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Auch ein Stammtisch in einem Apfelweinlokal kann Heimat sein.
Auch ein Stammtisch in einem Apfelweinlokal kann Heimat sein. © Renate Hoyer

Glücklich, wer mehrere Daheims sein Eigen nennen kann. Zum Beispiel eine Kneipe, wo man Sie gleich wiedererkennt.

Es ist ja das Wort „Heimat“ nicht so ganz unbelastet, im Nazijargon wird es gern verwendet als Bezeichnung für die völkisch-rassistische Idylle der ethnisch gesäuberten Nation. Wie allerdings bereits vor sechs Jahren ein grüner Biobauer namens Sepp Dürr der „Süddeutschen Zeitung“ sagte: „,Heimat‘ ist vorbelastet, gilt oft als Naziwort – aber dafür können die Gefühle ja nichts.“

Welche Gefühle, wollen Sie jetzt wissen? Bitte sehr, aber sprechen wir lieber, auch für Sepp Dürr vom Biohof eine akzeptable Alternative, vom „Daheim“. Daheim sind Sie natürlich zu Hause, da Sie wahrscheinlich zu den Glücklichen zählen, die weder obdachlos noch auf der Flucht noch von Krieg betroffen sind. Aber wenn Sie noch mehr Glück haben, bekommt Ihr „Daheim“ einen Plural, und Sie haben weitere vertraute Orte, Inseln der Erholung vom Alltag und der Krisenangst.

Stellen Sie sich, nur zum Beispiel, Folgendes vor: Durch Zufall geraten Sie in eine Kneipe, von der Sie bisher nichts wussten. Sie befindet sich genau in der Ecke, wo Sie in jungen Jahren unterwegs waren, ganz nah an einer der hässlichsten Kreuzungen in einem ansonsten schönen Stadtteil, gleich um die Ecke von dem Kino, wo Sie vor Jahrzehnten Ihren ersten Film gesehen haben („Serengeti darf nicht sterben“), keine 200 Meter weg von der Theke, an der Sie Ihr erstes Bier eingenommen haben.

Sie kommen also in die Kneipe, und hinter der Theke steht, ohne Zweifel wiedererkennbar, die gute alte R., die Ihnen schon damals, keine 200 Meter weg, Ihre ersten Biere reichte. Die gute alte R. fällt Ihnen nicht um den Hals, sie schaut Sie nur an, mit einem leisen Lächeln, und sagt: „Hi.“ Als hätten Sie sich vorgestern zum letzten Mal gesehen. Wie Sie sich dabei fühlen? Richtig: daheim. Daheim in alter, fast dörflicher Vertrautheit, die kaum eines Wortes bedarf, außer zwei Buchstaben: hi. Neben der guten alten R. steht K., der so genannt wird, wie die Kneipe heißt: Kaliko.

Auch er ein Bekannter aus der Zeit Ihres ersten Käfers. Jetzt, nach Jahrzehnten, fragen Sie ihn nach der Herkunft seines Namens, und er erzählt: Als Schüler nicht gerade in edle Stoffe gekleidet stieß er auf jemanden, der das Wort für ein grobes Gewebe kannte und aussprach: Kaliko. Das, sagt Kaliko, habe ihm gefallen, und jetzt trage er den Namen halt schon länger. „Ich heiße übrigens Wolfgang“, sagt Kaliko.

Gut, das noch erfahren zu haben. Das „Kaliko“ macht zu, Kaliko geht in den Ruhestand. Und fast rutscht einem ein schwieriges Wort heraus: Ein Stück Heimat geht verloren. Übrigens: Zu allem Überfluss war auch das Essen super, danke schön, liebe C.!

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