etwas zu essen geben.)

Sie verhält sich so, als ob sie krank wäre.

Wie so oft bei der Verwendung des Konjunktivs im Deutschen, ist diese „Regel“ nicht in Stein gemeißelt. Seltener steht hier nämlich auch der Konjunktiv I, und dies ohne Bedeutungsunterschied. Die Sätze haben jeweils die gleiche Bedeutung und sie sind als standardsprachlich korrekt anzusehen:

Sie schimpfen auf mich, wie wenn der Fehler meine Schuld sei.
Ich fühlte mich, als ob die Sonne nur für mich scheine.
Er sieht aus, als ob er die ganze Nacht nicht geschlafen habe.
Sie stürzen sich aufs Büfett, als gebe es nie wieder etwas zu essen.

Sie verhält sich so, als ob sie krank sei.

Üblicher ist hier aber, wie gesagt, der Konjunktiv II. Vielleicht ist es für Ihre Sprachschüler am besten, wenn sie hier aktiv den Konjunktiv II lernen, aber daneben passiv auch den Konjunktiv I als gleichbedeutend erkennen.

Um es noch komplizierter zu machen: In der gesprochenen Sprache kommt hier auch der Indikativ vor (allerdings nicht bei irrealen Vergleichssätzen, die mit einfachem als eingeleitet sind). Ich halte den Indikativ hier für standardsprachlich nicht zu empfehlen:

Sie schimpfen auf mich, wie wenn der Fehler meine Schuld ist.
Ich fühlte mich, als ob die Sonne nur für mich schien.
Er sieht aus, als ob er die ganze Nacht nicht geschlafen hat.

Sie verhält ich so, als ob sie krank ist.

Sie können alles auch in der Leo-Grammatik nachlesen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Mit und ohne Artikel: (eine) Pizza essen

Frage

Ich hätte eine Frage zu den Wortgruppen. Ich habe vor kurzem erfahren, dass „Pizza essen“ eigentlich eine Wortgruppe ist, bzw. dass „essen“ zusammen mit „Pizza“ eine Einheit bildet. […] Wie ist es zum Beispiel mit „Salat mitbringen“, ist das auch eine Wortgruppe? Und kann man zum Beispiel sagen: „Kauf Pizza!“, oder „Ich bringe Salat mit“, also ohne Artikel?

Antwort

Guten Tag Frau C.,

dass Pizza in Pizza essen ohne Artikel verwendet wird, hat nicht so viel damit zu tun, dass man es als eine Wortgruppe bezeichnen kann (auch eine Pizza essen ist eine Wortgruppe). Das Substantiv Pizza wird hier als Stoffbezeichnung verwendet. Stoffbezeichnungen stehen ohne Artikel, wenn eine unbestimmte Menge eines Stoffes gemeint ist (vgl. hier)

Hier ein paar Beispiele aus dem gleichen Bereich:

Brot backen
Salat mitbringen
Käse und Wurst kaufen
Wein trinken
Glas ist zerbrechlich
Pizza essen

Ähnlich wie diese Wörter kann Pizza als Stoffbezeichnung (ohne Artikel) oder als Gattungsbezeichnung verwendet werden. Als Gattungsbezeichnung ist dann ein Stück, ein Exemplar, eine Sorte oder eben einer dieser würzig belegten Fladenbrote nach ursprünglich italienischem Rezept gemeint. Dann kann man sie mit Artikel und/oder im Plural verwenden:

ein Brot backen / Brote backen
einen Salat mitbringen / Salate mitbringen
einen Käse und eine Wurst kaufen / Käse und Würste kaufen
einen Wein trinken / verschiedene Weine trinken
ein Glas zerbrechen / ein paar Gläser zerbrechen
eine Pizza essen / zwei Pizzas essen

Das gilt für viele Stoffbezeichnungen. Es gibt keine Liste aller Wörter, die in dieser Weise verwendet werden können. Stoffbezeichnungen sind, wie das Beispiel Pizza zeigt, nicht nur die üblichen „Verdächtigen“ wie Milch, Bier, Fleisch, Brot, Leder, Wolle, Eisen und Regen.

Wenn Sie eine unbestimmte Menge oder Anzahl Pizzas meinen, können Sie also sagen:

Weißt du, wo es hier Pizza gibt?
Man kann dort auch Pizza kaufen.
Sie kann gut Pizza backen.
Kauf Pizza!

Die Pizza möge schmecken!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp