Zusammenfassung
Hintergrund
Eine effiziente Behandlung von Patienten wird häufig durch unzureichende Kommunikation zwischen den Beteiligten und die individuell unterschiedliche Festlegung von Prioritäten erschwert. Dies gilt sowohl für die präklinische als auch innerklinische Behandlung und kann zu einem Verlust von wichtigen Informationen sowie zu unnötigen und potenziellen Mehrfachuntersuchungen führen. Andererseits werden durch eine nicht strukturierte Befunderhebung möglicherweise lebensbedrohliche Befunde im Hinblick auf eine sofortige Intervention nicht ihrer Dringlichkeit entsprechend gewichtet.
Methode
Advanced Medical Life Support (AMLS) ist ein interprofessioneller Kurs, welcher in Kurzvorträgen, Workshops und Fallszenarien standardisierte und prioritätenorientierte Versorgungsabläufe lehrt.
Ergebnisse
In diesem Kurs werden der aktuelle Kenntnisstand in der Notfallmedizin zusammen mit systematischen Untersuchungsabläufen und einer effizienten Kommunikation vermittelt. Ziel des Kurses ist das rasche Erkennen lebensbedrohlicher Zustände und die unmittelbar damit verknüpfte leitlinienbasierte Behandlung. Der Kurs vermittelt hierzu systematisches Wissen und Untersuchungsabläufe, die Bedeutung der Kommunikation und standardisierte Vorgehensweisen. Der AMLS-Kurs ist für alle Beteiligten im Rettungsdienst und in Notaufnahmen entwickelt worden und damit für Notfall- und Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Pflegepersonal und Ärzte geeignet.
Schlussfolgerungen
Der AMLS-Kurs lehrt ein effizientes Handlungskonzept zur Versorgung von internistischen Patienten in der Präklinik und Klinik. Durch die gleiche Versorgungsstruktur und das Festlegen von Prioritäten entsteht eine gemeinsame Verständigungsebene, die eine bessere Kommunikation der präklinischen wie klinisch tätigen Teams untereinander für eine transparente Behandlung vermittelt sowie eine insgesamt effizientere und strukturiertere Behandlung internistischer Patienten ermöglicht.
Abstract
Background
Efficient treatment of patients is often made difficult due to insufficient communication between the participants and the individual differences in setting priorities. This is also true for preclinical and also clinical treatment and can lead to loss of important information, as well as to unnecessary and potentially multiple examinations. On the other hand, life-threatening findings are not weighted in terms of their urgency for an immediate intervention in a corresponding non-structured diagnostic assessment manner.
Methods and results
Advanced Medical Life Support (AMLS) is an interprofessional course, which teaches priority-based standardized processes using short presentations, workshops and case scenarios.
Results
In this course, the current state of knowledge in emergency medicine along with systematic investigation processes and efficient communication is presented. The aim of the course is the ability to recognize life-threatening conditions to treat patients with guideline-based processes. Systematic knowledge and investigation processes, the importance of communication and standardized procedures are taught. The AMLS course is designed for all providers in emergency departments and in the prehospital setting, including emergency medical technicians, paramedics, nurses, nurse practitioners and physicians.
Conclusions
The AMLS course teaches an efficient plan of action for the prehospital and in-hospital treatment of internal medicine patients. Because of the same aims and priorities for treatment, a “common language” arises which allows better communication between the preclinical and clinical teams among themselves as well as an altogether more rapid and structured treatment of internal medicine patients.
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Lebensrettende Interventionen haben bei vital kompromittierten Patienten höchste Priorität und dürfen nicht versäumt werden. Nach Beseitigung vitaler Störungen muss die Vielzahl von Informationen und Befunden geordnet und strukturiert werden. Advanced Medical Life Support (AMLS) vermittelt eine klare Struktur bei der Diagnostik und Therapie von medizinischen Notfallpatienten. In Zeiten knapper Ressourcen ist die daraus resultierende fachgerechte Zuweisung von Patienten in geeignete Kliniken genau so entscheidend wie die rasche klinikinterne Zuordnung. Eine zielgerichtete Kommunikation der Behandlungsteams mit eindeutigen Adressaten, klaren Anweisungen und Rückbestätigung ist dabei obligat.
Nichttraumatologische Notfallbilder prägen mehrheitlich das Spektrum der Akutmedizin – dies gilt sowohl für die Präklinik als auch in den Notaufnahmen. Internistische, aber auch neurologische Notfallbilder sind nicht nur in ihrer Pathophysiologie sehr vielfältig und komplex [1], sondern werden oft auch durch zahlreiche Einflüsse wie psychosoziale Faktoren, drogen- und medikamenteninduzierte Bewusstseinsveränderungen überlagert.
Notfallpatienten, welche präklinisch Symptome internistischer oder möglicherweise neurologischer Erkrankungen zeigen, sind nicht immer akut vital bedroht und werden durch Rettungsassistenten auf dem Weg zur Notaufnahme und dort vom Pflegepersonal bis zur Untersuchung durch den Arzt versorgt. Bei diesen Patienten lassen sich eine Vielzahl von Problemen in der initialen Phase gut behandeln und ggf. beheben. Zu nennen sind hier die Hypoglykämie oder die Exazerbation eines bekannten Asthmas. Aber auch unter den nichttraumatologischen Patienten finden sich akut Erkrankte, welche eine sofortige Behandlung benötigen und evtl. nur durch eine rasche Intervention in der Klinik adäquat behandelt werden können. Hierzu zählen z. B. der ischämische Schlaganfall im Lysefenster oder der ST-Hebungsinfarkt [2, 5].
Über die Hälfte der rettungsdienstlich versorgten Patienten werden der klassischen inneren Medizin und der Neurologie zugeordnet [13]. Die Behandlung dieser Patienten ist durch Empfehlungen der nationalen und internationalen Fachgesellschaften entsprechend vorgegeben. Obwohl die Versorgung dieser Patienten häufig durchgeführt wird, ist es kein Garant für einen routinierten Ablauf, da immer wieder wesentliche Dinge übersehen werden – was im ungünstigen Fall zu Fehlern führen kann [15]. In der Nachbetrachtung wird deutlich, dass neben der Vorgabe von Behandlungsleitlinien die erste Phase mit Untersuchung, Anamnese und initialer Therapie strukturierter ablaufen sollte. Dies beinhaltet ein für alle Team-Mitglieder transparentes Vorgehen durch standardisierte Abläufe. Die Grundintension, warum bestimmte Interventionen (wie z. B. das Schreiben eines 12-Kanal-EKG bei akutem Thoraxschmerz) zu definierten Zeitpunkten im Ablauf erfolgen müssen, muss jedoch allen Beteiligten durch physiologisch-medizinische Kenntnisse klar sein.
Im Bereich der Schwerstverletztenversorgung konnte gezeigt werden, dass die Anwendung von Leitlinien und ein standardisiertes sowie auf Algorithmen basierendes Vorgehen zur Versorgung von Patienten die Effektivität der Behandlung steigert [12]. Ebenfalls konnte bei einem strukturierten Vorgehen in der rettungsdienstlichen Versorgung eine Steigerung der Prozessqualität gezeigt werden [7].
Tatsächlich führen eine sorgfältige Anamnese und eine korrekte körperliche Untersuchung des Patienten zu einer höheren Diagnosequalität und so zur Einsparung von Ressourcen [15].
Dass sich bei der medizinischen Behandlung Fehler ereignen können, ist hinreichend bekannt. Eine Studie auf einer Intensivstation zeigte, dass mit einem 3,9-fach höheren Sterberisiko zu rechnen ist, wenn bereits bei der Aufnahme des Patienten Fehler gemacht werden [6].
Praktische Realisierung
Basierend auf den positiven Erfahrungen strukturierter Abläufe wie in dem Advanced-Trauma-Life-Support(ATLS®)-Programm, welches sich mit den Handlungsabläufen im Schockraum beschäftigt, und der präklinischen Variante, dem Pre-Hospital-Trauma-Life-Support(PHTLS)-Kursformat [14], wurde das AMLS-Kurskonzept entwickelt (Abb. 1).
Der AMLS-Kurs richtet sich folglich an alle Berufsgruppen, die nichttraumatologische Patienten mit vornehmlich internistisch-neurologischen Symptomen in der Akutphase außer- und innerklinisch versorgen.
AMLS-Kursstruktur und Inhalte
Der AMLS-Anwenderkurs dauert 2 Tage. In diesem Zeitraum werden Unterrichtseinheiten zur theoretischen Wissensvermittlung sowie praktische Trainingseinheiten absolviert. Das Verhältnis von Teilnehmern zu Instruktoren liegt in Deutschland bei 3:1.
Neben Vorträgen zu den Themen neurologisches Defizit, Dyspnoe, Thoraxschmerz, Schock, endokrine und metabolische Störungen, abdominelle Beschwerden, Infektionskrankheiten und Toxikologie wird sehr großer Wert auf praktische Übungen gelegt. Das erworbene Wissen wird in Fallbeispielen mit Patientendarstellern und in einem schriftlichen Multiple-Choice-Test am Ende des Kurses überprüft.
Kurskonzept
Der AMLS-Kurs bietet eine einfache und einprägsame Vorgehensweise mit klaren diagnostischen und therapeutischen Prioritäten sowie praktischen Anleitungen zur akutmedizinischen Versorgung von nichttraumatologischen Patienten. Analog anderer Kurssysteme (ATLS, ALS, PHTLS, ITLS etc.) ist die Grundidee, den Zustand des Patienten schnell zu erfassen, ohne dabei lebensbedrohliche Zustände zu übersehen. Die Philosophie lautet [10]:
Treat first, what kills first.
Hieraus ergeben sich Indikationen für erste Notfallmaßnahmen, um eine unmittelbare Lebensgefahr abzuwenden.
Beurteilung der Einsatzstelle einschließlich sozialer und hygienischer Aspekte
Ein wichtiger Aspekt der AMLS-Vorgehensweise ist präklinisch die Beurteilung der Einsatzstelle. Höchste Priorität hat hierbei die Sicherheit des Rettungsteams. Sobald wie möglich sollen logistische Aspekte wie Transportmittel, Entfernung zur nächsten adäquaten Klinik und andere Ressourcen bedacht werden.
Der Rettungsdienst wird zu einer 46-jährigen Patientin wegen Bauchschmerzen gerufen. Das nächste Klinikum der Schwerpunktversorgung ist 13 min entfernt. Die Adresse liegt in einer bürgerlichen Wohngegend. Die Wohnung macht beim Betreten einen aufgeräumten und ordentlichen Eindruck; auffallende Gerüche sind nicht wahrnehmbar. Die Einsatzstelle erscheint sicher.
Erste Beurteilung und Management des Patienten
Die durch die ABCDE-Regel (Tab. 1) charakterisierte Erstuntersuchung („primary survey“) erfasst die Vitalfunktionen des Patienten und führt bei Bedarf zu lebensrettenden Maßnahmen. Die Behandlung der gestörten Vitalfunktion erfolgt unmittelbar nach der Feststellung des Problems. Das ABCDE-Schema legt somit die diagnostischen und ggf. erforderlichen therapeutischen Prioritäten fest. Das Besondere bei den AMLS-Kursen ist nach der Feststellung, ob der Patient kritisch oder nicht kritisch ist, die Formulierung eines Leitsymptoms, basierend auf den Befunden aus dem „primary survey“. Gänzlich losgelöst vom Fallbeispiel werden Differenzialdiagnosen aufgrund des Leitsymptoms erörtert. Dabei werden neben den häufig vorkommenden Diagnosen auch seltene in Betracht gezogen, mit dem Ziel, nicht einem Fixierungsfehler zu unterliegen.
Um die Fülle an Informationen zu strukturieren, werden alle erhobenen Parameter und Befunde auf einer Flipchart festgehalten. Auch die Differenzialdiagnosen werden auf der Flipchart gesammelt (Abb. 2). Die weiterführende Anamnese und Untersuchung („secondary survey“) hat beim internistischen Patienten eine sehr hohe Bedeutung. Es schließt sich die Betrachtung der benötigten Messwerte an und wird durch eine fokussierte körperliche Untersuchung ergänzt. Die gewonnen Informationen helfen in jedem Schritt, die gesammelten Differenzialdiagnosen im gedanklichen „Trichter“ zu eliminieren oder um neue Differenzialdiagnosen zu ergänzen. Ziel ist es, von vielen möglichen Differenzialdiagnosen auf eine wahrscheinliche Verdachtsdiagnose zu kommen und dabei auch die Einschätzung des Patientenzustand im Team als lebensbedroht, ernsthaft krank oder unkritisch zu kommunizieren. Es schließt sich die Behandlung des Patienten an, wobei hier grundsätzlich auf aktuelle Empfehlungen der Fachgesellschaften verwiesen wird.
Die Erstuntersuchung („primary survey“) erfasst die Vitalfunktionen
Sobald sich der Zustand des Patienten verändert, muss die Erstuntersuchung umgehend wiederholt werden (Reevaluation). Die Behandlung der gestörten Vitalfunktion erfolgt unmittelbar nach der Feststellung des Problems. Somit ist der „primary survey“ nicht der Beginn einer „internistischen Sprechstunde“, sondern „scannt“ in kürzester Zeit lebensbedrohliche Befunde.
Die ABCDE-Regel soll sicherstellen, dass kein wesentliches Problem in der ersten Beurteilung unerkannt bleibt (Tab. 1).
Frau Maier begrüßt den Rettungsdienst und berichtet von ihren Bauchschmerzen. Sie wirkt schmerzbedingt etwas eingeschränkt. Sprechen bereitet ihr keine Mühe, die Inspektion zeigt einen freien Atemweg. Die Atemfrequenz liegt bei 20/min, eine kurze Auskultation ergibt ein beidseitiges vesikuläres Atemgeräusch, der Radialispuls ist kräftig, regelmäßig bei einer Frequenz von ca. 100/min, die Patientin wirkt etwas blass. Die Rekap-Zeit ist < 2 s, die Haut fühlt sich kühl und trocken an. Frau Maier ist zeitlich, örtlich und zur Person orientiert, bewegt alle Extremitäten spontan und ohne Einschränkung. Sie wird als nicht kritisch eingestuft. Das führende Leitsymptom ist der Bauchschmerz.
Gemeinsam werden im Team Differenzialdiagnosen gesammelt: Zystitis, Nierenkolik, Gallenkolik, Pankreatitis, Gastroenteritis, Aortenaneurysma, Cholezystitis, Gastritis, akutes Koronarsyndrom, Divertikulitis, ektope Schwangerschaft, Mesenterialinfarkt …
Aufgrund der Beschwerden werden parallel weitere Messwerte zu den Vitalwerten erhoben und die Anlage eines peripher-venösen Zugangs vorbereitet.
Weiterführende Untersuchung und Anamnese („secondary survey“)
Beim auskunftsfähigen Patienten ergeben sich schon aus dem ersten Dialog die ersten Fragen und Antworten zur aktuellen Problematik. Ziel des „secondary survey“ ist es, zumindest gedanklich, die Fragen zu strukturieren und eine differenzierte Beschreibung der aktuellen Beschwerden zu erhalten (Tab. 2).
Frau Maier hat plötzlich einsetzende Bauchschmerzen, welche nur durch Aufstehen und Herumgehen in der Wohnung etwas gelindert werden. Die Schmerzen sind primär nicht zu beeinflussen, ein direkter Druck im rechten Oberbauch ist sehr schmerzhaft. Die kolikartigen Schmerzen lokalisieren sich überwiegend im rechten Oberbauch, scheinen aber auch in die rechte Schulter zu ziehen. Frau Maier beschreibt die Schmerzen als stark beeinträchtigend (6/10), wenn die Schmerzen wellenförmig etwas nachlassen, etwa 3/10. Bereits nachts haben die Schmerzen angefangen, sich nach Erbrechen etwas gebessert, sind nun aber wieder zunehmend.
Dem schließt sich die allgemeine Anamnese an. Sie hat einen großen Einfluss hinsichtlich der Patientensicherheit, werden mit ihr doch schematisch Allergien, bestehende Medikationen, Vorerkrankungen und medizinische Behandlungen erhoben. Auch klassische Risikofaktoren, ergänzt durch familiäre und soziale Risiken, finden Beachtung (Tab. 3).
Frau Maier klagt im Wesentlichen über Bauchschmerzen, welche bereits differenziert wurden, sowie über leichte Übelkeit und Erbrechen.
Es ist eine Penizillin-Allergie bekannt, regelhaft werden keine Medikamente eingenommen. Frau Maier hat bereits wegen der Übelkeit selbstständig 10 MCP-Tropfen eingenommen. Der letzte ärztliche Check-up vor einem halben Jahr hat eine leichte arterielle Hypertonie ergeben, welche durch Bewegung und Gewichtsreduktion behandelt werden soll.
Frau Maier hat am Vortag an einer Familienfeier teilgenommen und üppig gegessen. Die dortige regionale Küche ist reichhaltig und gehaltvoll, welche mit passenden Getränken und Digestifs genossen wurde. Heute hat sie noch nichts zu sich genommen. Die Miktion war soweit unauffällig, der Stuhlgang wirkte heute Morgen sehr hell und glänzend. Ein direkt auslösendes Ereignis kann nicht gefunden werden, Risikofaktoren liegen nur im Rahmen der arteriellen Hypertonie und Rauchen vor, spezifische Risikofaktoren bestätigen sich jedoch als die „4 F“ (female, fat, fourty, fertile).
Die nachfolgende fokussierte körperliche Untersuchung kann weitere Hinweise liefern. Hierbei werden Informationen gewonnen, welche mit den Beschwerden des Patienten übereinstimmen, wie z. B. die Untersuchung des Abdomens bei abdominellen Beschwerden, aber auch die Suche nach Knöchelödemen und gestauten Jugularvenen.
Die Auskultation des Abdomens ist soweit unauffällig. Die fokussierte körperliche Untersuchung von Frau Maier zeigt eine Patientin mit sehr gutem Allgemein- und Ernährungszustand. Das Abdomen ist weich, jedoch zeigt sich im rechten Oberbauch eine deutliche Druckdolenz, v. a. in Verbindung mit der Inspiration, welche dann nicht möglich ist (Murphy-Zeichen).
Mit den Informationen aus dem „secondary survey“ soll die korrekte Verdachtsdiagnose ermittelt und eine entsprechende Behandlung eingeleitet werden. Auch hier gilt, dass bei Veränderungen stets eine Reevaluation notwendig ist, um die entsprechenden Maßnahmen ggf. zu adaptieren.
Sowohl die Techniken der Anamneseerhebung als auch der Untersuchungen werden in einer Vielzahl von Fallbeispielen trainiert (Abb. 3), ergänzt durch zahlreiche Vorträge, die den einzelnen Leitsymptomen entsprechen. „Think outside the box“, lautet das erklärte Ziel. Soll heißen, auch über naheliegende Diagnosen hinauszudenken, Anamnese und Befunde quer zu verknüpfen und sich nicht vorzeitig auf augenscheinliche Diagnosen zu fixieren [11]. Der „Trick“ der AMLS-Vorgehensweise ist, bereits bei der Untersuchung und der Anamnese Differenzialdiagnosen ein- oder auszuschließen.
Diskussion
Der AMLS-Kurs vermittelt dem Teilnehmer eine strukturierte Vorgehensweise, um medizinische Notfallpatienten sowohl präklinisch als auch in der Notaufnahme prioritätenorientiert zu untersuchen und entsprechend zu behandeln.
Der Kurs hat ein durchgängiges didaktisches Konzept. Durch den interprofessionellen und multidisziplinären Ansatz ist die Grundlage für eine einheitliche Akutversorgung gegeben.
Die Teilnehmer erlernen eine einheitliche „Sprache“ und Vorgehensweise, wodurch auch Probleme in der Kommunikation weitestgehend vermieden werden können. Auf diesem Prinzip beruhen ebenfalls in der deutschsprachigen Notfallmedizin vorhandene und bereits angesprochene Kurssysteme wie die des European Resuscitation Council (ERC), ATLS®) oder PHTLS [4]. Durch die einheitliche Sprache entsteht eine gemeinsame und einfach verständliche Kommunikationsebene aller Beteiligten. Aus der Literatur ist dies bereits bekannt und hat Einfluss auf die Versorgungsqualität [8, 9]. Darüber hinaus wird die in vielen Notfallsituationen vorhandene Unruhe und Hektik reduziert. Da diese Vorgehensweise sowohl im Rettungsdienst als auch in den Notaufnahmen umsetzbar ist, ist eine positive Beeinflussung bei Übergaben an der Schnittstelle Rettungsdienst/Notaufnahme zu erwarten.
Die Struktur der AMLS-Vorgehensweise ist gerade für Berufsanfänger jeder Berufsgruppe sehr einprägsam und hilft, auch in komplexen Einsatzsituationen angemessen zu reagieren [3]. Daher entsprechen die im AMLS-Kurs angewendeten Methoden der Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten den Bedürfnissen der Teilnehmer. Ein Teilnehmer-Mentoren-Verhältnis von 3:1 und der Wechsel von Theorie und Praxis führen darüber hinaus zu einer abwechslungsreichen und damit kurzweiligen Lernerfahrung.
Da AMLS selbst keine Vorgaben zur Patientenversorgung im engeren Sinne (Medikation, invasive Maßnahmen etc.) macht, kann hier auf aktuelle Empfehlungen der Fachgesellschaften verwiesen werden und entspricht somit, zumindest im weiteren Sinne, einer evidenzbasierten Versorgung. Für die Verantwortlichen von AMLS hat die Integration des Kurssystems in hiesige Strukturen große Bedeutung. Dabei spielt die Zusammensetzung der Teams in Notaufnahme und Rettungsdienst kaum eine Rolle und adaptiert vielmehr mühelos die Besonderheiten wie beispielsweise ein notarztgestütztes Rettungssystem.
AMLS-Kurse in Deutschland
AMLS-Kurse wurden erstmals 1999 in den USA durchgeführt und werden derzeit in 21 Ländern angeboten. In Deutschland wurde AMLS im Jahre 2010 eingeführt und erfreut sich als junges, internationales Kurskonzept einer immer größer werdenden Beliebtheit. Ein großer Vorteil besteht in der gleichen Anwendung von prähospitalen und hospitalen Behandlungsprinzipien (Abb. 4).
Fazit für die Praxis
AMLS ist ein internationales Ausbildungsprogramm, welches eine standardisierte und prioritätenorientierte Vorgehensweise bei nichttraumatologischen Patienten im Rettungsdienst und der Notaufnahme lehrt. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei das strukturierte Erkennen und Behandeln lebensbedrohlicher Zustände. Die AMLS- Vorgehensweise soll helfen, von vielen möglichen Differenzialdiagnosen zu einer Verdachtsdiagnose zu gelangen und dieses Krankheitsbild nach aktuellen Empfehlungen zu behandeln.
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Einhaltung der ethischen Richtlinien
Interessenkonflikt. D. Häske, B. Gliwitzky, T. Semmel,T. Schädler, S. Casu, H.-M. Grusnick und J. Brokmann geben an, dass eine Instruktoren-Tätigkeit für AMLS Deutschland besteht. B. Gliwitzky und T. Schädler sind geschäftsführende Gesellschafter von MegaMed Notfallmanagement, Annweiler. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Einwilligung gegeben. Im Falle von nicht mündigen Patienten liegt die Einwilligung eines Erziehungsberechtigen oder des gesetzlich bestellten Betreuers vor.
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Häske, D., Gliwitzky, B., Semmel, T. et al. Advanced Medical Life Support (AMLS). Notfall Rettungsmed 16, 611–616 (2013). https://doi.org/10.1007/s10049-013-1793-8
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